Berlin. Die geschäftsführende Bundesregierung startet ohne frisches Geld ins neue Jahr und muss sparen. Wie lässt sich ohne Haushalt regieren?

Der Brief ist betont nüchtern gehalten. Er kommt ohne Anrede und Gruß aus und trägt nur die Unterschrift von Peter Altmaier. Der geschäftsführende Bundesfinanzminister weist seine Kollegen in der Bundesregierung auf einen ganz besonderen Umstand hin: Sie haben in den nächsten Monaten weniger Geld zur Verfügung.

Wenn der Kalender auf den 1. Januar springt, sind die Kassen der Bundesministerien normalerweise wieder automatisch prall gefüllt. Ein neues Jahr, ein neuer Haushalt – das ist die Regel. In diesem Jahr ist alles etwas anders. Altmaier und seine Kollegen müssen sparsam wirtschaften. Das liegt daran, so heißt es etwas bürokratisch in dem per E-Mail verschickten Schreiben, dass der Haushalt für das Jahr 2018 „erst nach Beginn des Haushaltsjahres 2018“ in Kraft tritt.

Was darf eine geschäftsführende Regierung?

weitere Videos

    Auch 2014 begann das Jahr ohne gültigen Etat

    Mit anderen Worten: Die Bundesregierung startet in das neue Jahr, ohne dass der Bundestag einen gültigen Ausgabenplan beschlossen hat. Das kommt selten vor. Vor allem aber beeinträchtigt es die Handlungsfähigkeit der Ministerien. Sie können nur in engen Grenzen Geld ausgeben.

    Ministern und Beamten sind quasi die Hände gebunden. Völlig ungewöhnlich ist das nicht: Schon in den Jahren 1995 und 2004 hat der Bundestag erst im laufenden Jahr den Haushalt beschlossen. Auch 2014 begann die Bundesregierung ohne gültigen Etat. Damals waren die Koalitionsverhandlungen erst kurz vor Weihnachten 2013 beendet. Der Bundestag konnte das Gesetz über den Haushalt nicht mehr rechtzeitig beschließen.

    Nur Parlament kann über Ausgaben entscheiden

    Dieses Mal ist alles noch etwas extremer: Es gibt nicht einmal eine neue Koalition. Ob und wann der Bundestag den Haushalt für 2018 beschließen wird, ist völlig offen. Frühestens im Frühjahr könnte es eine neue Regierung geben. Bis zum Sommer würde es dann dauern, den Haushalt zu beschließen. Nur das Parlament kann über die Ausgaben der Regierung entscheiden, das ist das vornehmste Recht der Abgeordneten.

    Was Ministerien in solch einer Situation tun und lassen dürfen, steht im Grundgesetz. Finanzminister Altmaier verweist auf Artikel 111 der Verfassung, wonach die Bundesregierung ab dem 1. Januar nur noch Geld ausgeben darf, um den laufenden Betrieb aufrechtzuerhalten und schon beschlossene Gesetze und Vorhaben umzusetzen. Darüber hinaus muss sich die Bundesregierung an den Haushaltsentwurf für 2018 halten, den das Finanzministerium vor der Bundestagswahl aufgestellt hat.

    Dabei darf sie aber nicht alles Geld verpulvern. Altmaier hat Ausgaben zunächst bei 45 Prozent begrenzt. Das betrifft Geräte und Ausrüstungen, Fahrzeuge, Bibliotheken, Ausgaben für Gutachten und Sachverständige, militärische Beschaffungen und Zinsausgaben. Alles, was darüber hinausgeht, „bedarf der vorherigen Zustimmung des Bundesfinanzministeriums“, teilt der Minister seinen Kollegen mit. Seit der Wahl hat Altmaier schon fast zwei Milliarden Euro zusätzliche Ausgaben bewilligt.

    Absprachen auf europäischer Ebene nicht möglich

    Im Alltag der Ministerien hat das sehr unterschiedliche Folgen. Im Arbeits- und Sozialministerium zum Beispiel, das seit dem Wechsel von Andrea Nahles an die Spitze der SPD-Bundestagsfraktion von Familienministerin Katarina Barley (SPD) mitverwaltet wird, ändert sich auf den ersten Blick wenig. Im Grunde laufe „alles wie bisher“, heißt es aus dem Haus.

    Der zentrale Unterschied: Laufende Ausgaben werden nicht weiter erhöht, neue Projekte wie etwa Forschungsvorhaben können nicht begonnen werden. Die Routineausgaben aber gehen weiter: Renten werden gezahlt, auch ihre Erhöhung findet statt. Wie sie sich errechnet, dafür gelten feste Regeln. In Kraft treten wird die Anpassung durch eine Verordnung – dafür braucht die Regierung keinen vom Bundestag genehmigten Haushalt. Neue Gesetze aber kann sie nicht machen, auch Absprachen auf europäischer Ebene sind nicht möglich.

    Viele wichtige Projekte schon im Sommer angestoßen

    Auch im Verteidigungsministerium wird man noch nicht nervös. Feste Ausgaben wie etwa die Uniformen für Soldaten laufen weiter. Auch Ersatzteile für Militärfahrzeuge können gekauft werden. Für alles das gibt es Rahmenverträge, die längst genehmigt und ohnehin Routine sind. Selbst für größere Rüstungsprojekte hat das Ministerium Vorsorge getroffen.

    Weil die Beamten von Ursula von der Leyen (CDU) ahnten, dass der Haushalt für 2018 nach der Bundestagswahl nicht rechtzeitig fertig wird, habe sie alle wichtigen Projekte schon im Sommer angestoßen. „Wir haben uns darauf eingerichtet“, sagte eine Sprecherin. Es sei bisher nichts Wichtiges liegen geblieben.

    Die Frage ist, wie lange das noch so weitergehen kann. Werner Gatzer, der für den Haushalt zuständige Staatssekretär im Finanzministerium, mag da keine exakte Prognose geben. Ewig könne man nicht so weitermachen. „Im Sommer“, sagt Gatzer, „sollte der Haushalt schon fertig sein.“