Berlin. Nach der Eskalation des Asylstreits haben sich CDU und CSU geeinigt – auf Transitzentren an der Grenze. Seehofer darf Minister bleiben.

Horst Seehofer macht den Rücktritt vom Rücktritt kurz: Es habe eine Einigung in drei Punkten gegeben, die erlaubt, dass er Innenminister bleibe. „Wir haben uns nach sehr intensiven Verhandlungen zwischen CDU und CSU geeinigt. „Wir haben eine klare Vereinbarung, wie wir die illegale Migration an den Grenzen zwischen Deutschland und Österreich verhindern“, sagt Seehofer. Es habe sich gezeigt, dass es sich lohnt für eine Vereinbarung zu kämpfen, fügt er an. Es sei eine „sehr, sehr klare Übereinkunft“, die es ihm erlaube, sein Amt zu behalten.

Sagt er und verschwindet in die Berliner Nacht. Die Details der Einigung zu verkünden, überlässt der CSU-Chef dann den Generalsekretären von CDU und CSU. Die acht Unterhändler der Union haben es zuvor geschafft, einen Bruch der Union und damit einen Bruch der Regierung zu verhindern. Kanzlerin Angela Merkel betont nach den Gesprächen, man habe sich auf

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geeinigt, von der man dann Asylbewerber zurückführen werde.

„Nach hartem Ringen und schwierigen Tagen habe man einen wirklich guten Kompromiss gefunden“, sagt Merkel zufrieden. „Damit ist genau der Geist der Partnerschaft in der EU gewahrt und gleichzeitig ein entscheidender Schritt getan, um Sekundärmigration zu ordnen und zu steuern. Das ist genau das, was mir wichtig war und ist“, betont die CDU-Chefin – um sich kurz danach am Kanzleramt zum Koalitionsgipfel mit der SPD zu treffen.

Union einigt sich – Die Bilder der Nacht

Innenminister Horst Seehofer (2.v.l.) drohte schon das politische Aus, doch dann kam die Wende: CDU und CSU erzielten am späten Montagabend einen Kompromiss im Asylstreit.
Innenminister Horst Seehofer (2.v.l.) drohte schon das politische Aus, doch dann kam die Wende: CDU und CSU erzielten am späten Montagabend einen Kompromiss im Asylstreit. © Getty Images | Sean Gallup
Zufrieden zeigte sich Seehofer den Medienvertretern vor dem Konrad-Adenauer-Haus in Berlin.
Zufrieden zeigte sich Seehofer den Medienvertretern vor dem Konrad-Adenauer-Haus in Berlin. © dpa | Kay Nietfeld
Es habe sich wieder einmal gezeigt, dass es sich lohne, für eine Sache einzustehen, sagte der CSU-Chef.
Es habe sich wieder einmal gezeigt, dass es sich lohne, für eine Sache einzustehen, sagte der CSU-Chef. © Getty Images | Carsten Koall
Auch Kanzlerin Angela Merkel gab sich zufrieden: „Ich glaube, dass wir heute nach hartem Ringen und schwierigen Tagen einen wirklich guten Kompromiss gefunden haben“.
Auch Kanzlerin Angela Merkel gab sich zufrieden: „Ich glaube, dass wir heute nach hartem Ringen und schwierigen Tagen einen wirklich guten Kompromiss gefunden haben“. © dpa | Kay Nietfeld
Konkret einigte man sich darauf, Transitzentren für bereits in anderen EU-Ländern registrierte Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze einzurichten. Aus diesen Zentren sollen Asylbewerber direkt in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden.
Konkret einigte man sich darauf, Transitzentren für bereits in anderen EU-Ländern registrierte Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze einzurichten. Aus diesen Zentren sollen Asylbewerber direkt in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden. © Getty Images | Carsten Koall
Dass sich CDU und CSU doch noch einigen würden, erschien zwischenzeitlich fast undenkbar. Auch über ein mögliches Ende von Merkels Kanzlerschaft, hier ein Blick auf das Kanzleramt während des Koalitionstreffens, war diskutiert worden.
Dass sich CDU und CSU doch noch einigen würden, erschien zwischenzeitlich fast undenkbar. Auch über ein mögliches Ende von Merkels Kanzlerschaft, hier ein Blick auf das Kanzleramt während des Koalitionstreffens, war diskutiert worden. © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Seehofer hatte gar selbst seinen Rücktritt als Innenminister und CSU-Chef angeboten – bevor er kurz darauf wieder zurückruderte.
Seehofer hatte gar selbst seinen Rücktritt als Innenminister und CSU-Chef angeboten – bevor er kurz darauf wieder zurückruderte. © dpa | Kay Nietfeld
Vor allem CSU-Fraktionsführer Alexander Dobrindt stärkte Seehofer den Rücken. Er erklärte, dass er einen Rücktritt nicht akzeptieren wolle.
Vor allem CSU-Fraktionsführer Alexander Dobrindt stärkte Seehofer den Rücken. Er erklärte, dass er einen Rücktritt nicht akzeptieren wolle. © Getty Images | Sean Gallup
Zu dem kam es letztlich nicht. Seehofer dürften nach den Machtspielen mit Merkel dennoch keine einfache Zeit vor sich haben.
Zu dem kam es letztlich nicht. Seehofer dürften nach den Machtspielen mit Merkel dennoch keine einfache Zeit vor sich haben. © Getty Images | Carsten Koall
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Abkommen mit Österreich geplant

