Rom. Finanzexperte Cottarelli soll die EU bis zu Neuwahlen in Italien beruhigen. Merkel sichert der neuen Regierung die Zusammenarbeit zu.

Es ist schon absurd: Die Italiener bekommen nach einer monatelangen politischen Achterbahnfahrt genau das, was ihnen so verhasst ist. Einen

Auch interessant

, einen Europafreund und Ex-Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF). Einen Vertreter der „Finanzlobby“, die das Land in die Knie gezwungen hat – so zumindest stellen es die Fünf-Sterne-Bewegung und die rechtspopulistische Lega dar, deren Anti-EU-Koalition auf den letzten Metern mit einem großen Knall geplatzt ist.

Der parteilose Finanzexperte Carlo Cottarelli ist die Karte, die Staatspräsident Sergio Mattarella spielt, um die nervösen Finanzmärkte zu beruhigen. Die Ziele des designierten Regierungschefs sollen sein: das Haushaltsgesetz durchbringen, Europa beruhigen und

Regierungsbildung in Italien gescheitert

weitere Videos

    .

    Cottarelli will Italien bis zur möglichen Neuwahl führen

    Falls er das Vertrauen im Parlament nicht bekommt, was wahrscheinlich ist, dann würde er das Land bis zu einer Neuwahl „nach August“ führen, betonte Cottarelli. Hatten doch die Fünf Sterne und die Lega einen Regierungsvertrag unterzeichnet, der genau das Gegenteil versprach: Mehrausgaben und mehr Schulden.

    Und noch eine Runde: Regierungsbildung in Italien geht weiter

    weitere Videos

      Cottarelli mag zwar eine Person sein, die EU-Funktionären und den Märkten gefällt. Den Geist des Populismus wird er aber kaum zurück in die Flasche bekommen. „Aus heutiger Sicht ist der Amtsantritt einer italienischen Regierung, die auf Konfrontationskurs zur EU geht und deren Regeln missachtet, nur aufgeschoben“, kommentierte Commerzbank-Chefvolkswirt Ralph Solveen.

      Es besteht die Gefahr, dass eine Technokraten-Regierung noch mehr Wasser auf die Mühlen der Anti-Establishment-Parteien leitet. „Es ist nur der letzte Schlag der starken Mächte, die ein versklavtes, verängstigtes und armes Italien wollen“, tönte Lega-Chef Matteo Salvini. „Die nächsten Wahlen werden eine Volksabstimmung sein: Volk und echtes Leben gegen die alte Kaste.“

      Salvini ist der wahre Gewinner

      Salvinis Argumentation findet durchaus Anklang in einem Land, in dem Polit-Frust herrscht: Wieder werde den Italienern eine Regierung von oben aufgedrückt, wieder sei das Volk nicht gehört worden, wieder hätten die Finanzmärkte die Kontrolle, wieder wollten die Deutschen aus eigenem Interesse eine kritische Regierung verhindern. Ähnliche Argumente brachte Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio an.

      Dass weder die EU noch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Schuld an den Schlaglöchern auf Italiens Straßen sind, dass weder Brüssel noch Berlin hinter einer nicht funktionierenden Müllabfuhr oder ineffektiven Behörden stecken: egal.

      Salvini scheint der wahre Gewinner dieses Spektakels. In Umfragen legte seine Partei, die er von einer Abspaltungspartei des reichen Nordens zu einer antieuropäischen und fremdenfeindlichen nationalen Bewegung gemacht hat, weiter zu. Sein Kalkül ist es, bei der nächsten Wahl – womöglich im Herbst – einen Triumph auf der ganzen Linie einzufahren und dann direkt Ministerpräsident zu werden.

      An dem Argument der Fünf Sterne und der Lega, Präsident Mattarella habe die „Regierung des Wandels“ an die Wand fahren lassen, sind Zweifel angebracht. Mattarella hatte etwas gegen den Euro- und Deutschlandkritiker Paolo Savona als Finanzminister in einer Populisten-Regierung, weil die Unsicherheit an den Märkten letztlich auch die italienischen Sparer gefährde.

      Mattarella dient Salvini und Di Maio als Sündenbock

      Wenn der Wille dagewesen wäre, hätten Lega und Fünf Sterne durchaus einen anderen Kandidaten als Savona finden können. Aber sie beharrten darauf. Nicht wenige vermuten, dass Salvini nur auf einen Anlass gewartet hat, die Koalition der ungleichen Partner in die Luft fliegen zu lassen, bevor sie im Amt gescheitert wäre.

      Am Montag schossen sich Salvini und Di Maio auf Mattarella als Sündenbock ein. Der Staatspräsident ernennt der Verfassung entsprechend auf Vorschlag des Ministerpräsidenten die Kabinettsmitglieder. Seinem Amt gemäß überprüfte Mattarella die Kandidaten auf ihre Übereinstimmung mit Italiens internationalen Verpflichtungen, allen voran mit EU und Währungsunion. Dagegen stellten Fünf Sterne und Lega die Rolle des Staatsoberhaupts als rein formal dar.

      Das angedrohte Amtsenthebungsverfahren gegen Mattarella könnte im Parlament die nötige Mehrheit aus Lega und Fünf Sternen erhalten. Die Entscheidung trifft jedoch das Oberste Gericht. Verfassungsrechtler halten die Vorwürfe gegen Mattarella für aus der Luft gegriffen.

      Auch mit Tsipras hat man sich zusammengerauft

      Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte einer neuen italienischen Regierung Zusammenarbeit zu. Deutschland wolle mit jeder Regierung in Rom kooperieren, dabei müssten aber die „Prinzipien“ der Eurozone respektiert werden, so Merkel. Es könnte um „schwierige Fragen“ gehen. „Italien ist ein wichtiges Mitglied der Europäischen Union.“

      Merkel besteht gegenüber Italien auf Prinzipien der Euro-Zone

      weitere Videos

        Die Kanzlerin zog einen Vergleich zum Amtsantritt des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. Der Linke-Politiker ist seit 2015 Regierungschef in Athen. Man habe sich damals in nächtelangen Verhandlungen mit Tsipras „zusammengerauft“ und etwas erreicht.