Streng geheim versagt

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Cornel Faltin

Unglaubliche Pannen bei Amerikas Geheimdiensten CIA und NSA. Sie wussten von geplanten Terroranschlägen.

Washington. In den USA werden immer neue Fehlleistungen der Geheimdienste bei der Terrorbekämpfung bekannt. Während US-Präsident George W. Bush den Geheimdienst CIA und die Bundespolizei FBI erstmals öffentlich zu besserer Arbeit ermahnte, bestätigte ein CIA-Mitarbeiter Medienberichte, nach denen die CIA Informationen bezüglich der Terrorgruppe Al Kaida von Osama bin Laden ignoriert hat. So besaß die CIA bereits am 10. September 2001, einen Tag vor den verheerenden Anschlägen in den USA, Mitschnitte von Gesprächen. Darin redeten Al-Kaida-Mitglieder kaum verschlüsselt von einem bevorstehenden großen Terrorangriff. Ägyptens Präsident Husni Mubarak sagte, sein Geheimdienst habe die USA bereits eine Woche vor den Anschlägen gewarnt. Derweil sich der US-Kongress seit Anfang dieser Woche - unter Ausschluss der Öffentlichkeit - in einem Untersuchungsausschuss mit den Versäumnissen von CIA nd FBI beschäftigt, scheint eine der beteiligten Behörden bisher völlig vergessen worden zu sein: Die mächtige NSA (National Security Agency), der geheimste aller US-Geheimdienste. Das ist seltsam, wenn man bedenkt, dass es die herausragende Aufgabe der Geheimdienstorganisation vor den Toren Washingtons ist, "Amerika vor Überraschungsangriffen von außen zu schützen". Die NSA wurde nach dem überraschenden Angriff auf Pearl Harbor (1941) gegründet. Den ersten Angriff auf die USA nach dem Militärdebakel auf Hawaii verschlief die NSA jedoch. Die NSA, deren Existenz jahrzehntelang von den Amerikanern geleugnet wurde, ist Europäern besonders durch die "Echelon"-Kontroverse ein Begriff. So musste die US-Regierung Ende der 90er-Jahre und 2000 zugeben, dass ihr "Super-Geheimdienst" mit einem Netz von Satelliten jedes Telefongespräch, jedes Fax und jede E-Mail auf der ganzen Erde abhören kann. Dies sorgte unter den Alliierten der letzten Supermacht für erhebliche Irritationen. Die USA wurden von Seiten der EU im Februar 2000 sogar der Wirtschaftsspionage mittels "Echelon" beschuldigt. Mit Hilfe des Abhörsystems können angeblich bis zu zwölf Milliarden Nachrichten pro Stunde angezapft werden. Wie Mitglieder des Geheimdienstausschusses im Senat erklärten, hörte die NSA bis August 1998 alle von bin Laden geführten Gespräche per Satellitentelefon ab. So erfuhren sie über die geplanten Angriffe auf US-Botschaften in Afrika. Selbst die Telefonnummer, unter der man den Al-Kaida-Chef damals anwählen konnte (873 682 505 331), war bekannt. Doch wurden die US-Botschaften in Daressalam (Tansania) und Nairobi (Kenia) nie gewarnt. Die gleichen Versäumnisse werden der NSA, die mit einem Jahresetat von mindestens (der genaue Etat ist geheim) sieben Milliarden Dollar der mit Abstand teuerste US-Geheimdienst ist, jetzt vorgeworfen. Nach der langen Stille um die Arbeit der NSA nach dem 11. September 2001 ließen Politiker genauer nachforschen und stellten fest, dass keineswegs nur FBI und CIA Koordinationsschwierigkeiten hatten, sondern dass auch die NSA nicht durch Kooperationsbereitschaft glänzte. Experten glauben, dass man auf Grund der von bin Laden und Al Kaida abgehörten Gespräche "lange vor dem 11. September" von den geplanten Anschlägen hätte erfahren können. Die Anhörungen im Kongress, wo auch NSA-Agenten unangenehme Fragen über sich ergehen lassen müssen, werden zumindest einen peinlichen Umstand aufzeigen. Denn trotz Milliardenbudgets und modernster Technik hat die NSA ein gravierendes Problem. Sie kann zwar jede Nachricht abhören, beschäftigt jedoch viel zu wenige Linguisten, die die gewonnenen Informationen auch verstehen und übersetzen können. So gibt es lediglich zwei oder drei Leute in der NSA, die die wichtigsten Sprachen Afghanistans, Pashtu und Dari, sprechen. Renee Meyer, Chef der linguistischen Abteilung der NSA, bekennt, dass seine gesamte Organisation "nur Linguisten für 115 Sprachen und Dialekte" habe, während weltweit rund 6500 Sprachen gesprochen werden. John Millis, ehemals führender Mitarbeiter des Geheimdienstausschusses im US-Repräsentenhaus, zieht frustriert das Fazit: "Wir sind nicht in der Lage auch nur einen Bruchteil unserer Informationen zu verwerten. Das ist völlig inakzeptabel."

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