Berlin/Karlsruhe . Das Bundesinstitut für Kinderernährung rät Eltern, die Fastenzeit zu nutzen, um Kindern Gesundheit schmackhaft zu machen. Aber wie?

Sieben Wochen ohne Schokolade, Alkohol, Fleisch, Süßigkeiten, Fernsehen oder Social Media? Das ist hart. Dennoch entscheiden sich jedes Jahr Millionen Deutsche für ein selbstgestecktes Fastenziel. Die traditionelle Fastenzeit dauert von Aschermittwoch bis Ostern – für die meisten geht es also Mitte der Woche los.

Dabei muss es gar nicht immer nur Genussverzicht sein: Regina Ensenauer, Leiterin des neuen Bundesinstituts für Kinderernährung in Karlsruhe, hat vier Vorschläge, wie Familien die Fastenzeit sinnvoll nutzen können – ohne Diätwahn, Zwang oder Verbote. Erst kürzlich hatte Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) das Institut eröffnet, bei der erforscht werden soll, welche Ernährung Kinder wirklich brauchen.

Vier Vorschläge zum Einüben bewusster Ernährung

Verzicht ist in: Jeder zweite Deutsche hat schon einmal bewusst für mehrere Wochen gefastet. Reinigung, Detox, Entschlackung – das sind die Schlagworte eines breiten Wohlfühltrends. Doch so weit müssen Mütter und Väter gar nicht gehen, findet die Expertin. „Familien sollten die Fastenzeit nutzen, um ihr Essverhalten zu überdenken“, sagt Ensenauer. „Die Zeit bis Ostern ist ideal dafür, Gewohnheiten zu überdenken, eingefahrene Verhaltensweisen zu überprüfen und Neues auszuprobieren.“

Sie empfehle allen Eltern, ab und zu die Ernährungsgewohnheiten kritisch zu betrachten und Veränderungen einzuüben. Ensenauer berät mit den Experten ihres Instituts das Bundesernährungsministerium zur Frage, was die Politik für eine gesunde Kinderernährung tun kann. Für unsere Redaktion hat die Medizinerin vier Vorschläge entwickelt, wie Eltern mit Kindern in unterschiedlichen Familienphasen die Fastenzeit als bewusste Ernährungszeit nutzen können – um Dinge einzuüben, die auch über Ostern hinaus sinnvoll sind:

Für Schwangerschaft und Stillzeit: „Schwangere und stillende Frauen sollten versuchen, bei ihrer Ernährung auf mehr Vielfalt zu achten.“ Nicht nur wegen der Inhaltsstoffe. Auch wegen der geschmacklichen Bandbreite. Denn: „Schon im Mutterleib und später durch das Stillen nehmen Kinder Geschmacksstoffe durch das Fruchtwasser und die Muttermilch auf. Je vielfältiger sich Mütter ernähren, desto offener scheinen Kinder später für Vielfalt beim Essen zu sein.“ Schon Ungeborene schluckten jeden Tag 500 bis 1000 Milliliter Fruchtwasser. Da sich die Geschmacksknospen lange vor der Geburt ausbilden, beginnt bereits hier die Prägung. Was einem Kind später schmeckt und was nicht – das hat viele Ursachen. Vorbilder in der Familie, die Gruppendynamik im Kindergarten – aber eben auch die vorgeburtlichen Einflüsse.

Für Eltern von Säuglingen: „Junge Eltern sollten versuchen, auf die beliebten Quetschis zu verzichten. Füttern Sie Ihr Kind so oft es geht mit dem Löffel!“, sagt Ensenauer. Denn: Füttern regt nicht nur die Mundmotorik an, durch den direkten Blick- und Sprechkontakt mit den Eltern lernt das Kind beim Füttern gleichzeitig auf vielen Ebenen dazu. Quetschis – so werden die Plastikbeutel mit Fruchtmus, Reisbrei oder Kartoffelpüree genannt, die seit einigen Jahren auf dem Markt sind und als praktische Kindernahrung für unterwegs gelten.

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    Es gebe mittlerweile Eltern, die drei bis vier Mahlzeiten mit diesen Fruchtbeuteln gestalten. Kinder, die so aufwachsen, lernen deutlich weniger, einzelne Obstsorten vom Geschmack oder der Konsistenz her zu unterscheiden. Brei ist eben immer Brei. Problematisch dabei ist nicht nur, dass die Quetschis zunehmend das klassische Brei-Füttern ersetzen. Fruchtbreie aus Quetschbeuteln weisen häufig sehr hohe Zuckergehalte auf. Die Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin rät jungen Eltern deswegen, Obst, sobald es möglich ist, lieber frisch und am Stück zu geben.

    Für Eltern von Vorschulkindern: „Eltern sollten ihr Kleinkind öfter mal teilhaben lassen, wenn sie das Essen für die Familie zubereiten.“ Denn: Kinder lernen in diesem Alter besonders gut durch Imitation. „Wenn ein Kind erlebt, dass die Eltern gerne selbst kochen, wird es dadurch für später geprägt.“ Kinder sollten deshalb miterleben, wie Eltern Salat schnippeln, Kartoffeln schälen oder Fleisch anbraten. Und zwar als Alltagshandlung – nicht als außerordentliches Event. Wer dagegen meistens Fertiggerichte in die Mikrowelle schiebt oder fertige Mahlzeiten bestellt, enthält seinen Kindern etwas Wichtiges vor: den Wert und die Qualität selbst hergestellter Mahlzeiten. Dabei, sagt Ensenauer, geht es nicht nur um die Nahrung selbst, sondern auch um das soziale Plus am Familientisch.

    Für Eltern von Schulkindern und Teenagern: „Mit älteren Kindern kann man in der Fastenzeit bewussten Verzicht üben. Sinnvoll wäre es zum Beispiel, ein paar Wochen lang auf Süßigkeiten und Limonade zu verzichten. Am Anfang kann das vielleicht hart sein, aber wenn es die ganze Familie macht, kann es auch eine gemeinsame Herausforderung sein, die Spaß macht.“ Und was, wenn der Heißhunger kommt? „Rohkost!“, sagt Ensenauer und dürfte damit sämtliche Ernährungsforscher auf ihrer Seite haben. Ob das auch bei den fastenden Teenagern ankommt? Nun ja. Am Ende hilft wahrscheinlich nur Zähne zusammenbeißen und tapfer bleiben. Es sind ja nur sieben Wochen bis Ostern.