Berlin/Brüssel. Aus für Tiger und Krokodile daheim: Die EU plant eine Beschränkung der privaten Haltung, auch in Deutschland. Corona gibt Rückenwind.

Als der Modeschöpfer Rudolph Moshammer noch an seinem Ruf als extravaganter Paradiesvogel arbeitete, verließ er sich nicht auf das spätere Schoßhündchen Daisy, sondern auf die Wirkung exotischer Tiere: In jungen Jahren flanierte Moshammer gern in Begleitung zweier junger Geparde auf der Münchener Luxusmeile Maximilianstraße, das brachte garantiert Schlagzeilen. Prominente aus dem halbseidenen bis kriminellen Milieu machten es dem exzentrischen, später ermordeten Designer nach und stellten ihre Raubkatzen ebenfalls öffentlich zur Schau. Doch längst ist das Halten wilder, exotischer Tiere in Deutschland kein Promi-Privileg mehr.

Es ist zu einem verbreiteten Hobby für alle Bevölkerungsschichten geworden. Tiger und Krokodile, Flughunde oder Giftschlangen kann man sich privat anschaffen, legal oder auf dem Schwarzmarkt im Internet. Der Handel boomt. Die gesetzlichen Vorgaben sind lückenhaft – zur Empörung von Tierschützern, die seit Jahren die nicht artgerechte Haltung von Wildtieren anprangern. Das könnte sich bald ändern.

Wegen Corona: Neue Kritik an der Wildtier-Haltung

Denn in der Europäischen Union gibt es eine breite Bewegung, die private Haltung von Wildtieren europaweit massiv einzuschränken. Zu gravierenden Tierschutzbedenken und der Furcht vor dem Artensterben kommt seit der Corona-Pandemie verstärkt auch die Sorge, dass die Krankheits-Übertragung von Tier auf Mensch zum großen Teil auf Wildtiere zurückgeht – vor Corona war das auch beim Sars-Vorläufer und bei Ebola der Fall.

Die Konsequenz: Wenn die EU-Kommission bald eine überarbeitete Tierschutz-Richtlinie vorlegt, wird sie darin auch eine sogenannte Positivliste für Wildtiere präsentieren. Nur jene Exoten, die auf Expertenrat in diese Liste aufgenommen werden, dürften dann noch privat gehalten werden – alle anderen wären für die Heimtierhaltung verboten.

Diesen Schritt hat die für Tierschutz zuständige Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides bei einem Treffen der EU-Agrarminister intern zugesagt. Die private Haltung von Tigern, Löwen, Bären, Krokodilen, Schimpansen und anderer Arten wäre dann sicher untersagt – viele Reptilienarten zum Beispiel würden aber erlaubt bleiben, wie die Praxis einiger europäischer Vorreiter-Staaten zeigt. Zypern, Litauen, Luxemburg und Malta gehören dazu.

Sie machen jetzt Druck, forderten beim jüngsten Agrarministertreffen in Brüssel eine europaweite Initiative: „Der Handel mit exotischen Arten ist eine der größten Bedrohungen für die biologische Vielfalt“, erklärten die vier Länder unter breiter Zustimmung. Viele Tierarten seien für ein Leben in Gefangenschaft nicht geeignet, Stress, Depressionen und Verhaltensprobleme wie Selbstverstümmelung seien die Folge. Und schon beim Fang oder beim Transport würden massenhaft Tiere sterben.

Spitz wie Nadeln sind die Zähne dieses kleinen australischen Süßwasserkrokodils, das von einer Pflegerin in Augenschein genommen wird. Auch die private Haltung von Krokodilen hat in der EU wohl bald ein Ende.
Spitz wie Nadeln sind die Zähne dieses kleinen australischen Süßwasserkrokodils, das von einer Pflegerin in Augenschein genommen wird. Auch die private Haltung von Krokodilen hat in der EU wohl bald ein Ende. © dpa | Boris Roessler

