Berlin. Corona-Krisenmanagement: Die Einschränkungen sind massiv und riskant. Vor allem die Volkswirtschaft könnten sie teuer zu stehen kommen.

Wann ist alles vorbei? Wann kehren wir zur Normalität zurück? „Niemals“, antwortet der Zukunftsforscher Matthias Horx – eine Spielart des Wunschdenkens, von der noch die Rede sein wird.

Die Verkaufs-, Ausgeh-, Reise-, Veranstaltungs- und Versammlungsverbote wegen Corona kann unsere Gesellschaft nicht beliebig lange durchhalten, weil sie mit Verlusten verbunden sind. Ganz unökonomisch gesprochen: mit Isolation, Bewegungsmangel, Vereinsamung, familiären Konflikten, Depressionen, Existenzängsten. Hinzu kommen die Wirtschaftsrisiken: Arbeitslosigkeit, Wohlstandsverluste.

Mit der Zeit werden immer mehr Menschen die Erkrankung überstanden haben und immun sein. Diese Gruppe – sie spielt gerade eine untergeordnete Rolle – wird aber wachsen, wird nicht einsehen, warum sie in ihrer Freiheit eingeschränkt werden soll. Diese Gruppe kann sich nützlich machen, in der Arbeitswelt im Allgemeinen und im Besonderen im Gesundheitswesen.

Coronavirus: Bürger langfristig abzuschotten funktioniert nicht

Wenn die Vorschriften für sie gelockert werden, wird der Rest der Bevölkerung Fragen stellen. Die Akzeptanz der Maßnahmen wird darunter leiden. Sie hängt davon ab, dass die Auflagen im Prinzip für alle gleich sind.

Die Herausforderung ist, eine sogenannte Herdenimmunität zu fördern, auf dem Weg dorthin die Ansteckungszahlen aber so weit unter Kontrolle zu halten, dass das Gesundheitswesen nicht kollabiert. Das ist die tägliche Abwägung.

Man kann nicht alle Bürger auf Dauer abschotten, man sollte es auch nicht wollen, auch nicht mit dem Hinweis, Leben zu retten. Mit der Begründung dürfte man weder Rauchen noch den Alkoholkonsum erlauben; die mittelbar oder auch unmittelbar jedes Jahr weltweit Millionen Todesopfer verursachen.

Schutzmaßnahmen: Auf die Senioren wird der Fokus gerichtet werden

Miguel Sanches, Politikkorrespondent, kommentiert.
Miguel Sanches, Politikkorrespondent, kommentiert. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Es wird der Tag kommen, an dem die Regierung ein Verfallsdatum für die massiven Einschränkungen festsetzen und an dem sie ihre Anstrengungen darauf verlegen wird, fortan in erster Linie ältere Menschen mit Vorerkrankungen, die Gruppe der besonders Gefährdeten, zu schützen. Wann kommt dieser Tag?

Eher in Wochen denn in drei oder vier Monaten. Sagt US-Präsident Donald Trump und wird dafür gescholten. Vielleicht könne man nach Ostern anfangen, „wieder langsam und stufenweise die Systeme hochzufahren“, sagt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, der zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt, aber nicht skrupellos, sondern nachdenklich, abwägend rüberkommt.

Es ist offensichtlich, dass die Politik nicht allein, aber eben auch im Affekt handelt. Warum sollte es den Verantwortlichen emotional anders ergehen als vielen Bürgern? Die Bilder aus Bergamo, Massengräber, Lastwagen mit Leichen, gehen allen unter die Haut. Und doch muss eine verantwortungsvolle Politik die Maßnahmen nüchtern abwägen und das Ende bedenken.

Eine bessere Welt nach Corona?

Bei aller gebotenen Entschiedenheit müssen die Krisenmanager ins Kalkül ziehen, dass die derzeitigen Corona-Verzögerungsstrategien im „größtmöglichen Scherbenhaufen“ enden könnten, wie der Schweizer Wirtschaftswissenschaftler Reiner Eichenberger warnt. Was die Polizei entscheidet, das muss sie auch öffentlich erklären können. Es darf keine zwei Varianten von Wahrheiten geben, eine für das Volk und für unter vier Augen.

Man kann das Virus wie Horx auch als „Sendboten aus der Zukunft“ sehen. Seine Botschaft: Die menschliche Zivilisation ist zu dicht, zu schnell, zu überhitzt geworden. Es kann sein, dass die Welt nach Corona eine bessere sein wird, in der die Menschheit rücksichtsvoller miteinander umgeht und anders wirtschaftet. Eine neue Denke, ein neuer Zusammenhalt? Wünschen kann man sich das. Aber die Volkswirtschaft ist kein Versuchslabor.

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