Berlin. Die Spitzen von Union, Grünen und FDP haben ihre Sondierungen wieder aufgenommen. Doch zumindest bei der CSU herrscht Skepsis vor.

Am frühen Freitagmorgen war dann doch erstmal Schluss – nach etwa 15 Stunden Beratungen. Die Unterhändler der Jamaika-Parteien CDU, CSU, FDP und Grünen vertagten ihre Sondierungen auf den Mittag. Auch am Samstag solle noch weiter verhandelt werden, hieß es. Das Pokern der Parteien um ihre Positionen war in der eigentlich letzten Runde dann doch nervenaufreibend. Danach zeigten sich alle Unterhändler dennoch zuversichtlich. Konkrete Ergebnisse wurden jedoch nicht genannt.

Zu Beginn der neuen Sondierungsrunde am Freitagmittag zeigte sich der CSU-Politiker Alexander Dobrindt skeptisch, was einen Erfolg der Gespräche betrifft. Der CSU-Landesgruppenchef sieht die Sondierungen für ein Jamaika-Bündnis auf der Kippe.

Einigung noch weit entfernt

„Die Chance ist noch da“, sagte Dobrindt am Freitag nach Teilnehmerangaben in einer CSU-Landesgruppensitzung im Bundestag in Berlin. Er fügte allerdings hinzu: „Ehrlicherweise hängt es am seidenen Faden.“ In der Nacht zuvor sei eine Einigung jedenfalls „nicht im Ansatz“ herstellbar gewesen.

Bürger wollen bei Sondierungen Ergebnisse sehen

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    CDU sagt Konferenzen ab

    NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) erwartet Verhandlungen bis Sonntag. Als Streitthemen nannte er am Freitag Migration, Landwirtschaft, Verkehr und Energie. Es würden alle strittigen Themen aufgerufen: „Und dann wird man über das Wochenende sehen, ob es geht oder ob es nicht geht.“ Die Kernfrage sei: „Wie viele Kompromisse kann man eingehen, ohne das eigene Profil zu verlieren?“

    Wegen der Sondierungen sagt die CDU zwei Regionalkonferenzen mit Merkel am Sonntag und Montag ab. Grund sei die Unsicherheit, wie lange die Gespräche dauern könnten.

    Die Sondierer-Runde am Freitag tagte übrigens in der CDU-Zentrale, also im Berliner Konrad-Adenauer-Haus und nicht, wie bisher, in der Parlamentarischen Gesellschaft. Dabei kam es am Freitag zu ungewöhnlichen „Begegnungen“. Grünen-Unterhändlerin Claudia Roth etwa posierte neben einem lebensgroßen Papp-Adenauer:

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    FDP: Soli bis 2021 abschaffen

    Die FDP besteht in den Gesprächen auf einer vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags in den nächsten vier Jahren: „Wir sind für jedes kreative Modell offen, wenn es dazu führt, dass der Solidaritätszuschlag bis zum Ende der Legislaturperiode abgeschafft wird“, sagte FDP-Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann unserer Redaktion.

    Die Jamaika-Sondierer hatten sich bereits darauf verständigt, den Soli schrittweise abzubauen, wie es in einem Entwurf für ein Einigungspapier heißt. Streit gibt es aber noch über die Frage, ob der Zuschlag vollständig oder nur teilweise abgeschafft werden soll. Ein entsprechendes Kompromissangebot lehnen die Liberalen ab.

    Kubicki: „Verhandeln bis ich umfalle“

    FDP-Vize Wolfgang Kubicki rechnet mit langen Verhandlungen. „Wir haben von den hundert Punkten zwei besprochen und beim dritten sind wir hängen geblieben.“ Auf die Frage, wann die Gespräche keinen Sinn mehr machten, antwortet er: „Wenn ich vor Ermüdung einfach umfalle.“

    FDP-Chef Christian Lindner betonte, dass ein Bündnis der vier unterschiedlichen Parteien zustande kommen könnte. Ein solches „historisches Projekt darf nicht an ein paar Stunden, die fehlen, scheitern“, sagte er nach den etwa 15 Stunden langen Beratungen. Die Unterhändler hätten in vielen Bereichen Gemeinsamkeiten festgestellt.

    Die Grünen bleiben kompromissbereit

    Auch Kanzleramtschef Peter Altmaier gab sich zuversichtlich. „Ich halte die Probleme für lösbar“, sagte er am Freitag in der ARD. „Man kann zusammenkommen, wenn man zusammenkommen möchte.“ Er könne zwar nicht sagen, ob die Verständigung morgen oder übermorgen gelinge, doch sehe er Chancen für eine Einigung.