„Für die CSU ist das ein wichtiger Tag für Deutschland, aber auch für die Union“, sagt CSU-Generalsekretär Markus Blume und erklärt die Einigung:

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wo sie bereits registriert sind - wenn es entsprechende Abkommen mit den Ländern gebe.

Für alle anderen Fälle plane man ein Abkommen mit der Republik Österreich, wie diese Menschen schon grenznah abgewiesen werden könnten. Der CSU-Politiker spricht von einem wichtigen Schlussstein hin zu einer restriktiveren Asylpolitik. „Die Sicherheit unseres Landes beginnt an der Grenze.“

Seehofer hielt mit Verbitterung nicht hinterm Berg

Merkel und Seehofer hatten vor der Sitzung im Adenauer-Haus unter sechs Augen mit Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) gesprochen. Hier soll der grundsätzliche Durchbruch erfolgt sein. Der erfahrene Politiker sollte vermitteln im erbitterten Streit zwischen den Schwesterparteien. Es war mehr als nötig.

Denn Seehofer hatte noch kurz zuvor via „Süddeutscher Zeitung „wissen lassen: „Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist“, sagt der CSU-Chef. Er sei in einer Situation, die für ihn unvorstellbar sei. „Die Person, der ich in den Sattel verholfen habe, wirft mich raus.“ Das Interview gab er auf der Autofahrt von Ingolstadt nach Berlin.

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Seehofers dramatischer Fast-Rücktritt

Nach seiner Rücktrittankündigung am Sonntagabend steht am Montag die Zusammenarbeit der Union im Bundestag und damit die große Koalition auf dem Spiel. Die CDU und ihre bayerische Schwester CSU streiten darüber,

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– Seehofer besteht darauf, Merkel will das nicht. Bei einem EU-Gipfel hatte sie eine Verschärfung der Asylpolitik der EU und die Aussicht auf bilaterale Abkommen ausgehandelt, aber der CSU reicht das nicht. Der 68-Jährige hat nach der erfolglosen Suche nach einer Lösung seinen Rücktritt angekündigt, falls die CDU nicht einlenkt.

Der Tag nach dem dramatischen Fast-Rücktritt beginnt früh: Um kurz vor neun tritt der Bundesvorstand der CDU im Adenauer-Haus zusammen. Nur wenige Stunden Schlaf liegen hinter den Vorstandsmitgliedern. Irgendwann, gegen eins, hatte man beschlossen, nicht weiter auf das Münchner Drama blicken zu wollen. Und auf den Morgen zu vertagen.

Armin Laschet war fassungslos

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet sagt, die Position der CDU sei unabhängig von Personen: „unabhängig von Horst Seehofer oder Angela Merkel, weil wir die europäische Lösung wollen“. Ähnliches hatte er auch am frühen Morgen bereits geäußert. Laschet kam aus der Sitzung des Bundesvorstandes, war fassungslos ob der Ereignisse in München.

In der CDU-Zentrale ärgerte man sich maßlos darüber, dass der Masterplan in München bei der CSU-Vorstandssitzung verteilt worden war, in Berlin jedoch immer noch fehlte. Ihm war der Ärger, aber auch die Besorgnis anzumerken, dass da möglicherweise mehr kaputtgeht. Es gehe um das Land, um gemeinsame Werte und ja, besonders auch um Europa.

