Berlin. Das Coronavirus trifft vor allem die Ärmeren. Die Politik muss diese Menschen unterstützen. Sie darf sie nicht zu Schuldigen erklären.

Wer ist Schuld an Corona? Diese Frage klingt zugegebenermaßen ziemlich absurd. Aber auch angsterfüllt, verunsichert und hilflos. Genau das dürften die Gründe sein, warum viele dennoch unbedingt nach einer Antwort suchen. Ihre Gesundheit ist in der Pandemie in Gefahr, deshalb suchen sie nach plausiblen Erklärungen.

Wenn es die nicht gibt, soll es doch bitte zumindest irgendwelche Schuldigen geben, die das Coronavirus eingeschleppt haben. Denn eine komplizierte Welt wird übersichtlicher, wenn sie sich in Böse und Gut unterteilen lässt.

In der aktuellen Pandemie ist es schon mehrfach zu einer solchen Sündenbock-Debatte gekommen. Und es ist erschreckend, wie schnell Teile der Gesellschaft bereit sind, sich auf solche Erklärungsmuster einzulassen. Das Virus wird zu einem Instrument der rassistischen Ausgrenzung. US-Präsident Donald Trump etwa machte die Chinesen für die Pandemie verantwortlich, nachdem das Virus in der Stadt Wuhan erstmals ausgebrochen war.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes verzeichnete im Februar dieses Jahres zahlreiche Beschwerden von Menschen mit asiatischem Aussehen. Sie waren in der deutschen Öffentlichkeit und bei Wohnungsbesichtigungen als Corona-Überträger beschimpft worden.

Corona-Krise trifft Arbeiter und Arbeiterinnen mehrfach hart

Jetzt geht es gegen Bulgaren, Rumänen und Polen. Viele Osteuropäer erledigen in deutschen Schlachthöfen und als Erntehelfer Jobs, die kaum ein Einheimischer übernehmen will. Sie verdienen wenig, können sich keine anständige Wohnung leisten und leben daher zusammengepfercht in Sammelunterkünften ohne Platz für den nötigen Abstand. Sie sind Opfer wirtschaftlicher Ausbeutung, von der deutsche Verbraucher beim günstigen Fleischkauf profitieren.

Die Corona-Krise trifft diese Arbeiter mehrfach hart. Denn sie werden wegen ihrer osteuropäischen Herkunft pauschal zu Schuldigen getempelt, etwa jüngst von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet von der CDU.

Alessandro Peduto kommentiert.
Alessandro Peduto kommentiert. © FMG | FMG

Es ist davon auszugehen, dass Laschet seine unseligen Einlassungen leid tun. Zumindest hat er sie richtigerweise schnell gerade gerückt. Dennoch legen sie ein problematisches Erklärungsmuster offen, dem in der Pandemie vermutlich viele Menschen anhängen dürften. Daher gilt es deutlich zu machen: Corona ist kein Problem der Herkunft oder etwa eines, das uns andere eingebrockt hätten. Vielmehr haben wir alle ein Corona-Problem.

Ein Unterschied liegt nur darin, dass sich Wohlhabende leichter vor dem Virus schützen können als Arme. Wer seinen Job im Homeoffice erledigen kann und in einem Haus mit Garten wohnt, kann Situationen mit einem hohen Corona-Ansteckungsrisiko leichter entgehen als jemand, der an der Supermarktkasse oder in der Altenpflege arbeitet. Beides lässt sich nämlich nicht von zuhause am Rechner erledigen.

Die Pandemie hat eine soziale Ausprägung

Im Nachteil ist auch, wer sich kein Auto leisten kann. Denn dann bleiben nur die öffentlichen Verkehrsmittel, um zu den Stoßzeiten in überfüllten Bussen oder Bahnen zur Arbeit zu kommen. Damit wächst die Ansteckungsgefahr. Wer wenig Geld hat, kann sich meist auch keine üppige Wohnung leisten. Das führt dazu, dass ärmere Familien oft auf wenigen Quadratmetern leben. Eine Quarantäne ist unter solchen Umständen deutlich schwerer zu ertragen. Das zeigen die jüngsten Vorfälle in Göttingen. Ein Villenviertel wäre sicher nicht mit einem Bauzaun umstellt worden.

Ja, die Pandemie hat eine soziale Ausprägung. Sie zu leugnen, wäre ein großer Fehler. Es ist Aufgabe von Politik, Härten der Corona-Krise möglichst abzumildern. Die sozialen Gräben durch Schuldzuweisungen zu verstärken, ist dagegen infam.