Stehen die Opfer, die gebracht wurden, im Verhältnis zum Ertrag der Mission in Afghanistan? Dazu kommentiert Chefredakteur Jörg Quoos.

Fast 20 Jahre lang hat die Bundeswehr unsere „Freiheit am Hindukusch“ verteidigt, wie es der damalige Verteidigungsminister Peter Struck formulierte. Jetzt sind die letzten Soldaten abgezogen, und es steht die Frage im Raum, um deren Antwort sich viele in der Politik lange gedrückt haben: War es das wert? Stehen die Opfer, die gebracht wurden, im Verhältnis zum Ertrag der Mission?

Anspruch auf diese Antwort haben zuerst die Angehörigen der 59 Bundeswehrsoldaten, die in Afghanistan ihr Leben im Gefecht, bei Anschlägen oder Unfällen ließen. Auch die Angehörigen vieler ziviler Opfer der Bundeswehr stellen sich diese Frage.

Schließlich kostete der Einsatz auch Afghanen das Leben. Allein bei dem von einem deutschen Oberst angeforderten Luftschlag gegen einen Benzinlaster kamen bis zu hundert Zivilisten ums Leben, unter ihnen auch Kinder.

12 Milliarden Euro für den Bundeswehreinsatz

Zuletzt haben auch die Steuerzahler Anspruch auf Antworten. Über zwölf Milliarden Euro haben sie in den teuersten Bundeswehreinsatz aller Zeiten gepumpt – Hilfszahlungen an die Afghanen nicht mitgerechnet. Sie wollen zu Recht wissen, ob das Geld wirklich sinnvoll angelegt war.

Blickt man auf die Lage in Afghanistan heute, muss man eindeutig feststellen: Die hochgesteckten Ziele wurden nicht erreicht. Die Taliban sind wieder unaufhaltsam auf dem Vormarsch, das Land ist erneut Rückzugsort für terroristische Strukturen, und das Leben der Afghanen wird immer unsicherer.

Chefredakteur Jörg Quoos
Chefredakteur Jörg Quoos © Dirk Bruniecki

Leider spricht alles dafür, dass – wie nach dem Rückzug der Sowjets im Jahr 1989 – die jahrhundertealten archaischen Strukturen wieder greifen und das Land in die Vergangenheit zurückschleudern. Der Traum eines demokratischen Staatswesens, das seinen Bürgern mehr Sicherheit und Wohlstand bietet, ist geplatzt.

Viel zu naiv – so gestehen es hohe Militärs längst ein – hat man gehofft, dass militärische und polizeiliche Ausbildung eine Zentralregierung langfristig ausreichend stabilisieren. In Wahrheit hatte die Regierung in Kabul gegen die Macht der Warlords und die Autorität der Clanchefs und Dorfältesten nie eine Chance. Reihenweise laufen Regierungssoldaten zu Taliban-Verbänden über und versuchen verzweifelt, so ihre Haut zu retten.

Die Mission war essenziell für das Bündnis mit den Amerikanern

Will man doch noch ein gutes Haar am längsten Bundeswehreinsatz finden, muss man sicher konstatieren: Die Mission war für das Bündnis mit den Amerikanern essenziell. Nach dem Anschlag auf die Türme des World Trade Center mit fast dreitausend Toten wäre es ein fatales Signal gewesen, hätte sich Deutschland nicht am Kampf gegen den Terror beteiligt.

Selbst der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, wahrlich kein Freund militärischer Abenteuer an der Seite Amerikas, hat das so gesehen und seine rot-grüne Koalition hinter sich gebracht.

Afghanistan: Einsatz der Bundeswehr hat Leben vieler Menschen sicherer gemacht

Außerdem hat der Einsatz der Bundeswehr wenigstens eine Zeit lang das Leben vieler Menschen sicherer gemacht. Niemand wird sagen können, wie vielen Mädchen durch die Präsenz ausländischer Truppen ein Säureanschlag auf dem Schulweg erspart blieb. Jedes einzelne gerettete Kind wäre ein Erfolg. Lesen Sie auch: Wie die Bundesregierung Ortskräften helfen möchte

Die deutschen Berufssoldaten sind mit ihrer Einsatzerfahrung in Afghanistan auch gereift und kennen heute sehr viel besser den Unterschied zwischen einer theoretischen Bedrohung und einem echten Kampfeinsatz, bei dem es um Leben und Tod geht.

Die Soldaten, ihre Ausrüster und die politische Führung werden dieses Wissen brauchen, wenn der nächste Einsatz ansteht. Afghanistan war vielleicht die längste Bundeswehrmission der Deutschen. Es wird aber sicher nicht die letzte gewesen sein.