Berlin. Grünen-Chef Habeck will, dass Deutschland Flüchtlingskinder aus den Lagern in Griechenland holt. Dafür bekommt er heftigen Gegenwind.

Sie waren einmal für wenige tausend Menschen gedacht, jetzt leben dort Zehntausende: In den Flüchtlingslagern auf den griechischen Ägäis-Inseln warten und hoffen rund 40.000 Menschen in Zelten auf einen Weg aufs europäische Festland. Darunter sind auch mehrere Tausend Kinder. Zumindest die, findet Robert Habeck, sollte Deutschland aus dem Elend der Lager holen.

„Holt als erstes die Kinder raus“, sagte der Grünen-Chef der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Auf den griechischen Inseln vor der türkischen Küste drängten sich etwa 4000 Kinder, darunter „viele Mädchen, viele zerbrechliche kleine Menschen“. Da sei schnelle Hilfe ein Gebot der Humanität, sagte Habeck.

Mehrere Tausend unbegleitete Kinder in Flüchtlingslagern

Das UN-Flüchtlingshilfswerk geht von rund 4400 unbegleiteten Kindern in den Lagern auf Lesbos, Samos und Kos aus, „von denen nur jedes vierte altersgerecht untergebracht ist“. Demnach sind etwa 500 Kinder mit fremden Erwachsenen in einem großen Zelt im berüchtigten Moria-Camp auf Lesbos untergebracht.

Auf Samos wechselten sich mehr als ein Dutzend unbegleiteter Mädchen ab, um in einem kleinen Container zu schlafen, während andere Kinder gezwungen seien, auf Containerdächern zu übernachten. Diese Bedingungen seien „äußerst riskant“, so das UNHCR.

Mehrere Bundesländer wären zur Aufnahme bereit

Bundesländer wie Berlin und Thüringen hätten schon erklärt, dass sie zu einer Aufnahme bereit seien, sagte Habeck weiter. Dasselbe gelte für die grüne Seite der Regierung von Baden-Württemberg und Boris Pistorius, den niedersächsischen SPD-Innenminister. Deutschland müsse auch handeln, wenn andere in der EU nicht mitmachten, betonte Habeck. „Es ziehen sowieso nie alle mit.“

Das Echo auf den Vorstoß ist allerdings verhalten, aus Union und FDP kommt sogar heftige Kritik. CDU-Vize Thomas Strobl forderte eine europäische Antwort auf die sich zuspitzenden Flüchtlingssituation in der Ägäis. „Die Bilder, die man von dort sieht, können einen nicht kalt lassen: Europa muss schnell eine menschliche Lösung finden“, sagte der baden-württembergische Innenminister unserer Redaktion. „In einem unabgestimmten deutschen Sonderweg sehe ich die Lösung freilich nicht. Das ist eine europäische Herausforderung, die wir mit der großen Kraft Europas lösen möchten.“

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller sagte der „Passauer Neuen Presse“, den Kindern könne und müsse am schnellsten und wirksamsten vor Ort geholfen werden. In afrikanischen Flüchtlingscamps werde gemeinsam mit den Flüchtlings- und Kinderhilfswerken der Vereinten Nationen, UNHCR und Unicef, schneller und effektiver geholfen, sagte der CSU-Politiker.

Ein Mann und ein Kind versuchen im Flüchtlingslager Moria, dem Regen zu entkommen. Bei Regen versinken die Lager im Schlamm.
Ein Mann und ein Kind versuchen im Flüchtlingslager Moria, dem Regen zu entkommen. Bei Regen versinken die Lager im Schlamm. © Reuters | Giorgos Moutafis

FDP nennt Vorschlag eine „PR-Aktion kurz vor Weihnachten“

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries warnte in der „Welt“ davor, „erneut Fehlanreize“ zu schaffen, die „die neue Migrationswellen nach Deutschland auslösen“.

Auch in der FDP hält man wenig davon, Kinder aus den Lagern nach Deutschland zu holen. Generalsekretärin Linda Teuteberg sprach, ebenfalls in der „Welt“, von einer „PR-Aktion kurz vor Weihnachten“. Parteivize Wolfgang Kubicki stellte in der „Rheinischen Post“ die rhetorische Frage: „Was ist mit den Kindern in türkischen, jordanischen oder libyschen Lagern?“

Bundesregierung: Andere EU-Staaten müssen Beitrag leisten

Die Bundesregierung bekräftigte, sie lehne einen „Alleingang“ zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland ab. Auch andere EU-Staaten müssten einen Beitrag leisten.

Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius zeigte sich dagegen offen für den Vorschlag. „Wenn alle immer warten, dass alle mitmachen, macht am Ende keiner was“, sagte Pistorius der „Welt“. Es gehe darum, als Zeichen der Humanität „nicht Tausende, aber einige hundert“ Kinder nach Deutschland zu holen.

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Saskia Esken, neugewählte Parteivorsitzende der SPD, sagte, die Situation vor Ort müsse verbessert, aber auch die Aufnahme von geflüchteten Menschen in anderen Mitgliedstaaten ermöglicht werden. „Und natürlich müssen Kinder gemeinsam mit ihren Familien ein besonderes Augenmerk erhalten.“

40.000 Menschen in Lagern, die für 7500 gedacht sind

Hilfsorganisationen und Menschenrechtler prangern die Situation auf den griechischen Inseln schon seit langem als unmenschlich an. Ursprünglich nur für 7500 Menschen ausgelegt, leben derzeit rund 40.000 Männer, Frauen und Kinder auf den Inseln. In Zelten und selbstgebauten Verschlägen müssen sie den Winter durchstehen. Die Regierung in Athen rechnet damit, dass im kommenden Jahr weitere 100.000 Flüchtlinge ankommen. (dpa/epd/tma)