Passau. In Bayern werden derzeit drei von 90 Grenzübergängen nach Österreich dauerhaft bewacht. Ergibt das aber Sinn? Ein Besuch vor Ort.

Der Griff mit der rechten Hand an das Pistolenhalfter ist ein Standard. Das betonen die Bundespolizisten. Denn es sieht immer etwas dramatisch aus, wenn sie sich einem Auto nähern, das sie kontrollieren wollen.

Sie öffnen dann mit der linken Hand die Tür des Fahrzeugs, während die rechte Hand auf dem Halfter mit der Pistole ruht. „Das ist zu unserem eigenen Schutz“, sagt eine junge Polizistin. „Wir können nie wissen, was hinter der Tür des Wagens auf uns wartet.“ In diesem Fall ist es ein roter Transporter, serbisches Kennzeichen, abgenutzter Lack, im hinteren Teil des Wagens sind die Scheiben abgedunkelt.

Es ist ein Vormittag, 11.02 Uhr, Grenzübergang in der Nähe von Passau. Die Sonne brennt gleißend auf das weiße Zelt, in dem zwei Beamte das Fahrzeug untersuchen. Langsam schiebt sich der zweispurige Verkehr an dem Kontrollposten der Bundespolizei vorbei. Die Beamten schauen in die geöffneten Fenster, meist nicken sie und wünschen „Gute Fahrt“.

Nur bei wenigen Fahrzeugen ordnen die Polizisten eine genauere Begutachtung an. Das kommt in rund 90 Minuten an diesem Tag bei nur vier Fahrzeugen vor – bei drei Transportern und einem Reisebus aus Rumänien. Alle anderen Lkw, Pkw und Busse dürfen passieren. Ein kleiner Rückstau hat sich gebildet, auf Höhe des Schildes „Berlin. 636 Kilometer“ beginnt er.

Beim Thema Zurückweisungen lächeln die Beamten nur

„Es sind jetzt vor allem Urlauber auf dem Heimweg“, sagt Timo Schüller, Pressesprecher der Bundespolizei in Passau. Er ist schon seit Beginn der Grenzkontrollen hier stationiert und kennt diesen Posten sehr genau. „Seit dem 13. September 2015 wird hier nach geltendem EU-Recht kontrolliert“, sagt Schüller.

Zu Beginn sei das Interesse der Medien groß gewesen. „Damals kamen die Menschen aber auch zu Fuß hier an die Grenze“, erinnert er sich. „Und sie hatten zum Teil Verletzungen, die wir uns nicht vorstellen konnten.“ Das seien schlimme Monate gewesen, die auch die Beamten verändert hätten. Aber in den letzten Monaten hätte er kaum Journalisten hierher führen müssen.

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    (CSU) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Frage, ob die Polizei an der Grenze auch Menschen abweisen soll, die bereits in einem anderen EU-Land als Flüchtlinge registriert sind. Der Streit ist zwar erst mal beigelegt, aber an der Arbeit der Bundespolizisten an den drei Übergängen mit Grenzkontrollen hat das bisher nichts geändert.

    Zurückweisungen gibt es bereits

    Fragt man bei der Polizei nach, berichtet diese, dass sie längst Flüchtlinge zurückweist. Laut Bundespolizeidirektion München hat es von Januar bis Mai dieses Jahres rund 4600 unerlaubte Einreisen über die deutsch-österreichische Grenze gegeben. „Davon wiesen die Beamten fast 2450 Personen zurück“, sagt Matthias Knott von der Bundespolizei.

    Das entspreche mehr als 50 Prozent. Darunter waren unter anderem Flüchtlinge aus Nigeria, Afghanistan und dem Irak. Auch im Jahr 2017 wurden knapp über 7000 Personen zurückgewiesen.

    Begründet wird diese Zurückweisung mit Artikel 14 des Schengener Grenzkodexes. „Sollten Drittstaatsangehörige nicht über die notwendigen Einreisedokumente verfügen“, heißt es von der Bundespolizei, „kann die Person nach Österreich zurückgewiesen werden.“

    Darüber hinaus besteht der Verdacht der versuchten unerlaubten Einreise. Ausnahme ist, wenn die Person ein „Schutzersuchen“ stellt, dann werde von einer Zurückweisung abgesehen und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ist zuständig für diesen Fall.

    Die Grenzbeamten in Passau selbst lächeln nur, wenn man sie auf die Zurückweisungen anspricht. Sie sagen lediglich, dass sie sich nicht politisch äußern. Auch bei den Kontrollen darf man sie nur aus einem großen Sicherheitsabstand beobachten. Das sei noch vor wenigen Wochen viel offener gewesen, deutet ein Beamter an.

