Hamburg . Europa sollte bald zu den Regeln solider Haushaltsführung zurückkehren.

Das hat gerade noch gefehlt: Am Horizont der Eurozone flackern die Warnzeichen neuer Währungsturbulenzen. Erste Ökonomen befürchten schon die Rückkehr der Eurokrise. Das muss nicht so kommen. Aber was sich da zusammenbraut in Europa, stellt Regierungen und die Europäische Zentralbank (EZB) auf jeden Fall vor große Herausforderungen. Denn noch bevor die EZB nächste Woche die Zinswende zur Inflationsbekämpfung einleitet, treten heftige Nebenwirkungen ein: Für Euroländer wie Italien, Griechenland oder Spanien wird es spürbar teurer, neue Schulden aufzunehmen, die Renditen für Staatsanleihen liegen teils so hoch wie zuletzt vor acht Jahren.

Der Abstand zwischen den Finanzierungskosten weniger und höher verschuldeter Eurostaaten wächst. Das erinnert an die Eurokrise vor einem Jahrzehnt, als die Finanzmärkte erst das Vertrauen verloren, dass hoch verschuldete Länder ihre Kredite bedienen können, und dann Spekulanten begannen, auf die Pleite einzelner Euroländer zu wetten.

EU muss eine neue Eurokrise verhindern

Allerdings: Die Union ist diesmal besser vorbereitet, sie hat Rettungsschirme in­stalliert und Vorkehrungen gegen Bankenpleiten getroffen. Dafür stecken die Währungshüter in einem Dilemma: Die EZB muss angesichts der dramatisch hohen Inflationsraten zwingend einen Strategiewechsel einleiten und wird nächste Woche eine erste, vorsichtige Zinserhöhung beschließen, der weitere folgen müssen. Gleichzeitig verspricht die Notenbank aber, den Staaten mit neuen Finanzierungsproblemen doch wieder großzügig unter die Arme zu greifen, um die Lage zu beruhigen. Nur: Jedes neue Ankaufprogramm wird die Inflation weiter anheizen.

Jetzt rächt sich, dass die EZB die Euro-Krisenländer mit einer billionenschweren Geldschwemme und Nullzinsen zwar gestützt, aber auch eingelullt hat. Die Ursachen der Krise – hohe Staatsverschuldung und Wachstumsschwäche – wurden kaschiert, statt sie mit Haushaltsdisziplin und Reformen zu beseitigen. Der Fehler ist gemacht, nun gibt es keinen Ausweg mehr: Zur Inflationsbekämpfung ist es allerhöchste Zeit für den Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes. Die Zinswende und das Ende der Ankaufprogramme müssen Vorrang haben. Je länger die Währungshüter damit warten, desto schwieriger und teurer wird es, die Inflation wieder einzudämmen.

Diskussion über eine Eurokrise muss ein Weckruf sein

Dass einige Staaten wie Italien dann für die Geldbeschaffung mehr bezahlen als andere, ist das kleinere Übel – und hat seinen Grund in einem überhöhten Schuldenstand. Entlastung dürfte bringen, dass die betroffenen Länder jetzt riesige Milliardensummen aus dem europäischen Corona-Wiederaufbaufonds erhalten. Weitergehende Erwartungen auf Entlastung muss die EZB enttäuschen. Sie darf nur eingreifen, wenn die Finanzmärkte wirklich verrücktspielen sollten.

Gefordert ist aber auch die EU: Die Diskussion über eine Eurokrise muss der Weckruf sein, alsbald zu den Regeln solider Haushaltsführung in Europa zurückzukehren. Es war ein Fehler, die Maastricht-Schuldenregeln des Stabilitätspaktes wegen Corona bis Ende 2023 auszusetzen. Umso wichtiger, bei der Reform des Stabilitätspaktes auf Haushaltsdisziplin zu pochen und Forderungen auch aus Paris, die Schuldenregeln dauerhaft aufzuweichen, zu widerstehen. Da ist viel zu tun für Finanzminister Lindner: Er muss nicht nur im Bund, sondern auch auf EU-Ebene für die Rückkehr zu soliden Staatsfinanzen kämpfen. Auch wenn es erst mal wehtut: Die Zeit des billigen Geldes geht zu Ende, nun ist wieder kluge Sparpolitik gefragt.