Tripolis/Sintan/Kairo/Washington. Der Aufenthaltsort Saif al-Islams ist bekannt, wo sich allerdings der ebenfalls von Kämpfern der Revolutionskräften festgenommene ehemalige libysche Geheimdienstchef Abdullah al-Senussi aufhält, geben die Milizionäre nicht preis. Grund dafür seien mögliche Todesdrohungen gegen ihn, sagte ein Sprecher der neuen libyschen Führung, Hmeid al Etabi, am Montag. Es ist lediglich bekannt, dass Senussi in der südlibyschen Stadt Sabha festgehalten wird. Al Senussi war am Sonntag festgenommen worden. Gegen den Ex-Geheimdienstchef lag ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag vor. Dem Libyer werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Die französische Regierung forderte die Auslieferung al Senussis an Frankreich, wo er wegen des Anschlags auf eine französische Passagiermaschine 1989 in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt wurde.
Derweil rätseln Libyer und Menschenrechtler weiter über die Handverletzung des gefassten Gaddafi-Sohnes Saif al-Islam. Ein libyscher Rebell sei Augenzeuge gewesen, wie ein Kollege dem Diktatorensohn drei Finger einer Hand abgeschnitten habe, berichtete der Sender Libya TV am Montag. In einem anderen von den Rebellenkämpfern herausgegeben Video behauptet Saif al-Islam allerdings selber, seine Verletzung stamme von einem Nato-Luftangriff vor einem Monat.
Der 39-jährige Diktatorensohn war am Sonnabend nach mehreren Wochen auf der Flucht gefasst worden. Milizionäre der Übergangsregierung hatten den zweitältesten Gaddafi-Sohn im Süden Libyens festgenommen. Das libysche Fernsehen zeigte Saif al-Islam kurz nach seiner Festnahme lebend. Er war dabei in Decken gehüllt auf einer Couch liegend zu sehen. Die Finger seiner rechten Hand waren bandagiert.
+++ Libyer wollen Saif al-Islam selbst den Prozess machen +++
Der Gaddafi-Sohn war auch mit internationalem Haftbefehl gesucht worden. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag wirft ihm Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor und fordert die Auslieferung. Die Libyer wollen ihm jedoch selbst den Prozess machen.
Neue libysche Regierung wird Dienstag vorgestellt
Derweil steht Libyen vor einem Regierungswechsel. Der designierte Ministerpräsident Abdurrahim Al Kib erklärte am Montag, er werde seine Ministerriege am Dienstag vorstellen. Er werde bis zum Schluss an der Zusammensetzung des Kabinetts arbeiten und darüber im Laufe des Tages auch mit dem Übergangsrat sprechen.
Al Kib zufolge haben die neuen Machthaber Zweifel daran, ob ihnen der frühere Geheimdienstchef Abdallah Al-Senussi am Wochenende tatsächlich ins Netz gegangen sei. Er werde die Gefangennahme Senussi erst bestätigen, wenn er sich zu 100 Prozent sicher sei.
Wie die Nachrichtenagentur dpa am Montag aus Tripolis erfuhr, will Al-Kib den Diplomaten Ibrahim al-Dabaschi zum Außenminister machen. Al-Dabaschi war unter Gaddafi stellvertretender Botschafter Libyens bei den Vereinten Nationen in New York und hatte sich als einer der ersten Top-Beamten den Revolutionären angeschlossen.
Zum Öl-Minister werde Abderrahman Ben Jessa bestimmt, hieß es. Leila Abuk Asisi soll als Gesundheitsministerin die einzige Frau am Kabinettstisch sein. Abdurrahman al-Suwaihily aus der einstigen Rebellenhochburg Misrata, der zuvor als möglicher Ministerpräsident im Gespräch gewesen war, soll den Angaben zufolge Minister für Menschenrechte werden. Das Innenministerium soll Fausi Abdel Aal aus Misrata übernehmen. Der Minister ist Jahrgang 1971 und hat im Krieg der Revolutionäre gegen die Truppen des ehemaligen Machthabers Muammar al-Gaddafi zwei Brüder verloren.
Die Rebellen aus Misrata hatten im Krieg gegen die Gaddafi-Truppen besonders viele Opfer zu beklagen gehabt. Sie hatten deshalb in den vergangenen Wochen mehrfach darauf gepocht, dass sie auch in der neuen Übergangsregierung vertreten sein müssten.
USA prüfen Zusammenarbeit Gaddafis mit dem Iran bei Chemiewaffen
Unterdessen gehen die USA offenbar von einer Zusammenarbeit des früheren libyschen Regimes mit Teheran bei der Herstellung chemischer Waffen aus. Ermittler seien sich "ziemlich sicher“, dass von Anhängern des Übergangsrates in Tripolis sichergestellte Granaten aus iranischer Produktion seien, verlautete aus Regierungskreisen in Washington.
Den Angaben zufolge entdeckten die libyschen Behörden in den vergangenen Wochen an zwei Standorten im Land hunderte spezieller Artilleriegranaten, die von dem Regime Muammar al Gaddafis mit einer hochgiftigen Substanz gefüllt wurden. Unter Leitung amerikanischer Geheimdienste werde derzeit geprüft, wo die Waffen herkamen.
Mit Material von dpa, rtr und dapd
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