Brüssel. Beim Nato-Gipfel in Brüssel hat Donald Trump gegen Deutschland ausgeteilt. Doch bei einem Treffen mit Merkel geht es freundlicher zu.

Donald Trump sitzt noch beim Frühstück, als er mit kalter Entschlossenheit den ersten Angriff des Tages auf Angela Merkel startet. Der Präsident hat Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in die Residenz des Brüsseler US-Botschafters geladen. Es gibt Orangensaft, Obstsalat und Toast – und zur Einstimmung eine beispiellose, minutenlange Schimpftirade gegen Deutschland: Es sei sehr traurig, dass Deutschland einen „massiven Öl- und Gasdeal mit Russland macht“, erklärt Trump.

„Wir sollen sie vor Russland beschützen, aber sie zahlen Milliarden und Milliarden an Russland“, klagt er, dann dreht er voll auf: Deutschland sei „völlig von Russland kontrolliert“, es sei „ein Gefangener Russlands“. Deutschland als reiches Land müsse und könne seine Verteidigungsausgaben sofort steigern, nicht erst in einigen Jahren. Die USA würden sich damit nicht abfinden.

Trump nutzt die Medien für sich

Der US-Präsident wartet also erst gar nicht, bis der Nato-Gipfel offiziell begonnen hat, er schaltet gleich auf Frontalattacke – und macht Deutschland öffentlich zum Hauptgegner unter den Verbündeten.

Trump nutzt das Brüsseler Parkett zugleich ungeniert als Bühne für das amerikanische Publikum: Kameraleute dürfen für diese Szene im Raum bleiben. Schon eine halbe Stunde später verbreitet der Präsident einen zweieinhalbminütigen Ausschnitt seiner Tirade, sein Haussender „Fox News“ bringt es in der Spätsendung. Mit vielem hatten sie in der Bundesregierung gerechnet, mit einem Eklat hinter verschlossenen Türen des Nato-Gipfels, aber nicht mit einer solchen Provokation.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat kurz zuvor im Nato-Hauptquartier lächelnd erklärt, man habe sich an Trumps Attacken „fast schon gewöhnt“ – doch als sie mit dem Vorwurf russischer „Gefangenschaft“ konfrontiert wird, ist sie derart fassungslos, dass sie jeden Kommentar ablehnt.

Merkel: Deutschland macht eine „eigenständige Politik“

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gibt sich ein paar Stunden später kämpferisch – und schießt eine volle Breitseite zurück. Es sei gut, dass Deutschland eine „eigenständige Politik“ machen könne, sagt sie in der Nato-Zentrale. Sie habe selbst erlebt, wie ein Teil Deutschlands von der Sowjetunion kontrolliert wurde. Früher Gefangener Russlands, heute Gefangener von niemandem, auch nicht von den USA – diese Antwort sitzt.

Die Kanzlerin zeigt sich selbstbewusst: „Deutschland verdankt der Nato sehr viel, aber es leistet auch sehr viel für die Nato“, stellt sie klar. Zweitgrößter Truppensteller, starkes Engagement in Afghanistan auch für die Interessen der USA, zweitgrößter Nettozahler – die Verteidigungslinie ist klar: Deutschland erkennt an, dass es mehr tun muss, aber es will seine Leistungen stärker geschätzt wissen. Trump solle „als Geschäftsmann nicht nur auf die Zahlen schauen, sondern auch auf das, was dabei für die Nato herauskommt“, fordert die Verteidigungsministerin. „Sie können zwei Prozent für das Militär ausgeben, ohne irgendetwas für die Nato zu tun.“

Das also ist die Gefechtslage auf diesem Gipfel, der eigentlich eine Demonstration der Geschlossenheit und Einigkeit sein soll. Beim feierlichen Familienfoto und der Fahnenzeremonie würdigen sich Trump und

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keines Blickes.

Auf einmal ist die Stimmung zwischen Trump und Merkel freundlich

Am Nachmittag kommt es dann doch zu einem Treffen der beiden am Rande des Gipfels, in Begleitung der Außen- und Verteidigungsminister. Trump ist nach dem öffentlichen Donnerwetter plötzlich sehr freundlich: Er habe ein „sehr, sehr gutes Verhältnis“ zu Merkel, flötet er, und Merkel spricht von einer guten Partnerschaft der beiden Länder. Aber ist der Bruch noch zu kitten? Das persönliche Verhältnis zwischen Merkel und Trump ist auf einem neuen Tiefpunkt. Die Stimmung ist aber auch unter den anderen Regierungschefs angespannt.

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ist offenkundig auf Krawall gebürstet, nicht nur Deutschland, sondern einen Großteil der Europäer sieht er als Drückeberger bei den Militärausgaben. In europäischen Hauptstädten wächst umgekehrt das Gefühl, Trump behandele die Nato-Partner schon lange nicht mehr als Verbündete, sondern als Gegner. Der Nato-Generalsekretär versucht tapfer, den Laden zusammenzuhalten: Ja, Trump habe recht, die Lastenteilung sei nicht fair. Aber: Die Mitglieder hätten doch bereits begonnen, mehr in Verteidigung zu investieren und täten noch mehr.

Trump schnaubt dagegen, er sehe nur „sehr kleine Schritte“ bei vielen Regierungen. Der Gipfel bekräftigt das „uneingeschränkte Bekenntnis“, die Verteidigungsausgaben der Nato-Länder bis 2024 auf zwei Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung anzuheben. Nach dem Treffen am Mittwoch legte der US-Präsident auf Twitter nach. Die Nato-Staaten sollten nicht erst 2014 das Zwei-Prozent-Ziel erreichen, sondern gefälligst sofort. Deutschland liegt im Moment bei 1,24 Prozent, bis 2024 hat sich die Bundesregierung eine Steigerung auf 1,5 Prozent vorgenommen. Merkel betont, die Verpflichtung laute ja, sich „in Richtung zwei Prozent zu entwickeln“ – was Trump völlig anders sieht.

Nato-Generalsekretär ist um Einigkeit bemüht

Nato-Generalsekretär Stoltenberg versucht, das Gemeinsame herauszustellen: Trump liebe zwar eine „direkte Sprache“, aber die USA hätten während seiner Präsidentschaft ihr Engagement in Europa deutlich erhöht, betont er. Tatsächlich gaben die USA für eine neue Europäische Abschreckungsinitiative 2016 etwa 800 Millionen Dollar aus – nächstes Jahr sind es 6,5 Milliarden. Seit der Krim-Krise gilt die Devise, die Einsatz- und Abwehrbereitschaft der US-Truppen gemeinsam mit den Verbündeten zu erhöhen.

In der Gipfelerklärung wird die Annexion der Krim als illegal verurteilt und Russland vorgeworfen, die euro-atlantische Sicherheit und Stabilität herauszufordern. Die Regierungschefs beschlossen die Modernisierung der Kommandostruktur, die eine schnellere Verlegung von Truppen aus den USA über den Atlantik und innerhalb Europas sichern soll. Und eine neue „Readiness-Initiative“ soll im Verteidigungsfall die Bereitstellung von Folgekräften mit rund 30.000 Soldaten binnen 30 Tagen sicherstellen.

„Taten sind stärker als Worte“, meint Stoltenberg. Doch tiefes Misstrauen hat sich eingenistet im Bündnis. Mit Blick auf das bevorstehende

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kursiert unter den Nato-Partnern die Befürchtung, Trump könne als Geste an Russland zusagen, das US-Engagement in Europa wieder zu verringern.