Miese Stimmung zwischen CDU und CSU

Im Vorstand ergreift Wolfgang Schäuble das Wort. Und warnt: Beide Parteien der Union blickten „in den Abgrund“. Die CDU-Führung hält an ihrem Beschluss von Sonntagabend fest. Da hatte man sich klar gegen einen nationalen Alleingang in der Asylpolitik gestellt und stattdessen eine europäische Regelung angemahnt, die man schnellstmöglich umsetzen will. Doch die Stimmung ist mies: Mehrere Bundesvorstandsmitglieder werfen der CSU-Spitze eine bewusste Desinformationspolitik über das vor, was in der EU vereinbart worden sei und was in der CDU diskutiert werde.

Die CSU ventiliert dagegen am Morgen, Merkel habe ein Kompromissangebot von Seehofer abgelehnt. Bei dem zweistündigen Krisentreffen im Kanzleramt am Sonnabendabend schlug Seehofer demnach vor, nicht alle Migranten zurückzuweisen, die bereits in anderen EU-Ländern registriert sind, sondern nur solche, bei denen das Asylverfahren bereits läuft. Auch war Seehofer demnach bereit, Migranten, die in Griechenland oder Spanien registriert wurden, nicht zurückzuweisen. Merkel habe auch diese Varianten am Sonnabend abgelehnt, schimpft ein CSU-Mann.