    Nur rund 70 Kilometer entfernt gibt es keine Grenzbeamten mehr

    Aber jetzt gab es zu viele Berichte über die Kontrollen. Die Beamten sind vorsichtig geworden. Zwar einigten sich die Politiker in dieser Woche auf sogenannte Transitverfahren: In Räumen nahe der Grenze soll schnell entschieden werden, ob ein Mensch abgewiesen wird oder nicht.

    14.20 Uhr, Grenzübergang Simbach am Inn. Nur rund 70 Kilometer entfernt von Passau gibt es keine Grenzbeamten mehr. Schwach geht der Wind in vier Fahnen, die nebeneinander wehen: Europa, Deutschland, Österreich und Bayern. Ungefähr drei oder vier Autos überqueren die Grenze hier minütlich, langsam, denn die Brücke hat nur eine schmale Fahrbahn.

    Gleich neben einem Vereinsschild für Schäferhunde-Züchter und einem griechischem Restaurant namens El Greco steht ein älterer Herr. Er läuft gern hinüber nach Österreich, um bei Billa einzukaufen oder ein Eis zu essen. „Hier kommt doch schon lange kein Flüchtling mehr über die Grenze“, sagt er. „Zumindest sind mir keine mehr aufgefallen.“ Er verstehe auch nicht, warum denn alle von „Grenzkontrollen“ sprechen, wenn die meisten Grenzen wie diese hier komplett offen bleiben würden.

    Passau wurde zum Dreh- und Angelpunkt der Balkanroute

    Insgesamt gibt es 90 Straßen, die

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    und Deutschland verbinden. Nur drei Straßen werden derzeit 24 Stunden am Tag von Polizisten kontrolliert. Die übrigen 87 Straßen werden unregelmäßig von Polizisten in Zivil und Uniform beaufsichtigt.

    Polizeisprecher Schüller spricht von rund 130 bis 150 illegalen Grenzübertritten jeden Monat allein am Übergang Passau. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2012 zählten die Beamten 826 und 2014 schon 4876 illegale Grenzübertritte. Im Februar 2015 erreichten sie diese Zahlen innerhalb eines Monats, und im September waren es 8500 Flüchtlinge an einem Tag.

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      Passau wurde zum Dreh- und Angelpunkt der Balkanroute. Doch für Transitverfahren nahe Passau rechnen Experten mit bis zu fünf Flüchtlingen am Tag. Schon jetzt wird deutlich, dass viele Schleuser auf andere Straßen ausweichen, weit entfernt von Passau.

      Die Grenzkontrollen müssen ohnehin jedes halbe Jahr als Maßnahme verlängert werden – und auch diese Kontrolle in Passau findet vorläufig nur bis zum November statt. Begründet wird das unter anderem mit der Terrorgefahr, aber letztlich werden bei den Kon­trollen nur kleinere Delikte festgestellt oder Menschen aufgespürt, die per Haftbefehl gesucht werden.

      Die deutsche Grenze zu Österreich ist 815 Kilometer lang

      18.15 Uhr, Autobahn A8, Grenzübergang bei Salzburg. Auch dieser Übergang wird rund um die Uhr von Bundespolizisten bewacht. Nur fünf Kilometer von einem Grenzübergang an einer Landstraße entfernt, der nicht kontrolliert wird. Wieder steht hier ein rundes, großes Zelt, wieder gibt es Rückstau, es ist Rushhour.

      Und wieder ist da eine sehr große Zurückhaltung der Beamten, sich zu äußern. Die Kontrollkriterien sind überall die gleichen, sagt ein Beamter. „Abgedunkelte Scheiben, verdächtige Insassen.“ Das Nummernschild und die Herkunft des Autos spielen eine geringere Rolle.

      Der Polizist sagt, sie hätten schon Cannabis-Pflanzen entdeckt, Menschen im Kofferraum, Hundewelpen aus Serbien für den deutschen Markt. Der Beamte nennt das „Beifang“. Aber es klingt, als sei dieser fast noch wichtiger als die Flüchtlinge. Nur wenige Meter neben der Kontrollstelle beginnt ein Wald. Einen Zaun oder eine Schranke sucht man auch hier vergebens.

      Die deutsche Grenze zu Österreich ist 815 Kilometer lang. Flüchtlinge werden, wenn sie wollen, über die 87 nicht kontrollierten Straßen oder über die vielen Felder nach Deutschland kommen. Niemand kann diese Grenze komplett dichtmachen, es sei denn, er baut einen Zaun oder eine Mauer. Wer sich die Situation an der Grenze anschaut, versteht noch weniger als vorher, worum es im Asylstreit zwischen CDU und CSU überhaupt ging.