London. Damian Green ist schon das dritte Kabinettsmitglied, das Theresa May verlässt. Die Zweifel wachsen, ob sich die Regierung halten kann.
Der britische Vize-Premier und Kabinettschef Damian Green ist am Mittwochabend in London zurückgetreten. Der 61-Jährige war wegen Belästigungsvorwürfen und Berichten über Pornografie auf seinem Dienstrechner unter Beschuss geraten.
Eine mehrwöchige Untersuchung sei zu dem Schluss gekommen, dass Green „missverständliche“ und „fehlerhafte“ Angaben zu den Anschuldigungen gemacht habe, teilte Premierministerin Theresa May mit. Sie hatte ihn zum Rücktritt aufgefordert. Green entschuldigte sich teilweise in einem Brief für sein Verhalten.
May verliert engen Vertrauten
Mit Green verliert die politisch angeschlagene May binnen kurzer Zeit das dritte Kabinettsmitglied und einen engen Vertrauten. Beide verbindet eine jahrzehntelange Freundschaft. Nach Angaben britischer Medien will May im neuen Jahr einen Nachfolger benennen.
Erst vor wenigen Wochen hatte Verteidigungsminister Michael Fallon wegen Belästigungsvorwürfen sein Amt aufgegeben. Entwicklungshilfeministerin Priti Patel musste im November zurücktreten, weil sie sich ohne vorherige Absprache im Urlaub in Israel mit Premierminister Benjamin Netanjahu getroffen hatte.
Eine Journalistin hatte Kabinettschef Green beschuldigt, ihr während eines Pub-Besuchs 2015 ans Knie gefasst und 2016 eine anzügliche Nachricht geschickt zu haben. Daraufhin wurde eine interne Untersuchung eingeleitet. Dazu kam, dass ehemalige Polizisten berichteten, im Jahr 2008 sei auf einem von Greens Computern im Parlament pornografisches Material entdeckt worden.
Green sprach von Hetzkampagne
In seinem Brief teilte Green nun mit, dass er sich nicht erinnern könne, die Journalistin belästigt zu haben. Falls er sie durch sein Verhalten in eine unangenehme Situation gebracht haben sollte, tue es ihm leid. Er habe auch keine Pornografie auf seinem Dienstcomputer heruntergeladen oder angeschaut. Im Gegensatz zu früheren Behauptungen habe er aber von Ermittlungen gegen ihn wegen Pornografie auf Computern gewusst. „Ich entschuldige mich dafür, dass meine Stellungnahmen an diesem Punkt missverständlich waren.“
Vor seinem Rücktritt hatte Green noch alle Vorwürfe vehement abgestritten. Per Twitter bezeichnete er die Berichte über Pornografie auf seinem Rechner als politische Hetzkampagne. Einer der ehemaligen Polizisten habe schon zuvor versucht, ihn in Verruf zu bringen. Alle Behauptungen seien unwahr. Auch die Belästigungsvorwürfe wies Green zurück. Er sei enttäuscht, er habe gedacht, zu der Frau ein freundschaftliches Verhältnis zu haben.
Die Sexismus-Debatte in Großbritannien kam in Fahrt, nachdem Dutzende Frauen sich vor allem in den USA über Belästigungen und Missbrauch durch den Hollywood-Mogul Harvey Weinstein beschwert hatten. (dpa)