Brüssel/Berlin. Der EU-Gipfel einigt sich auf eine Verschärfung der Migrationspolitik. Der Kanzlerin gelingen Abkommen zur Rücknahme von Flüchtlingen.

Angela Merkel ist mit sich im Reinen. Was sie beim

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erreicht habe, gehe noch über die Forderungen der CSU hinaus, versicherte die Kanzlerin zum Abschluss des Treffens am Freitagnachmittag: „Das ist mehr als wirkungsgleich“, sagte Merkel, sie habe ihre Zeit „maximal ausgeschöpft“.

Die nächtliche Einigung der EU-Regierungschefs auf einen härteren

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war da schon bekannt, aber Merkel hatte noch Überraschungen parat: Der CSU kann sie erste Vereinbarungen mit Spanien und Griechenland über die Rücknahme von Asylbewerbern präsentieren, zugleich plant sie eine Änderung des Asylgesetzes. Das Ergebnis des Gipfels, bilanzierte sie zufrieden, sei „ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung“.

Schwierige, zwölfstündige Verhandlungen

Die

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wollte sie am Freitagabend bereits CDU und CSU in Berlin vorstellen. Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer hatte angedroht, in der ersten Juli-Woche Zurückweisungen an der deutsch-österreichischen Grenze anzuordnen, sollte der Gipfel keine „wirkungsgleichen Maßnahmen“ zustande bringen.

Vorangegangen waren im Brüsseler Ratsgebäude schwierige, zwölfstündige Verhandlungen: Der italienische Präsident Giuseppe Conte drohte damit, den gesamten Gipfelbeschluss zu blockieren, nach Mitternacht baute Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Vier-Augen-Gespräch erfolgreich eine Brücke. Die Entscheidungen im Überblick:

Weiterreise Merkels wichtigster Erfolg auf dem Gipfel selbst ist Punkt elf der Vereinbarung zur Asylpolitik: Die EU-Regierungschefs wollen die Weiterreise von bereits registrierten Asylbewerbern durch Europa verhindern. Diese „Sekundärmigration“ , die der CSU solche Sorgen macht, drohe, die Integrität des gemeinsamen EU-Asylsystems und der offenen Grenzen im Schengenraum zu gefährden, so der Beschluss: „Die Mitgliedstaaten sollten alle erforderlichen internen Rechtsetzungs- und Verwaltungsmaßnahmen treffen und dabei eng zusammenarbeiten.“ Das ist der europäische Rahmen für Merkels geplante Rücknahmeabkommen mit einzelnen Staaten.

„Kein Asylbewerber hat das Recht, das Land innerhalb der EU auszusuchen, in dem es ein Asylverfahren gibt,“ sagte die Kanzlerin. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, einer der Schlüsselfiguren im Streit mit der CDU, gab am Freitag eine erste Bewertung ab. Es sei der Verdienst der CSU, dass „sich auf EU-Ebene endlich stärker mit der Migrationsthematik auseinandergesetzt wird“. Jener Punkt elf lasse nationale Maßnahmen ausdrücklich zu. Doch damit ist neuer Streit eröffnet: Merkel stellte noch in Brüssel klar, dass sie Zurückweisungen von Flüchtlingsgruppen an der Grenze als einseitige, nicht mit anderen Ländern abgestimmte Maßnahme weiter ablehnt. An ihrer Einstellung habe sich nichts geändert.

Rücknahmeabkommen Merkel gelang es, am Rande des Gipfels mit Spanien und Griechenland eine politische Vereinbarung zur Rückübernahme von Asylbewerbern abzuschließen. Beide Staaten seien bereit, solche Asylsuchenden wieder aufzunehmen, die künftig von deutschen Behörden an der deutsch-österreichischen Grenze festgestellt werden und einen Eintrag in der Fingerabdruckdatei Eurodac haben. Dafür will Deutschland offene Fälle von Familienzusammenführungen mit beiden Ländern abarbeiten. In den zwei Staaten sitzen viele Migranten fest, deren Angehörige in Deutschland sind. Offensichtlich ist geplant, die Familien zumindest zum Teil in Deutschland zu vereinen. Eine solche Verabredung mit Italien kam nicht zustande. Bereitschaft haben dagegen Frankreich und Finnland signalisiert.

