Berlin. Die Überraschung ist dem Kanzler gelungen. Aus der Sommerpause kommt Olaf Scholz mit dem Vorstoß für einen Deutschland-Pakt: Er ruft die Opposition im Bundestag, die Länder und Kommunen dazu auf, im Schulterschluss gemeinsam mit der Ampel-Koalition an der überfälligen Modernisierung des Landes zu arbeiten. Schluss mit Stillstand, postuliert Scholz und wünscht sich Bürokratieabbau, schnelle Genehmigungen und bürgerfreundliche, digitale Verwaltungsverfahren.
Mit der Umarmung der politischen Konkurrenz hat Scholz der Generaldebatte seinen Stempel aufgedrückt. Aber ob sein Vorstoß mehr ist als nur ein taktisches Manöver, das den ewigen Streit in der Koalition übertünchen soll, muss sich erst noch erweisen.
Zu hoffen wäre es: Deutschland braucht dringend einen Aufbruch, um die gefährliche Wachstumsschwäche zu überwinden, mit der wir wieder zum Schlusslicht in Europa werden. Dazu bedarf es eines modernen Staates, der schnell handeln kann, die marode Infrastruktur zügig wieder in Schuss bringt und auch die Energiewende endlich zum Erfolg führt. Bislang ist es allerdings die Bundesregierung, die etwa bei Initiativen zur Planungsbeschleunigungen auf der Bremse steht, wie die Länder klagen.
Aber indem Scholz die Last der Verantwortung auf viele Schultern verteilt, kann er immerhin die Lage ohne falsche Rücksicht beschreiben: Überreguliert sei das Land, in einem Mehltau aus Bürokratismus, Risikoscheu und Verzagtheit gefangen. Weil Politik mit dem Betrachten der Wirklichkeit beginnt, hat der Kanzler einen ersten wichtigen Schritt getan. Gemessen wird er allerdings am Ende nicht an der Diagnose, sondern an der Lösung des Problems.
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