Washington. Donald Trump beschäftigt sich mit der Frage, ob Edward Snowden begnadigt werden sollte. Das würde auch Joe Biden unter Druck setzen.

Lügner. Spion. Betrüger. Verräter. Eine Schande. Menschlicher Abfall. Ein Mann, der die Hinrichtung verdient; es sei denn, er könne Akten über Präsident Obama enthüllen, „dann könnte ich ein großer Fan werden”.

Bevor Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wurde, ließ er an dem 2013 in russische Exil geflohenen Whistleblower Edward Snowden, der interne Dokumente zu ausufernden Überwachungspraktiken des US-Geheimdienstes NSA an die Öffentlichkeit brachte, nicht ein gutes Haar.

Wenige Wochen vor der Präsidentschaftswahl im November deutete Trump am Samstagabend eine mögliche 180-Grad- Kehrtwende an. Er beschäftigt sich mit der Frage, den 37-jährigen ehemaligen Vertrags-Mitarbeiter der NSA zu begnadigen. „Ich werde mir das sehr genau ansehen”, erklärte Trump in seinem Golfklub in Bedminster, New Jersey, auf Fragen von Journalisten.

Der Präsident bestätigte damit einen Bericht in der Boulevard-Zeitung „New York Post“ von vergangener Woche. Dort wurde geschildert, wie der Präsident vor Mitarbeitern sagte: „Es gibt viele Leute, die denken, dass er (Snowden) nicht fair behandelt wird.” Er, Trump, kenne Snowden nicht, habe ihn auch nie getroffen. „Aber viele Leute sind auf seiner Seite.”

Edward Snowden: Trump denkt über Begnadigung nach

Trump betonte, dass es links und rechts der Mitte verschiedene Meinungen über Snowden gebe. „Manche Leute denken, er sollte anders behandelt werden, andere denken er hat sehr schlimme Dinge getan.” Er selbst sei noch nicht festgelegt, so Trump.

Zuvor hatte der republikanische Kongress-Abgeordnete Thomas Massie aus Kentucky Snowdens Begnadigung gefordert. Am Samstagabend äußerte sich auch der frühere republikanische Präsidentschaftskandidat, Senator Rand Paul. Auch er sei für Snowdens Begnadigung, weil er enthüllt habe, dass James Clapper (Ex-Geheimdienstkoordinator) und James Comey (Ex-FBI-Chef) Amerikaner ausspioniert hätten.

Sollte es zu einer Begnadigung kommen, käme die Vorgänger-Regierung Obama und mit ihr Trumps Herausforderer bei der Wahl im November, Alt-Vizepräsident Joe Biden, unter Druck.

Während Bürgerrechts-Organisationen wie „Human Rights Watch”, „American Civil Liberties Union” und „Amnesty International” lange für einen milden Umgang mit Snowden warben und 2016 über eine Million Petitions-Unterschriften sammelten, nahm die Obama-Regierung bis zum Schluss eine harte Haltung ein.

Snowden müsse in die USA zurückkehren und sich einem Gerichtsverfahren stellen, forderte Obama mehrfach, denn seine Enthüllungen hätten den““USA geschadet und die nationale Sicherheit und das Leben von Amerikanern gefährdet”, erklärte der damalige Regierungssprecher Josh Earnest.

Edward Snowden könnten in USA bis 30 Jahre Haft drohen

Bis zuletzt hieß es, dass Snowden im Falle eines Prozesses in den USA bis zu 30 Jahre Haft drohten. Einen Gnadenerlass für Snowden schloss Obamas Justizminister Eric Holder aus.

„Trump würde die Demokraten links überholen und gleichzeitig den ihm verhassten Geheimdiensten eins auswischen, wenn er Snowden tatsächlich zurückholen würde”, erklärten Twitter-Nutzer. In anderen Sozialen Medien wurde spekuliert, dass Trump mit der Entscheidung junge und nicht-parteigebundene Wähler ansprechen möchte, für die Snowden teilweise Heldenstatus genieße.