Merkel kündigte an, mit einer Vielzahl von Ländern Verwaltungsvereinbarungen zu schließen, um die Rücknahme von Flüchtlingen zu beschleunigen. Dazu schlage sie eine Asylrechtsänderung vor, um beschleunigte Verfahren für diese Gruppe zu ermöglichen. Mit fertigen Abkommen kehrt Merkel dennoch nicht nach Berlin zurück. Doch die CSU dürfte sich genau überlegen, ob sie weiter die Idee eines nationalen Alleingangs zur Zurückweisung von Migranten verfolgt. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz droht mit Gegenmaßnahmen an der deutsch-österreichischen Grenze, falls Seehofer tatsächlich Migranten zurückweist. Dann müsse Österreich notgedrungen handeln, wozu auch „Handlungen“ an der Grenze zu Deutschland gehörten.

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    Sammellager in der EU EU-Staaten sollen „kontrollierte Zentren“ für Flüchtlinge aufbauen können. Dort gäbe es beschleunigte Asylverfahren, Schutzberechtigte würden auf bereitwillige EU-Länder verteilt, die anderen zurückgewiesen. Das Projekt geht auf einen Vorstoß von Macron und Sanchez zurück; der italienische Premier Conte störte sich lange an der Freiwilligkeit – aber nur diese Festlegung ermöglichte Ungarns Premier Viktor Orbán, einem Beschluss zuzustimmen, den er im eigenen Land niemals realisieren will. Wo die Zentren entstehen sollen, ist noch offen.

    Sammellager in Nordafrika Bootsflüchtlinge sollen vom Mittelmeer in „Anlandeplattformen“ außerhalb der EU gebracht werden. Hier würde nicht europäisches Asylrecht gelten, sondern internationales Recht. In Zusammenarbeit mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk und der Organisation für Migration IOM würde schnell entschieden zwischen Wirtschaftsflüchtlingen und Schutzbedürftigen; nur Letztere hätten eine Chance, nach Europa zu kommen. Ob in diesen Lagern schon Asylanträge gestellt werden könnten, ist umstritten. Die Regierungschefs fordern auch erst mal nur, solche Konzepte zu prüfen. Es gibt noch viele offene Fragen, bislang hat sich auch noch kein Land bereit erklärt, ein solches Lager einzurichten.

    Schutz der Außengrenzen Die EU will hier mehr tun, unter anderem soll das Personal der Grenzschutztruppe Frontex schnell auf 10.000 Beamte aufgestockt werden. Für die Hilfsorganisationen, die im Mittelmeer mit Rettungsbooten unterwegs sind, sollen klare Richtlinien erarbeitet werden – die auch klarstellen, dass die libysche Küstenwache nicht behindert werden darf.

    Geld für Aufnahmestaaten Die Hilfen für den Afrika-Treuhandfonds sollen um 500 Millionen Euro aufgestockt werden, die Türkei erhält wie geplant weitere drei Milliarden Euro im Rahmen des Flüchtlingsabkommens mit der EU.

    NRW-Ministerpräsident Armin Laschet lobte das Ergebnis: „Mit diesen klaren Beschlüssen in Brüssel hat die Europäische Union Handlungsfähigkeit und Einigkeit bewiesen“, sagte er dieser Redaktion. Er hoffe, dass jetzt alle zur Sachlichkeit zurückkehrten und nationale Alleingänge vom Tisch seien. Merkel bekam während der Verhandlungen Rückendeckung aus der Wirtschaft. Ein gemeinsamer Brandbrief der führenden Verbände verwies darauf, dass Deutschland vor enormen Herausforderungen stehe, etwa dem Handelsstreit mit den USA oder dem Fachkräftemangel. Diese Herausforderungen erforderten Willen zu europäischen Lösungen.

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