Europäische Union

Rumänien bekommt harte Auflagen von der EU

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Marc Kalpidis und Tobias Schmidt

Die Regierung in Bukarest soll ihren Kurs umgehend korrigieren.Manuel Barrose hat "ernste Bedenken". EU veröffentlicht "Fortschrittsbericht".

Brüssel. Die rumänische Regierung hat sich wegen ihrer jüngsten Beschneidung des Rechtsstaates eine scharfe Schelte aus Brüssel eingefangen. Die EU verlangt von Ministerpräsident Victor Ponta insbesondere eine Rücknahme der Not- und Eilverordnungen, die mit dem Ziel einer vorzeitigen Amtsenthebung von Staatspräsident Traian Basescu erlassen worden waren. EU-Kommissionpräsident José Manuel Barroso bekräftigte am Mittwoch seine „ernsten Bedenken“, dass das Land wirklich einen unumkehrbaren Reformpfad eingeschlagen habe.

+++Rumänien hat eine neue Regierung+++

„Die politische Anfechtung von Gerichtsentscheidungen, die Aushebelung des Verfassungsgerichts und üblicher politischer Verfahren sowie die aufgehobene Gewaltenteilung stellen den Willen der Regierung infrage, Rechtstaatlichkeit und eine unabhängige Rechtsprechung zu achten“, sagte Barroso. Das Vertrauen der EU-Partner sei durch die jüngsten Entwicklungen „erschüttert“ worden, weshalb Ministerpräsident Ponta die von ihm bereits versprochenen Korrekturen auch sofort durchführen müsse.

Barrosos Bedenken stehen auch im „Fortschrittsbericht Rumänien“, den die Kommission am Mittwoch veröffentlichte. So wird die EU infolge der Einschränkungen der Rechtsstaatlichkeit und der Justiz durch die Regierung ihr Kontrollregime verschärfen. Trotz teilweiser Fortschritte werde bis Jahresende nun ein zusätzlicher Prüfbericht fällig, der Aufschluss geben soll, inwiefern das Staatswesen reformiert und in Einklang mit den EU-Standards gebracht worden ist. „Rumänien ist vom Abgrund zurückgetreten, aber wir können noch nicht behaupten, dass das Ende des Prozesses erreicht wäre“, sagte Barroso.

Katalog mit elf Korrekturforderungen

Konkret aufgetragen wurden Rumänien elf Korrekturmaßnahmen, unter anderem:

- die Notdekrete aufzuheben, mit denen die Befugnisse des Verfassungsgerichts beschnitten und die Regeln für das Referendum zur Amtsenthebung Basescus verändert wurden

- Rechtsakte unverzüglich im Amtsblatt zu veröffentlichen

- Regierungs- und Parteimitglieder zu bestrafen, die Druck auf die Justiz ausüben oder die Glaubwürdigkeit von Richtern untergraben

- einen parteiübergreifenden Volksanwalt für Bürgerbeschwerden zu berufen, der die Entscheidungen des Parlaments prüfen lassen kann

- wegen Interessenkonflikten oder Korruption verurteilte Minister oder Parlamentarier sollen zurücktreten

- Begnadigungen durch den jetzigen Übergangspräsidenten zu „vermeiden“

Über diese von Ponta bereits veranlassten oder zugesagten Änderungen hinaus müsse zudem das Justizsystem konsequenter reformiert und transparenter gemacht sowie der Kampf gegen die Korruption intensiviert werden.

Westerwelle will Verstöße nicht weiter dulden

Die Bundesregierung begrüßte die Forderungen der Kommission und forderte Ponta auf, den Worten nun auch Taten folgen zu lassen. „Verstöße gegen unsere europäische Wertegemeinschaft, in deren Zentrum Demokratie und Rechtstaatlichkeit stehen, dürfen wir nicht geschehen lassen“, sagte Außenminister Guido Westerwelle (FDP). Auch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) rief Bukarest auf, die Kommissionsauflagen „umgehend umzusetzen“.

Tatsächlich ist der Fortschrittsbericht eine Ohrfeige für Ponta. „Bei so einem verheerenden Zwischenzeugnis in Verbindung mit Dringlichkeitsempfehlungen, wieder rechtsstaatliche Verhältnisse herzustellen, kommt ein Beitritt zum Schengen-Raum für Rumänien für die nächsten Jahre nicht infrage“, sagte der CDU-Europaabgeordnete Herbert Reul.

+++EU veröffentlicht Bericht zur Rechtsstaatlichkeit in Rumänien+++

Im Kontrast zu Rumänien stellte die EU-Kommission der Regierung in Sofia ein ausreichendes Zwischenzeugnis zur Korruptionsbekämpfung und zum Aufbau einer unabhängigen Justiz aus. Bulgarien sei „im Begriff, die Ziele des Verfahrens zu erreichen, wenn es die Durchführung des Reformprozesses vorantreibt“, heißt es im Bericht. Eine Bestandsaufnahme in Form von Zwischenberichten werde es nicht mehr geben, denn: „In wichtigen Momenten hat die Regierung einen nachdrücklichen politischen Willen zu tiefen und dauerhaften Reformen gezeigt.“ Das gilt als wichtiges Signal für eine baldige Aufnahme in den Schengenraum.

Barroso vermisst noch „überzeugende Ergebnisse“

Allerdings muss sich auch Sofia noch stärker anstrengen, um alle Auflagen aus dem Kontrollregime zu erfüllen, dem das Land wie Rumänien seit seinem EU-Beitritt vor fünf Jahren unterworfen ist. „Wir müssen noch überzeugende Ergebnisse sehen“, sagte Barroso.

Anders als im Falle Rumäniens wird die Kontrolle für Bulgarien gleichwohl gelockert: Der nächste Fortschrittsbericht wird nicht schon in einem Jahr, sondern erst Ende 2013 fällig.

Gleichwohl bleiben viele Hausaufgaben zu erfüllen: Zur Korruptionsbekämpfung sollen insbesondere eine Koordinierungsbehörde eingerichtet und schneller abschreckende Strafen verhängt werden. Für den Kampf gegen die organisierte Kriminalität wird die Stärkung der unabhängigen Kommission zur Einziehung von Guthaben verlangt - sowie eine Verbesserung des Zeugenschutzes und der Polizeiarbeit.

Auch beim Aufbau einer unabhängigen Justiz ist das östliche EU-Mitglied noch längst nicht am Ziel. Angemahnt wird ein Mandat für den Obersten Justizrat, eine fundamentale Reform einzuleiten. Die Gerichte sollen umstrukturiert und Einstellungspraxis und Ausbildung verbessert werden. Überdies wird die transparente Wahl eines Generalstaatsanwaltes verlangt, der die Strafverfolgung mithilfe unabhängiger Experten reformieren soll. (dapd, abendblatt.de)

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