Brüssel. Vom Autofahren übers Essen bis zum Wohnen: Das Klimaschutzpaket wird unser Leben verändern. Die Klimawende muss aber gerecht sein.

Das fängt ja gut an mit Europas Mega-Klimaschutzpaket. In offener Feldschlacht und bis zur allerletzten Minute stritten Kommissionspräsidentin von der Leyen und ihre 26 Kommissare um entscheidende Details des Vorhabens, das unser Leben an vielen Punkten ändern wird: Vom Autofahren übers Essen bis zum Wohnen. Der Krach war nur das Vorspiel. An diesem Paket werden sich die Mitgliedstaaten und das EU-Parlament in den nächsten Monaten noch die Zähne ausbeißen. Wie sollte es auch anders sein?

Die EU steht mit dem Vorhaben, den Kohlendioxidausstoß von Produktion, Verkehr oder Gebäuden netto auf Null zu schrauben, vor einer technischen Revolution. Das Ziel der Klimaneutralität verlangt Deutschland und Europa eine enorme Kraftanstrengung ab. Darüber muss gestritten werden. Dass das Jahrhundert-Projekt gelingt, ist ja nicht ausgemacht, auch wenn die EU mit Hunderten Milliarden an Fördergeld nachhilft: Geht es gut, kann Europa zum Vorbild für andere Wirtschaftsmächte weltweit werden, wie sich Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit verbinden lassen; die europäische Wirtschaft hätte die Nase weit vorn bei zukunftsweisenden Technologien.

Klimaschutz: EU will Emissionshandel stärken

Geht es schief, werden die heimischen Unternehmen - und private Haushalte - beim globalen Wettrennen um die beste Klimaschutzlösung überfordert, während Chinesen und Amerikaner mit weniger amibitionierter Politik zu Nutznießern würden; nicht einmal dem Klima wäre groß geholfen, denn Europas Anteil am weltweiten Kohlendioxidausstoß ist mit zehn Prozent vergleichsweise gering. Wahrscheinlich ist ein solcher Misserfolg nicht.

Der Umbau setzt mit der Stärkung des Emissionshandels vor allem auf ein bewährtes marktwirtschaftliches Instrument. Anreize statt Verbote: Die CO2-Verschmutzungsrechte werden knapper und teurer, aber über die Anpassungsschritte entscheiden die Unternehmen und Verbraucher in einem millionenfachen Suchprozess. Dass allerdings die gerade für Deutschland so wichtige Autoindustrie zusätzlich durch ein fest terminiertes Emissionsverbot unter Druck gesetzt wird, erklärt sich zwar durch den bisher unzureichenden Beitrag des Verkehrssektors zur Einsparung von Treibhausgasen, es passt dennoch nicht ganz in dieses System.

Elektroautos: Strom wohl erst mal nicht durch klimafreundlich

Die Kommission erkennt immerhin die Notwendigkeit an, den Umstieg auf die Elektromobilität durch klare Vorgaben zum Ladesäulenausbau überhaupt erst möglich zu machen. Aber es bleiben Fragen: Der für die E-Autos benötigte Strom wird in einer kritischen Übergangszeit wohl nicht durchweg klimafreundlich erzeugt. Und es steht zu befürchten, dass diese Politik das Potenzial an alternativen Kraftstoffen und Wasserstoff sträflich unterschätzt. Die größte Schwachstelle bleibt die Idee, die Wettbewerbsnachteile für die europäische Industrie durch eine Art Klimazoll auf ausgewählte Importgüter auszugleichen.

Mit diesem Vorhaben riskiert die EU nicht nur einen gigantischen Bürokratieaufwand, sondern auch einen internationalen Handelskonflikt. Über Erfolg oder Misserfolg entscheidet am Ende aber, ob es gelingt, den Wandel sozial abzufedern. Die Kosten dieses Klimapakets können private Haushalte härter treffen als die Industrie. Menschen mit kleineren Einkommen haben oft relativ wenig Ausweichmöglichkeiten, wenn etwa Heizen oder Tanken schrittweise teurer wird. Zwar sehen die Pläne einen Sozialfonds vor, der für Ausgleich sorgen soll, aber er ist noch zu klein und zu unverbindlich angelegt. Hier vor allem wird nachzubessern sein: Europas ehrzeige Klimawende wird fair und gerecht sein - oder sie wird scheitern.

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