    Angela Merkel (CDU) kommt nach dem Abbruch der Sondierungsgespräche aus der parlamentarischen Gesellschaft.
    Angela Merkel (CDU) kommt nach dem Abbruch der Sondierungsgespräche aus der parlamentarischen Gesellschaft. © dpa | Michael Kappeler

    Kanzlerin Angela Merkel sagte nach Ende der Gespräche nur: „Guten Morgen. Heute geht’s weiter.“

    Die Grünen bleiben nach Worten ihrer Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt trotz der erfolglosen Jamaika-Sondierungsrunde kompromissbereit. „Wir sind bereit zu sprechen und hoffen, dass es ein Ergebnis gibt“, sagte Göring-Eckardt in einer Twitter-Videobotschaft an die Grünen-Mitglieder. „Wir haben heute lange verhandelt, wir haben immer wieder Angebote gemacht, versucht Kompromisse zu schließen“, sagte Göring-Eckardt: „Wir sind an Schmerzpunkte gegangen.“ Zugleich schloss sie aber nicht aus: „Es kann immer noch sein: Es gibt kein Ergebnis.“

    Jamaika-Verhandlungen stocken - Streit um Flüchtlingspolitik

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      Massive Differenzen ließen Gespräche stocken

      Cem Özdemir, Ursula von der Leyen und Peter Altmaier (v.l.).
      Cem Özdemir, Ursula von der Leyen und Peter Altmaier (v.l.). © dpa | Kay Nietfeld

      Am späten Donnerstagabend waren die Sondierungen über ein Jamaika-Bündnis wegen massiver Differenzen beim Klimaschutz, dem Familiennachzug von Flüchtlingen, beim Abbau des Solidaritätszuschlags und letztlich wieder bei den Finanzen ins Stocken geraten.

      Daraufhin bemühten sich die Verhandlungsführer in Einzelgesprächen wieder Bewegung in die Gespräche zu bringen. So habe CSU-Chef Horst Seehofer nicht nur mit Merkel und dem hessischen CDU-Regierungschef Volker Bouffier gesprochen, sondern auch mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne), hieß es.

      Vieles hängt am Flüchtlingsthema

      Vieles hängt den Angaben zufolge am Flüchtlingsthema und dabei besonders an der Unionsforderung, den bis März 2018 befristeten Stopp des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus zu verlängern.

      Die Grünen wollen die Regelung auslaufen lassen und den Nachzug wieder ermöglichen. Sie zeigten sich dann aber dem Vernehmen nach gesprächsbereit. Das Angebot von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei Klimaschutz und Kohleausstieg sahen sie als ersten Schritt, der annehmbar sei, wenn sich die CSU beim Thema Flüchtlinge bewege.

      Merkel bietet Reduzierung der Kohlestromproduktion

      Merkel hatte eine Reduzierung der Kohlestromproduktion um sieben Gigawatt angeboten. Union und FDP hatten ursprünglich nur drei bis fünf Gigawatt zugestehen wollen, die Grünen wollten acht bis zehn Gigawatt. Dem Vernehmen nach sollte es dabei um Strom aus Braunkohle gehen. Die Produktion sollte allerdings im Einvernehmen mit den Kraftwerksbetreibern reduziert werden.

      Die Grünen kündigten schon vor Beginn der entscheidenden Runde an, auf ihre bisherige Forderung nach einer höheren Dieselsteuer zu verzichten. Dies erfordere aber Gegenleistungen der anderen Parteien. Fraktionschef Anton Hofreiter zählte dazu unter anderem strengere Regeln für den Kohlendioxid-Ausstoß, ein Bonus-Malus-System in der Kfz-Steuer als Kaufanreiz für emissionsarme Pkw sowie wirksame Lösungen für gesunde Luft in den Städten.

      Details zum Soli-Abbau weiter umstritten

      Den Angaben zufolge haben die Verhandlungsführer um Merkel auch lange mit dem geschäftsführenden Finanzminister Altmaier über die Finanzierung verschiedener Projekte beraten. Zum Abbau des Solis, der entscheidend für den finanziellen Spielraum der künftigen Regierung ist, hieß es in einem Verhandlungspapier: „Der Solidaritätszuschlag wird schrittweise abgebaut.“ Allerdings waren die Details der vorgesehenen drei Stufen weiter umstritten.

      Die Sondierungsgespräche sollen am Mittag in Berlin fortgesetzt werden. (dpa/rtr/jha)