Brüssel. In Brüssel trafen sich die Staatschefs mit Nachbarn aus dem Osten. Die Teilnehmer interessiert auch, wie es in Deutschland weitergeht.

Die Bundeskanzlerin lässt sich nichts anmerken. Lächelnd eilt Angela Merkel am Morgen über den roten Teppich ins Brüsseler EU-Ratsgebäude, grüßt die Reporter freundlich – und tut dann einfach so, als gäbe es rein gar nichts zur Lage in Deutschland zu sagen. Ein nettes Wort über die Beziehung zu den östlichen EU-Nachbarländern, ein Hinweis auf den Ukraine-Konflikt, dann verschwindet Merkel schon im Ratsgebäude.

Klar, bei diesem Treffen geht es um das Partnerschaftsprogramm mit Staaten wie der Ukraine oder Georgien. Aber in Wahrheit ist das eher Routine. Dass die EU die Zusammenarbeit mit den sechs östlichen Partnerländern ausbauen will, aber vorerst keine konkrete Perspektive auf einen EU-Beitritt anbietet, hatte vorher festgestanden. So interessiert auch hier in Brüssel viele Gipfelteilnehmer weitaus mehr, wie es nun weitergeht in Deutschland. Dass die europäische Führungsmacht für längere Zeit nur eingeschränkt handlungsfähig ist in Brüssel, beunruhigt viele Partner sehr.

„Ganz Europa schaut nach Deutschland“

„Ganz Europa schaut nach Deutschland“, sagt etwa der scheidende österreichische Bundeskanzler Christian Kern. „Deutschland ist eines der ganz wesentlichen Führungsländer. Wir wünschen uns alle, dass es rasch zu einer Regierungsbildung kommt“. Der luxemburgische Regierungschef Xavier Bettel sagt: „Wir brauchen einen deutschen Partner, der auch eine stabile Regierung hat“. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der sich beim Gipfel von seinem Premierminister Édouard Philippe vertreten lässt, hatte seine Sorgen schon zuvor zu Protokoll gegeben.

Was darf eine geschäftsführende Regierung?

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    Auch wenn sich einige andere Regierungschefs mit öffentlichen Mahnungen an Berlin zurückhalten – die Geduld in Brüssel geht zu Ende. Merkel spürt das. Sie äußert sich deshalb am Nachmittag doch noch knapp zur Krise daheim: „Wir werden als geschäftsführende Bundesregierung natürlich unseren europäischen Verpflichtungen voll nachkommen und uns aktiv einbringen“, versichert die Kanzlerin. So habe sie es ihren Kollegen beim Gipfel auf Nachfragen zugesagt. Die Reaktion war Merkel zufolge ein „gutes Nicken“. Aber genügt das?

    Tusk wollte Gipfel schon absagen

    Spätestens beim nächsten EU-Gipfel Mitte Dezember hätte Merkel zusammen mit Frankreichs Präsident Macron eigentlich den europäischen Reformmotor anwerfen sollen: Dann stehen schon Vorschläge für eine Reform der Währungsunion zur Debatte, umstrittene Ideen wie ein europäischer Finanzminister oder ein Eurozonen-Budget eingeschlossen. Ohne Positionierung der Bundesregierung macht die Debatte wenig Sinn.

    Ratspräsident Donald Tusk hat deshalb schon überlegt, einen Euro-Sondergipfel wegen der deutschen Malaise wieder abzusagen. Für Macron ist es noch schwerer: Er hat ja eine Reihe weiterer Vorschläge gemacht, wie die europäische Integration voranzubringen und zugleich der Rückhalt für die EU bei den Bürgern zu erhöhen wäre – sehnsüchtig und bisher vergeblich erwartet er eine substanzielle Antwort der Kanzlerin.

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      Oettinger besorgt über deutsche Regierung

      Sehr bald wird sich die EU auch über so knifflige Fragen wie die Asylrechtsreform befassen müssen. Und im Hintergrund baut sich mit der mittelfristigen EU-Finanzplanung ab 2020 bereits ein großer Konflikt auf. Auch deshalb zeigt sich der zuständige EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger jetzt so besorgt über die „nur eingeschränkt handlungsfähige“ deutsche Regierung.

      Hinter den Kulissen hat das Tauziehen um die EU-Finanzen ja längst begonnen – auch die Bundesregierung müsste agieren. Allerdings, noch hält sich der Schaden in Grenzen. In der Praxis der Brüsseler Verhandlungsmaschinerie habe sich die lange Regierungsbildung in Berlin bislang nicht negativ ausgewirkt, versichern Diplomaten. Wirklich heikle Entscheidungen stünden erst nächstes Jahr an.

      Tusk trifft sich mit May

      Eine Ausnahme gibt es: Die brisante Frage, wie es mit den Brexitverhandlungen weiter gehen soll. Da freilich hat die Bundesregierung bisher ihre harte Linie bei den EU-Partnern durchsetzen können. Die Briten versuchen aber, die Front zu durchlöchern.

      Als Merkel am Freitag schon abgereist ist, trifft sich Ratspräsident Tusk mit der britischen Premierministerin Theresa May, um den Stand der Brexit-Verhandlungen zu besprechen. Nächste Woche besucht May erneut Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Dann werde man sehen, meint Juncker, „ob es ausreichenden Fortschritt gibt“.

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