Berlin. Die Grünen feiern sich nach dem Sondierungs-Aus auf ihrem Parteitag. Doch gewonnen haben sie nicht. Sie stehen vor vier harten Jahren.

Maschinengewehr-Geballer bei den Grünen: Die Ökopartei feiert sich am Samstag auf ihrem Parteitag mit dem martialischen Titellied der 80er-Jahre-Serie „A-Team“. Die Botschaft der Ökopartei: Wir haben gemeinsam gekämpft, wir sind eine gute Mannschaft. Die 14 Jamaika-Verhandler stehen auf der Bühne und lächeln für ein Gruppenfoto. Der Unterschied zum A-Team: Die Grünen haben nicht gewonnen.

Sich ordentlich abfeiern – mehr gibt es an diesem Tag in der Arena Berlin für die Grünen nicht zu tun. Ursprünglich sollte die Basis über eine Koalition mit Union und FDP beraten. Doch der Traum von der Regierungsbeteiligung ist geplatzt. Alles sieht nach einer Neuauflage der großen Koalition aus – die Grünen werden wieder zum Nebendarsteller.

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Claudia Roth wurde für ihr Verhandlungsgeschick gelobt.
Claudia Roth wurde für ihr Verhandlungsgeschick gelobt. © dpa | Ralf Hirschberger

Das Fazit der Sondierungsgespräche fällt aber vor allem positiv aus. Parteichef Cem Özdemir ruft den Verhandlern zu: „Ihr habt das super gemacht“, Claudia Roth habe in der Flüchtlingspolitik „hammermäßig verhandelt“. Zu den schmerzhaften Kompromissen sagt Roth: „Wir wollten es hinbiegen, ohne uns zu verbiegen.“ Fraktionschef Anton Hofreiter glaubt, dass die Grünen immer noch gebraucht werden, weil Union und FDP keine Lust auf Umweltthemen hätten: „Wenn ich noch einmal höre, alle Parteien wären für Klimaschutz, dann weiß ich nicht, ob ich meine gute Kinderstube vergesse.“ Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann erklärt etwas umständlich: „Wir machen Kompromisse mit dem Ziel, dass wir in kleinen Schritten die Welt verändern können und auch müssen.“

Feindbild eint die Grünen: FDP-Chef Christian Lindner

Es ist ein für Grünen-Verhältnisse friedlicher Parteitag. Nur wenigen Delegierten ging die Flexibilität der eigenen Leute in den Sondierungsgesprächen zu weit. Ansonsten gibt es viel Lob. Die Debatte nach erfolgreich abgeschlossenen Jamaika-Verhandlungen wäre sicherlich lebendiger geworden.

Vielleicht eint auch ihr Feindbild die Grünen: Fast alle Redner schießen gegen die Liberalen,

. „Die neue FDP ist flüchtlingsfeindlich“, sagt der Parteilinke Jürgen Trittin. „Union und FDP, die brauchen dringend mehr Frauen in ihren Reihen, und weniger Machogehabe“, ruft Parteichefin Simone Peter.

Viel Applaus gibt es für Göring-Eckardt, die den FDP-Chef direkt kritisiert: „Christian Lindner ging es um Christian Lindner.“ Verglichen mit der FDP kommt die CSU, die in den vergangenen Wochen die Grünen immer wieder provozierte, fast gut weg. Insgesamt ist aber eine knappe Woche nach dem Sondierungs-Aus bei den Grünen noch viel Verärgerung und Frust zu spüren.

Grüne über Rückzug der FDP: Verständigung wäre möglich gewesen

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    Beteiligung an Minderheitsregierung nicht ausgeschlossen

    Die Zukunft von Simone Peter ist ungewiss.
    Die Zukunft von Simone Peter ist ungewiss. © dpa | Ralf Hirschberger

    Ein paar von ihnen machen sich schon mal für die Opposition warm – und kritisieren das Bündnis aus Union und SPD, das noch gar nicht existiert. Wenn es wieder eine große Koalition gebe, komme es „massiv“ darauf an, für Klimaschutz, Menschlichkeit, Europa und Weltoffenheit einzustehen, sagt Özdemir. Und Trittin gibt bereits die Marschrichtung vor: „Wir wollen diese große Koalition sozial und ökologisch unter Druck setzen.“

    Weichen für die eigene Zukunft werden auf diesem Parteitag nicht gestellt. Die Delegierten beschließen nur: Wir halten uns eine Beteiligung an einer Minderheitsregierung offen. Wahrscheinlich wird die Parteispitze im Januar neu gewählt. Sollte sich Anfang des Jahres abzeichnen, dass es doch eine Neuwahl gibt, könnte die Wahl des Parteivorstands noch bis Ende Juni aufgeschoben werden.

    Özdemir hält eine kämpferische Rede. So spricht er etwa darüber, dass er der FDP die linksliberalen Wähler abjagen will: „Die liberale Partei Deutschlands ist Bündnis 90/Die Grünen.“ In einem „Tageszeitungs“-Interview hatte Özdemir zuvor angekündigt: „Ich bin noch nicht fertig.“

    Doch seine Zukunft ist unklar. Bereits vor Monaten hatte er angekündigt, dass er nicht mehr für den Parteivorsitz kandidieren wird. In einer Koalition mit CDU, CSU und FDP wäre er Minister geworden. Aber in der Opposition gibt es nun mal weniger attraktive Posten. Als unwahrscheinlich gilt, dass er Anton Hofreiter vom Fraktionsvorsitz verdrängen wird.

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      Robert Habeck könnte neuer starker Mann werden

      Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Bündnis90/Die Grünen) in Berlin auf dem Parteitag.
      Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Bündnis90/Die Grünen) in Berlin auf dem Parteitag. © dpa | Kay Nietfeld

      Ungewiss ist auch die Zukunft von Parteichefin Simone Peter. Selbst auf ihrem linken Flügel hat sie kaum noch Verbündete. Sie sei einfach überfordert, heißt es manchmal. Peter will Parteichefin bleiben, doch die Frage ist, ob die Partei sie lässt. Özdemir nannte vor dem Parteitag eine Reihe von Frauen, die in seinen Augen fähig wären: Agnieszka Brugger, Annalena Baerbock und Katja Dörner. Simone Peter erwähnte er nicht.

      Der neue starke Mann bei den Grünen könnte Robert Habeck werden. Der Umwelt- und Landwirtschaftsminister von Schleswig-Holstein verhandelte hart mit Union und FDP, wofür er sogar Lob von sonst kritischen Parteilinken bekam.

      Und seine Rede auf diesem Parteitag kann man durchaus als Bewerbung auf den Spitzenposten lesen. So redet er über die Ohnmacht der Grünen nach dem Abbruch der Jamaika-Gespräche. „Ich stehe hier mit guten Papieren und leeren Händen“, sagt er über die Ergebnisse der Landwirtschaftsverhandlungen, die er bei den Grünen führte. Dieses Gefühl dürfe nicht zu einer Lähmung der Partei führen. Allen Delegierten in der alten Industriehalle an der Spree dürfte klar sein: Hier spricht einer, der mehr will.