Die Karriere von Horst Seehofer

Er ist Bundesminister des Inneren, für Bau und Heimat im Kabinett Merkel IV: Der CSU-Politiker Horst Seehofer kann auf eine Jahrzehnte lange politische Karriere zurückblicken. Wir zeigen Bilder des CSU-Politikers.
Er ist Bundesminister des Inneren, für Bau und Heimat im Kabinett Merkel IV: Der CSU-Politiker Horst Seehofer kann auf eine Jahrzehnte lange politische Karriere zurückblicken. Wir zeigen Bilder des CSU-Politikers. © Reto Klar | Reto Klar
Seehofer wurde am 4. Juli 1949 in Ingolstadt geboren. Nach der Mittleren Reife tritt er 1969 in die Junge Union ein, 1971 wird der Diplom-Verwaltungswirt Mitglied der Christlich Sozialen Union (CSU).
Seehofer wurde am 4. Juli 1949 in Ingolstadt geboren. Nach der Mittleren Reife tritt er 1969 in die Junge Union ein, 1971 wird der Diplom-Verwaltungswirt Mitglied der Christlich Sozialen Union (CSU). © picture alliance / Andreas Geber | dpa Picture-Alliance / Andreas Gebert
Am 21. April 1989 wird Seehofer zum Nachfolger des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesarbeitsministerium, Stefan Höpfinger (l.), ernannt.
Am 21. April 1989 wird Seehofer zum Nachfolger des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesarbeitsministerium, Stefan Höpfinger (l.), ernannt. © Bundesarchiv | Reineke, Engelbert
Von 1992 bis 1998 ist er Gesundheitsminister.
Von 1992 bis 1998 ist er Gesundheitsminister. © picture-alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Torsten Silz
Von 1980 bis 2008 ist er Mitglied des Deutschen Bundestag. Von 1994 bis 2008 stellvertretender Vorsitzende der CSU und von 1998 bis 2004 der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Von 1980 bis 2008 ist er Mitglied des Deutschen Bundestag. Von 1994 bis 2008 stellvertretender Vorsitzende der CSU und von 1998 bis 2004 der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. © imago/photothek | Nicole Maskus
Nach der Bundestagswahl 2005 wird Horst Seehofer in der großen Koalition Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
Nach der Bundestagswahl 2005 wird Horst Seehofer in der großen Koalition Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. © Getty Images | Andreas Rentz
Das Amt bekleidet er von 2005 bis 2008.
Das Amt bekleidet er von 2005 bis 2008. © Getty Images | Miguel Villagran
Seit 2008 hat er den Parteivorsitz der CSU inne.
Seit 2008 hat er den Parteivorsitz der CSU inne. © REUTERS | REUTERS / RALPH ORLOWSKI
Im Oktober 2008 wird er vom Bayerischen Landtag zum Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern gewählt.
Im Oktober 2008 wird er vom Bayerischen Landtag zum Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern gewählt. © picture-alliance/ dpa/dpaweb | dpa Picture-Alliance / Eva Chloupek
Horst Seehofer mit seiner Ehefrau Karin Seehofer (2 v.l.) und den drei gemeinsamen Kindern Andreas, Ulrike und Susanne beim Neujahrsempfang des Bayerischen Ministerpräsidenten 2018 im Kaisersaal der Münchner Residenz. Aus einer außerehelichen Beziehung hat er eine weitere Tochter, die 2007 geboren wurde.
Horst Seehofer mit seiner Ehefrau Karin Seehofer (2 v.l.) und den drei gemeinsamen Kindern Andreas, Ulrike und Susanne beim Neujahrsempfang des Bayerischen Ministerpräsidenten 2018 im Kaisersaal der Münchner Residenz. Aus einer außerehelichen Beziehung hat er eine weitere Tochter, die 2007 geboren wurde. © imago | Spöttel Picture
„Ich gehe ständig an die Grenze dessen, was man sich körperlich zumuten kann“, sagte er einmal.
„Ich gehe ständig an die Grenze dessen, was man sich körperlich zumuten kann“, sagte er einmal. © dpa | Tobias Hase
2002 erlitt er eine Herzmuskelentzündung, die ihn fast das Leben kostete. Privat habe er kaum Zeit für Freunde, Familie, Hobbys.
2002 erlitt er eine Herzmuskelentzündung, die ihn fast das Leben kostete. Privat habe er kaum Zeit für Freunde, Familie, Hobbys. © dpa | Michael Kappeler
Am 12. März 2018 präsentierten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der CSU-Vorsitzende Seehofer und der damalige kommissarische SPD-Vorsitzende und jetzige Finanzminister Olaf Scholz, den gemeinsam unterzeichneten Koalitionsvertrag in Berlin. Es gibt wieder eine große Koalition.
Am 12. März 2018 präsentierten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der CSU-Vorsitzende Seehofer und der damalige kommissarische SPD-Vorsitzende und jetzige Finanzminister Olaf Scholz, den gemeinsam unterzeichneten Koalitionsvertrag in Berlin. Es gibt wieder eine große Koalition. © dpa | Bernd von Jutrczenka
Für das Kabinett Merkel IV wird Seehofer am 14. März 2018 zum neuen Bundesminister des Inneren, für Bau und Heimat ernannt. Der Höhepunkt in seiner Karriere.
Für das Kabinett Merkel IV wird Seehofer am 14. März 2018 zum neuen Bundesminister des Inneren, für Bau und Heimat ernannt. Der Höhepunkt in seiner Karriere. © REUTERS | REUTERS / HANNIBAL HANSCHKE
Dieses Foto sorgt kurze Zeit später für Aufsehen. Der Heimatminister präsentiert seine Mannschaft – und es sind ausschließlich Männer zu sehen.
Dieses Foto sorgt kurze Zeit später für Aufsehen. Der Heimatminister präsentiert seine Mannschaft – und es sind ausschließlich Männer zu sehen. © picture alliance / /Bundesminist | dpa Picture-Alliance / -
Der Streit zwischen Seehofer und Merkel über den Umgang mit Flüchtlingen an der deutschen Grenze eskaliert Ende Juni. Auch bei einem Krisengespräch im Kanzleramt können die beiden die Wogen zunächst nicht glätten.
Der Streit zwischen Seehofer und Merkel über den Umgang mit Flüchtlingen an der deutschen Grenze eskaliert Ende Juni. Auch bei einem Krisengespräch im Kanzleramt können die beiden die Wogen zunächst nicht glätten. © dpa | Paul Zinken
Innenminister Seehofer bleibt in der Fragen nach Abweisungen an der Grenze hart – Merkel auch.
Innenminister Seehofer bleibt in der Fragen nach Abweisungen an der Grenze hart – Merkel auch. © dpa | Ralf Hirschberger
Doch nach einem weiteren Krisengespräch wird man sich einig. Die Union will Transitzentren an der deutsch-österreichischen Grenze einrichten.
Doch nach einem weiteren Krisengespräch wird man sich einig. Die Union will Transitzentren an der deutsch-österreichischen Grenze einrichten. © Reto Klar | Reto Klar
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Mildere Töne dagegen von einer Schlüsselfigur des bayerischen Machtkampfs. „Wir sind zu Kompromissen bereit, das muss man ja auch sein in der Politik“, erklärt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder in Passau. „Die Stabilität der Regierung steht für uns nicht infrage, auch ein Aufkündigen einer Fraktionsgemeinschaft ist nicht der richtige Weg. Man kann in einer Regierung viel erreichen, aber nicht außerhalb.“ Möglicherweise, so unkt ein CSU-Grande per SMS, käme diese Einsicht etwas spät.

