Kairo. Bei den gewaltsamen Ausschreitungen in der Kairoer Innenstadt sind wertvolle Bücher und historisch bedeutende Original-Dokumente verbrannt. Sie stammten zum Teil aus der Zeit der französischen Ägypten-Expedition unter Napoléon Bonaparte (1798-1801). Das teilten Behördenvertreter am Sonntag mit. Das Gebäude des Wissenschaftlichen Ägyptischen Instituts in der Nähe des Tahrir-Platzes war nach Angaben lokaler Medien von Brandbomben getroffen worden. Freiwillige hätten am frühen Sonntagmorgen geholfen, rund 30.000 der insgesamt 196.000 Bücher aus der Bibliothek des Institutes zu retten.
Rund um den zentralen Tahrir-Platz in Kairo dauerten auch am Sonntag die gewalttätigen Auseinandersetzungen an. Damit lieferten sich in der ägyptischen Hauptstadt den dritten Tag in Folge Demonstranten gegen die Militärregierung und Sicherheitskräfte Straßenschlachten. Seit Beginn der jüngsten Gewaltausbrüche am Freitag wurden nach amtlichen Angaben zehn Menschen bei den Zusammenstößen getötet und 441 verletzt. Der von der Armee eingesetzte Ministerpräsident Kamal al-Gansuri machte Jugendliche für die Eskalation der Gewalt verantwortlich, die die ersten freien Parlamentswahlen überschattet. "Auf der Straße findet keine Revolution statt, sondern ein Angriff auf die Revolution“, sagte er.
Kairo erlebt die schwersten Zusammenstöße seit dem Ausbruch des Volksaufstandes, der im Februar zum Sturz von Präsident Husni Mubarak führte. Am Sonntagmorgen rückten Militärpolizisten aus ihren Stellungen am Tahrir-Platz vor und gingen auf die Demonstranten los. Es sei wie in einem Katz-und-Maus-Spiel, berichtete der Demonstrant Mustafa Fahmi telefonisch vom Tahrir-Platz. Immer wieder rückten die Soldaten vor und zögen sich aber auch schnell wieder zurück.
Am Vorabend hatten Soldaten in den Zufahrtsstraßen zum Platz Barrikaden aus Stacheldraht, Metallplatten und Betonklötzen errichtet und sich dahinter verschanzt, nachdem sie mit Steinen und Brandsätzen beworfen worden waren. Auf dem Platz harrten weiter Hunderte Demonstranten aus. In den frühen Morgenstunden hatten sich viele von ihnen zum Schutz vor der Kälte um Feuerstellen geschart, nachdem Soldaten am Vortag zahlreiche Zelte niedergebrannt hatten.
Soldaten prügeln auch auf Menschen am Boden ein
Am Sonnabend waren viele Demonstranten vor den Soldaten in Seitenstraßen des Platzes geflüchtet. Die Sicherheitskräfte schlugen auch weiter auf Menschen ein, die bereits am Boden lagen. Warnschüsse waren zu hören. Auf Aufnahmen von Reuters-TV war zu sehen, wie ein Soldat in die Menge schoss.
Nach Berichten staatlicher Medien wurden mindestens 300 Verletzte in Krankenhäusern behandelt. Ministerpräsident al-Gansuri sagte, allein 30 Wachmänner des Parlaments seien verletzt worden. 18 Menschen hätten Schusswunden.
Seit dem Sturz Mubaraks regiert ein Militärrat. Die Demonstranten protestieren dagegen, dass der Übergang zu einer Zivilregierung ihrer Ansicht nach zu langsam verläuft. Noch bis Januar finden die ersten freien Parlamentswahlen statt, die den Übergang ebnen sollen. Die aus den ersten Wahlrunden als stärkste Kraft hervorgegangene Muslimbruderschaft bezeichnete das Vorgehen der Soldaten als Verbrechen und verlangte vom Militär eine Entschuldigung. Der Militärrat äußerte in einer Erklärung sein Bedauern über die Vorfälle vom Freitag, entschuldigte sich aber nicht.
Mit Material von dpa und rtr
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