US-Behörden verklagen Edward Snowden

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    Bereits vor sechs Jahren machte sich die „New York Times” als US-Leitmedium für eine Begnadigung Snowdens stark. Die durch ihn möglich gewordenen Enthüllungen hätten zentrale Einblicke in ein weltumspannendes Überwachungsprogramm der USA möglich gemacht. Dadurch sei eine globale Debatte über bürgerliche Freiheitsrechte und die Grenzen staatlicher Überwachung angestoßen worden. Snowden verdiene dafür Respekt, Strafmilderung und ein Ende von Exil, Furcht und Flucht.

    Die damaligen Enthüllungen brachten erstmalig den massiven NSA-Überwachungsapparat ans Licht, der in bis dahin unvorstellbarer Dimension die Telefon- und Internetkommunikation von Menschen in aller Welt abgeschöpft hatte. Zu den Betroffenen gehörten auch Spitzenpolitiker befreundeter Regierungen; zum Beispiel Bundeskanzlerin Angela Merkel.

    Trump: „Snowden hat sensible Informationen an China und Russland gegeben“

    Snowden war über das private Beratungsunternehmen Booz Allen Hamilton als Computerexperte für die NSA tätig. Er konnte sich so hoch vertrauliche Informationen über die Spähprogramme von den Servern des US-Geheimdienstes herunterladen. Er gab entsprechende Dokumente der NSA und seines britischen Gegenparts GCHQ an Journalisten des britischen „Guardian” und der „Washington Post” weiter.

    Auf der Flucht über Hongkong wollte er im Sommer 2013 aus Furcht vor Strafverfolgung in den USA nach Ecuador, blieb aber am Moskauer Flughafen hängen, nachdem die US-Regierung seinen Reisepass für ungültig erklärt hatte. Russland gewährte Snowden Asyl, das mehrfach mit Billigung von Präsident Wladimir Putin verlängert worden ist. Ob Trump mit Putin über eine etwaige Begnadigung Snowdens gesprochen hat bei einem Telefonat im Juli, ist nicht bekannt.

    Donald Trump denkt offenbar über eine Begnadigung von Edward Snowden nach.
    Donald Trump denkt offenbar über eine Begnadigung von Edward Snowden nach. © dpa | Susan Walsh

    Obama hatte bei Snowden kurz vor Ablauf seiner Amtszeit im Januar 2017 nicht wie bei bei der ehemaligen Wikileaks-Informantin Chelsea Manning Nachsicht walten lassen. Sie war wegen Spionage zu 35-jähriger Haft verurteilt worden. Manning hatte sich an Obama gewandt und um Haftverkürzung gebeten. Die Transsexuelle, die unter dem Namen Bradley Manning als Mann bekannt geworden war, saß sechs Jahren in Isolationshaft im Militärgefängnis in Fort Leavenworth ein und kam im Frühjahr 2017 vorzeitig frei.

    Manning hatte gestanden, im Laufe des US-Militäreinsatz im Irak 700.000 vertrauliche Dokumente sowie Depeschen von US-Diplomaten von Armee-Computern gestohlen und der Enthüllungsplattform Wikileaks zugespielt zu haben. Sie wollte damit nach eigenen Worten eine öffentliche Debatte über die aus ihrer Sicht ungerechtfertigten Kriege in Afghanistan und im Irak auslösen. Edward Snowden hatte Manning damals zur Freilassung aus seinem Moskauer Exil gratuliert: „Danke für alles, was du für alle getan hast.”

    Snowden hatte sich in der Vergangenheit despektierlich über den Präsidenten geäußert: „Ehrlich gesagt, jeder, der Trump drei Minuten lang zuhört, weiß, dass er eine Abrissbirne ist.” Trump wiederum schrieb im Juli 2013: „Snowden hat sensible Informationen an China und Russland gegeben. Wer etwas anderes denkt, ist ein Idiot. Er ist ein Verräter, der geflohen ist. Er wusste um das Verbrechen.”

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