Berlin. 463.723 SPD-Mitglieder entscheiden über die GroKo. Einige Kritiker sehen Demokratie gefährdet, Richter halten das Votum für rechtens.

In einer langen Nacht haben sich Union und SPD auf einen Koalitionsvertrag geeinigt, sie haben Posten verteilt und ihre Politik in ein gemeinsames Papier gegossen. Doch ob dieses Bündnis die Regierung stellt, entscheiden nun die Mitglieder der SPD. Das Votum der Genossinnen und Genossen gilt als letzte Hürde für eine GroKo – manche sagen, es ist die größte. Und ist es verfassungswidrig?

Denn nun, so Kritiker, entscheide eine Minderheit von einer halben Million SPD-Mitgliedern, in einigen Fällen sonst nicht wahlberechtigte Minderjährige und Menschen ohne deutschen Pass, über eine Regierung, die Ergebnis einer Bundestagswahl von 47 Millionen Wählern ist.

Kritiker hatten Anträge gegen die Abstimmung in der SPD beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. Sie fürchten, dass die Entscheidung aller Mitglieder die Souveränität der Abgeordneten aushebele.

Votum mit 20 Prozent der Mitglieder verbindlich

In der SPD selbst ist zudem umstritten, ob eine erneute Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für die Partei Erfolg oder Niedergang ist. In Foren und auf Parteitagen wird debattiert, im Internet mobilgemacht. Die SPD verzeichnete in einem Monat einen Ansturm von Eintritten – offenbar wollen viele abstimmen über eine Regierung. „Seit Neujahr sind 24.339 Neumitglieder in unsere Partei eingetreten“, teilte Generalsekretär Lars Klingbeil mit.

Eintreten können auch Jugendliche ab 14 Jahre. Wer SPD-Mitglied werden will, benötigt keine deutsche Staatsbürgerschaft. Für das Votum zum Koalitionsvertrag sind nun 463.723 Genossen stimmberechtigt. Alle SPDler bekommen nun den Koalitionsvertrag zugeschickt. Alle Mitglieder, sofern sie bis zur Frist am Dienstag in die Partei eingetreten waren, erhalten auch einen Stimmzettel per Post. Geben 20 Prozent der Mitglieder ihre Stimme ab, ist das Votum verbindlich. Details zum Votum verabschiedet der Parteivorstand.

Abstimmung vom 20. Februar bis 2. März

Von nun an schwärmen SPD-Politiker, Gegner und Befürworter einer GroKo aus in Landesverbände, Unterbezirke und Ortsvereine der Partei und werben für ihre Argumente. So erlebte es die SPD auch schon 2013. Auch damals stimmten die Mitglieder über den Koalitionsvertrag mit der Union ab. Damals hatte eine Mehrheit von 76 Prozent dafür gestimmt. Ein solch eindeutiges Ergebnis ist diesmal nicht zu erwarten.

Wie 2013 kann es nun einige Wochen dauern, bis die SPD entschieden hat. Vom 20. Februar bis 2. März dauert allein die Abstimmung, am Wochenende danach wird ausgezählt. Der CDU-Parteitag soll den Koalitionsvertrag am 26. Februar absegnen.

Koalitionsvertrag: Spitzen von Union und SPD zufrieden

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    Karlsruhe hält Votum

    Auch 2013 konnten Minderjährige und Nichtdeutsche bei der SPD abstimmen. Wie viele von ihnen unter den SPD-Mitgliedern sind, darüber führe die Partei keine Statistik, heißt es auf Nachfrage. Man halte es jedoch für positiv, wenn sich auch eine 15-Jährige oder ein Türke, der seit Jahrzehnten in Deutschland arbeite und Steuern zahle, politisch in der SPD engagiere. So können laut Gesetz etwa auch Deutsche wählen, die seit Jahren im Ausland leben und dort Steuern zahlen. Es war auch vor allem der SPD-Nachwuchs der Jusos, der massiv um Eintritte von GroKo-Gegnern in die Partei geworben und dazu aufgerufen hatte, gegen ein erneutes Bündnis mit der Union zu stimmen.

    Am Mittwochnachmittag gab das Bundesverfassungsgericht den Kampagnenführern der Jusos recht: Die Richter wiesen fünf Anträge gegen den geplanten Mitgliederentscheid zurück. Das Votum der SPD-Basis sei verfassungskonform. Verfassungsrechtler argumentieren, dass die Freiheit des Abgeordneten durch ein Mitgliedervotum nicht mehr eingeschränkt werde als die häufig eingeforderte Fraktionsdisziplin. Jeder Politiker dürfe sich Rat für Entscheidungen holen – auch an der eigenen Basis.