In Bayern wurden alte Rechnungen beglichen

Dass es auf keiner Ebene mehr stimmt zwischen den Schwesterparteien, wird auch an den rein formalen Fragen an diesem Tag deutlich. Am Morgen heißt es aus München, die gemeinsame Unionsfraktionssitzung am Montagmittag sei abgesagt worden. Nachfrage beim CDU-Teil des Fraktionsvorstands: Nein, davon wisse man nix. Zwei Stunden später heißt es aus der CDU, die Sitzung finde nicht statt. Dann – Überraschung – tagt man doch.

In Bayern werden unterdessen alte Rechnungen beglichen. Seehofer stürzte einst den ehemaligen Parteichef Erwin Huber. Der lässt jetzt verlauten, für Seehofer gebe es keine Alternative zum Rücktritt. Dies sei „unausweichlich“. Eine neue Konstellation. Und wer? „Dobrindt oder Bayerns Innenminister Joachim Herrmann“, als Innenminister eher ein Softie im menschlichem Umgang. Ein bisschen Sehnsucht nach Harmonie dürfte bei den Wünschen durchaus mitschwingen.

In SPD herrscht Mix aus Ensetzen und Staunen

Um 14 Uhr kommt es dann zur Sitzung der Schwesterparteien im Bundestag. Innenminister Seehofer ist da noch auf der Autobahn zwischen Ingolstadt und Berlin, gibt sein Interview. CDU-Chefin Merkel sagt vor der Fraktion, der Erhalt der Schicksalsgemeinschaft sei „jede Mühe wert“. „Der Wunsch, das zu lösen, ist groß“, sagt sie. Man arbeite an einer Lösung, heißt es beflissen. Aber wie sie aussieht, kann keiner skizzieren.

In der SPD herrscht nach der Seehofer-Nacht eine Mischung aus Entsetzen und ungläubigem Staunen. Eigentlich sind ja die Genossen für die Rolle der Drama-Queen fest gebucht. Für den Weg in die GroKo brauchte die SPD drei Parteitage und eine Mitgliederbefragung, ein Parteichef (Martin Schulz) und ein Außenminister (Sigmar Gabriel) gingen über Bord. Ironie der Regierungskrise ist, dass ausgerechnet Schulz Anfang Februar in der finalen Nacht bei der Ressortverteilung zwischen Union und SPD Seehofer auf die Idee gebracht haben will, Innenminister zu werden.

"Asyltourismus", Masterplan: Die sieben wichtigsten Stichwörter im Asylstreit

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    SPD wirkt unverhofft wie ein Hort der Stabilität

    Die Sozialdemokraten wirken angesichts der chaotischen Zustände beim Koalitionspartner nun unverhofft wie ein Hort der Stabilität. Arbeitsminister Hubertus Heil preist Finanzminister Olaf Scholz als Stabilitätsanker, quasi als Anti-Seehofer. Aus dem „Scholzomaten“ wird zwar kein Entertainer mehr, aber ein Regierungsprofi ist der 60-Jährige zweifellos. So was könnte in unruhigen Zeiten ein Pfund sein. Bei Neuwahlen dürfte es schwer werden, Scholz von der Kanzlerkandidatur fernzuhalten. Scholz’ größte Sorge war aber, dass die Koalition platzt, bevor am Donnerstag der Bundeshaushalt für 2018 vom Parlament beschlossen wird. Dann würden Milliarden für Familien, Kitas und Schulen auf Eis liegen.

    Dann hat die SPD-Chefin ihren Auftritt. Nahles ist schockiert über den Streit zwischen CDU und CSU. „Die Union führt ein rücksichtsloses Drama auf.“ Die CSU sei auf einem beispiellosen Egotrip. „So wie es jetzt läuft, kann es nicht weitergehen.“ Erneut berufen Nahles und Scholz den Koalitionsausschuss ein, um Seehofer und Merkel zur Rede zu stellen.

    Noch am späten Montagabend wollte die Spitzenrunde zusammenkommen, um die GroKo zu retten. Bislang war die SPD in der Zuschauerrolle. Aber es gilt: mitgehangen, mitgefangen. Umfragen zeigen, das desolate Erscheinungsbild von Schwarz-Rot schadet auch der SPD. Groß ist die Furcht, bei einer Neuwahl noch schlechter als 20,5 Prozent abzuschneiden.