Berlin. Der Westen warnt vor einem Bürgerkrieg in Libyen. Truppen des Rebellen-Generals Chalifa Haftar wollen den Präsidenten stürzen.

In Libyen droht ein Wiederaufflammen des Bürgerkriegs – und damit die Gefahr eines neuen Flüchtlingsansturms nach Europa. Der starke Mann der libyschen Gegenregierung mit Sitz in Tobruk im Osten des Landes, General Chalifa Haftar, hat seine Truppen Richtung Westen abkommandiert.

Der 75-jährige Militär will nicht nur die Hauptstadt Tripolis einnehmen, sondern das ganze ölreiche Land. Damit droht ein blutiger Konflikt mit dem international anerkannten Präsidenten Fajis al-Sarradsch und dessen Regierung in Tripolis. Das Problem: Al-Sarradsch ist so schwach, dass seine Kräfte nicht einmal die Kontrolle über die Hauptstadt haben.

Präsident Fajis al-Sarradsch kündigt Widerstand an

Seit Donnerstag rollen Hunderte von Haftars Armeefahrzeugen mit schweren Geschützen Richtung Westen. Augenzeugen meldeten am Sonnabend Gefechte südlich von Tripolis. Anhänger des Generals berichteten, sie hätten in Vororten von Tripolis Luftangriffen gegen „bewaffnete Milizen“ geflogen. Beide Seiten behaupteten, dass sie den seit 2014 stillgelegten internationalen Flughafen einnehmen konnten.

Regierungschef al-Sarradsch kündigte Widerstand an. Haftars Kriegserklärung werde auf Entschlossenheit und Stärke treffen, sagte er in einer TV-Ansprache. Der Präsident warf seinem Kontrahenten vor, das Land in einen „neuen Kreislauf der Gewalt“ stoßen zu wollen. Haftar handele allein aus persönliche Motiven. Westliche Beobachter warnten vor einer gefährlichen Eskalation.

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    Das amerikanische Militär zog bereits Kräfte aus dem nordafrikanischen Krisenland ab. Das Afrikakommando der US-Streitkräfte teilte am Sonntag mit, ein Kontingent von Soldaten sei aufgrund der Unruhen vorübergehend aus dem Land abgezogen worden. Die Sicherheitsbedingungen vor Ort seien zunehmend unvorhersehbar, erklärte Kommandeur Thomas Waldhauser. Um wie viele Soldaten es sich handelt und wohin sie verlegt wurden, erklärte er nicht. Damit wächst die Gefahr einer neuen Migrantenwelle aus Nordafrika.

    Nach dem Ausbruch der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 war Libyen zunehmend zum Transitland für Menschen geworden, die sich von Orten südlich der Sahara auf den Weg Richtung Europa machten. Die meisten legten in Libyen mit klapprigen Holz- oder nicht seetauglichen Gummibooten ab und wollten nach Italien.

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    Dies änderte sich im März 2018.

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    2018 setzten nur noch 23.000 Migranten von Libyen nach Italien über, ein Rückgang von 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dagegen flohen rund 57.000 Menschen von Marokko nach Spanien, doppelt so viele wie ein Jahr zuvor.

    Die sinkenden Flüchtlingszahlen aus Libyen liegen jedoch nicht nur an Salvini & Co.

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    Humanitäre Organisationen werfen der Küstenwache vor, Boote abzufangen und die Flüchtlinge zurück in Lager zu bringen, wo Gewalt, Folter und Vergewaltigungen an der Tagesordnung sind.

    Nach Schätzungen des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) befinden sich immer noch etwa 670.000 Migranten in Libyen. Sollte im Zuge der Konfrontation zwischen Haftar und al-Sarradsch ein neuer Bürgerkrieg ausbrechen, dürfte dies die Notlage der Flüchtlinge verschärfen. Damit steigt der Druck zu fliehen.

    UN planen Versöhnungskonferenz für Libyen

    Die Vereinten Nationen wollen trotz der Zuspitzung an der für Mitte April geplanten Versöhnungskonferenz in der libyschen Stadt Ghadames festhalten. „Wir arbeiten weiter an einer politischen Lösung für Libyen“, sagte der UN-Vermittler für das Krisenland, Ghassan Salame.

    Die Gruppe von sieben großen Industriestaaten (G7) zeigte sich bei einem Außenministertreffen im bretonischen Küstenort Dinard sehr besorgt. Die G7-Runde sei sich einig gewesen, „dass wir alle unsere Möglichkeiten nutzen müssen, um Druck auszuüben, insbesondere auf die Verantwortlichen in Libyen, insbesondere General Haftar, dass jede weitere militärische Eskalation unterbleibt“, erklärte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD).

    Hunderte Clans, Warlords und Milizen streiten um die Macht

    Nach dem Sturz von Diktator Muammar al-Gadaffi durch eine Militärintervention des Westens im Jahr 2011 versank Libyen im Chaos. Die staatlichen Strukturen brachen zusammen. Das Land zerfiel in einen Flickenteppich, in dem Hunderte Clans, Warlords und Milizen die Herrschaft unter sich aufteilten.

    General Haftar entwickelte sich in den vergangenen Jahren zur einflussreichsten Figur Libyens. Seine Truppen herrschen nicht nur über den Osten Libyens, sondern auch über weite Teile des Westens. Einst unterstützte der General Gaddafi und gehörte zu dessen Kräften, als dieser 1969 an die Macht kam. Später aber kam es zum Bruch. Haftar lebte über zwei Jahrzehnte im Exil in den USA. Nach seiner Rückkehr nach Libyen 2011 versuchte er, sich an die Macht zu putschen, scheiterte aber.

    „Vielleicht können spätere Generationen die Demokratie erreichen“

    Haftar inszeniert sich gern als Vorkämpfer gegen radial-islamische Kräfte und kann nicht zuletzt deshalb auf Unterstützung aus dem Ausland zählen – vorneweg aus Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Sie sehen den General als ihren Mann, um die islamistischen Muslimbrüder zu bekämpfen, die sie zur Terrororganisation erklärt haben. Gute Kontakte pflegt Haftar zudem zu Saudi-Arabien, Russland und Frankreich.

    Kritiker betrachten den 75-Jährigen als einen wendigen Militär, der das Land einer autoritären Herrschaft unterwerfen will. Zwar bekannte sich Haftar mit Worten zu Wahlen. Er unternahm aber nichts, um sie umzusetzen. Stattdessen sagte er dem Magazin „Jeune Afrique“, Libyen sei noch nicht reif für die Demokratie: „Vielleicht können sie spätere Generationen erreichen.“ (Michael Backfisch)