Die Unterstützung ist groß, neben diesen vier Staaten haben schon fünf weitere EU-Länder eine solche Positivliste eingeführt, darunter Frankreich, Belgien und die Niederlande, mehrere Länder arbeiten zudem an einer solchen Regelung. Deutschland zählt nicht dazu. Doch hierzulande sichert Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) nun Rückhalt für die Initiative in Brüssel zu: „Der Handel mit Wildtieren und die private Haltung einiger Arten ist aus Sicht des Bundesministeriums aus verschiedenen Gründen problematisch“, sagt eine Sprecherin unserer Redaktion. „Dazu zählen der Artenschutz in den Ursprungsländern der Tiere, der Tierschutz sowie die öffentliche Sicherheit und Gesundheit.“

Tierschützer: Deutschland ist einer der größten Absatzmärkte für Wild-Haustiere

Tierschützer fordern eine solche Beschränkung per Positivliste schon lange. Der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, meint: „Eine wissenschaftlich fundierte Positivliste kann erheblich dazu beitragen, dass sehr anspruchsvolle oder stark bedrohte Tierarten sowie Arten, deren Einfuhr mit einem teils erheblichen Risiko für die öffentliche Sicherheit und Gesundheit einhergehen, nicht in fachunkundige Hände geraten.“

Deutschland sei ein „Dreh- und Angelpunkt des Wildtierimports und einer der größten Absatzmärkte für den Heimtierhandel mit Wildtieren weltweit“, sagte Schröder unserer Redaktion. Die uneinheitliche Gesetzeslage in Deutschland und Europa ermögliche es, dass der Handel und die Haltung mit den sogenannten Exoten unaufhörlich floriere.

Unterstützt eine europaweite Positivliste für Wildtiere: Bundesagrarminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen).
Unterstützt eine europaweite Positivliste für Wildtiere: Bundesagrarminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen). © dpa | Axel Heimken

Tatsächlich ist die Rechtslage in Deutschland schwer zu überschauen, die Kontrolle ist obendrein durch einen boomenden Schwarzmarkt erschwert. Exotische Tiere müssen bei uns zwar artgerecht gehalten werden. Allgemein verboten ist die Haltung von 33 Tierarten, die als „invasiv“ gelten, weil sie einheimische Arten verdrängen oder Krankheiten einschleppen könnten, wozu etwa der amerikanische Biber gehört.

Für geschützte Arten gilt eine Meldepflicht bei der Naturschutzbehörde, weil diese Tiere aus einer Nachzucht stammen müssen. Doch nur 9 der 16 Bundesländer beschränken die Haltung von gefährlichen Tieren – in sieben Ländern, darunter Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, ist sogar die private Tigerhaltung mit Gehege und nach Anmeldung erlaubt.

Die Tierschutzorganisation Pro Wildlife untersuchte vor einigen Jahren, was so alles in Deutschland angeboten wird: Affen, Tiger, Braunbären gehörten dazu, Krokodile, Schimpansen oder Kängurus. Und: 800.000 Reptilien werden nach Daten der Europäischen Union jedes Jahr nach Deutschland importiert. Zu den Käufern der Exoten zählen gewiss auch ernsthafte Tierliebhaber, die über ausreichend Fachkenntnis, Zeit und Platz verfügen. Aber zu oft stellen leichtsinnige Tierhalter überrascht fest, dass der Aufwand der Exotenpflege immens ist, die vermeintlichen Lieblinge wegen falscher Betreuung aggressiv oder krank werden.

Immer öfter landen exotische Wildtiere im Tierheim

Wenn die Tiere nicht früh sterben, droht ihnen oft ein anderes Schicksal, wie Tierschutz-Präsident Schröder sagt: Auffangstationen und Tierheime in Deutschland und Europa seien seit einigen Jahren zunehmend gezwungen, exotische Wildtiere aufzunehmen und zu versorgen. Eine strengere Gesetzgebung würde nicht nur den Tieren helfen, sondern auch für die helfenden Tierfreunde entlasten.

Auch in Deutschland ist die Privathaltung nicht grundsätzlich verboten: In vielen Bundesländern ist es derzeit noch möglich, einen Tiger oder Löwen im Garten zu halten, wenn die Haltung den Richtlinien entspricht.

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.waz.de