Tripolis/Tunis. Der Europa-Afrika-Gipfel soll die Lage von Flüchtlingen in Libyen verhandeln. Doch die Lage in dem afrikanischen Staat ist schwierig.

Kopfüber wie Schlachtvieh hängen die drei jungen Afrikaner auf offener Straße mit gefesselten Füßen an einem Fenstergitter. Einem anderen, auf dessen Gesicht Todesangst und Panik stehen, hält der libysche Peiniger einen Revolver an die Schläfe. Viele Opfer auf den Fotos, die vor wenigen Tagen im Internet auftauchten, haben offene Wunden am ganzen Körper oder liegen gefesselt am Boden, während Milizionäre in frisch gebügelten Tarnuniformen sie mit Stiefeln traktieren.

Seit CNN vor zwei Wochen ein dem Sender zugespieltes grobkörniges Handyvideo veröffentlichte, auf dem Migranten aus Afrika für 400 Dollar als Sklaven für Feldarbeit verkauft wurden, ist der tägliche libysche Horror zurück im globalen Bewusstsein. Solche Auktionen sind kein Einzelfall in dem Post-Gaddafi-Staat, wie nachfolgende CNN-Recherchen in der Umgebung von Tripolis ergaben.

„Sie können mit dir machen, was sie wollen“

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) prangerte den Sklavenhandel bereits im April an, ohne international Gehör zu finden. „Du bist ihnen völlig ausgeliefert“, sagte einer der Gequälten, „sie können mit dir machen, was sie wollen.“ Selbst während der Zwangsarbeit seien sie von ihren Besitzern geschlagen und misshandelt worden. Sobald die afrikanischen Migranten in Libyen aus dem Bus stiegen, gerieten sie in eine Art Mordmaschine hinein, erläuterte ein IOM-Mitarbeiter vor Ort. Die Ankömmlinge würden ausgeraubt und gefoltert, ihre Familien angerufen, um Lösegeld zu erpressen. „Und dann werden sie verkauft, unglaublich, unter freiem Himmel auf öffentlichen Auktionen – so etwas passiert überall im Land.“

In mehreren europäischen Städten kam es vergangenes Wochenende zu Protestdemonstrationen gegen die Sklaverei. Auf Antrag Frankreichs befasste sich der UN-Weltsicherheitsrat am Dienstag mit den höllischen Zuständen. Man müsse die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen und mit Sanktionen belegen, forderte Außenminister Jean-Yves Le Drian. Doch das ist leichter gesagt als getan in einem Land, wo praktisch kein Staat mehr existiert und wo stattdessen Hunderte von bewaffneten Milizen das Heft in der Hand haben.

EU-Afrika-Gipfel soll Thema aufgreifen

Auch auf dem EU-Afrika-Gipfel, der am Mittwoch und Donnerstag in Abidjan, der Hauptstadt der Elfenbeinküste, stattfindet, soll das brisante Thema zur Sprache kommen. Gastgeber Alassane Ouattara, der Präsident des westafrikanischen Landes, erklärte, er empfinde „Ekel und Abscheu“ über die Vorfälle in Libyen. Die Verantwortlichen müssten vor den Internationalen Strafgerichtshof gebracht werden. Er werde die Sklaverei in der Runde der 80 Regierungschefs aus Afrika und Europa zum Thema machen, so Ouattara.

Abgesehen von Libyen soll sich das zweitägige Gipfeltreffen der beiden Nachbarkontinente, an dem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und UN-Generalsekretär Antonio Guterres teilnehmen, grundsätzlich mit den künftigen Beziehungen zwischen Europäischer Union und Afrika beschäftigen. Die Sub-Sahara-Staaten sind dringend an mehr europäischen Investitionen für ihren Nachwuchs interessiert, der mittlerweile 60 Prozent der Bevölkerung ausmacht. Brüssel wiederum will durch langfristige Entwicklungsprogramme erreichen, dass sich nicht mehr so viele junge Männer und Frauen in Richtung Europa auf den Weg machen. Nach jüngsten UN-Angaben ging die Zahl der Flüchtlinge über Libyen nach Europa im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 30 Prozent zurück. Kamen bis zum 26. November 2016 noch 171.200 Migranten, waren es im gleichen Zeitraum 2017 nur 116.600. Dafür stiegen die Überfahrten an anderen Stellen des Mittelmeers erheblich an – vor allem von Tunesien nach Sizilien und von Marokko nach Spanien.