Berlin. Die Junge Union fordert Seehofers Rücktritt und erzielt einen Achtungserfolg: Die Kritik wirkt, der waidwunde CSU-Vorsitzende reagiert.
Er wollte schweigen, seine Gegner ätzen: Kritik aussitzen. Am Sonntag brach Horst Seehofer beide Vorsätze. Der CSU-Chef hat geredet und so
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gezeigt. Wenige Sätze nur. Und doch gaben sie einen Einblick in seine Seelenlage: Es zerreißt ihn.
Auf der einen Seite will sich der bayrische Ministerpräsident „in keiner Weise beeinflussen“ lassen, zumal mitten in
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in Berlin. Danach werde es von ihm „eine klare und deutliche Reaktion“ geben, kündigte er in der „Bild am Sonntag“ an. Noch immer glaubt er, sein Schicksal hänge am Ergebnis der „Jamaika“-Gespräche. Einstimmig beschlossen im Vorstand war, die
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auch so lange ruhen zu lassen.
Forderung der Jungen Union war kalkuliert
Auf der anderen Seite konnte er sich selbst nicht länger daran halten. Denn am Sonnabend hatten ihm nicht irgendwelche Kreisvorstände, sondern mit der Jungen Union ein relevanter Parteiverband den Rückzug nahegelegt. Die Forderung war kein Querschläger. Sie war ein gezielter Schuss.
Seit der Bundestagswahl erlebe er ein „ununterbrochenes Trommelfeuer gegen meine Person“, klagte Seehofer. Das sei ohne Frage „schädlich“. Die Frage ist nur, für wen das am meisten gilt, für ihn, für die Partei oder gar die Gespräche in Berlin mit der CDU, den Grünen und der
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Gauweiler machte den ersten Zug gegen den Parteichef
Seehofers Zermürbung folgt einer unerbittlichen Strategie, Zug um Zug. Wenn das Endspiel auf einem Parteitag im Dezember ansteht, dann hat die JU am Wochenende zumindest das Mittelspiel eingeläutet.
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einem Mann, der klug, gebildet und unabhängig ist.
„Horst, es ist Zeit“, sagte er umgehend nach dem historisch schlechten CSU-Ergebnis bei der Bundestagswahl. Es war eine kleine Anleihe aus einem Rilke-Gedicht. Was folgte, war ein Drama, frei nach Schiller: Die CSU rast und fordert ein Opfer.
CSU-Parteikollegen sehen Verlust an Glaubwürdigkeit
Gauweiler und Seehofer sind ein Jahrgang (1949), zu ihren besten Zeiten waren sie ein Gespann. Bis März 2015 war Gauweiler einer von Seehofers Stellvertretern. Nach der Bundestagswahl analysierte der „schwarze Peter“, man könne nicht gleichzeitig Hü und Hott sagen, die Politik der CDU-Kanzlerin verurteilen, „wenn die eigene CSU-Landesgruppe im Bundestag „diese Politik faktisch in allem mitträgt“.
Sein Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ ist bis heute der intellektuelle Unterbau der Kritik. Im Kern wirft sie die Frage nach der Glaubwürdigkeit auf. „Wir hatten keinen Verlust an Ideen, wir hatten ein Stück Verlust an Glaubwürdigkeit“, sagte Bayerns Finanzminister Markus Söder auf der JU-Versammlung. Es müsse wieder gelten: „Eine Partei, ein Wort.“ Die JU habe Rückgrat gezeigt – „meinen Respekt davor, toll gemacht.“
Die JU hatte zuvor erklärt, „für einen Erfolg bei der Landtagswahl im kommenden Jahr braucht es einen glaubwürdigen personellen Neuanfang“. JU-Chef Hans Reichhart: „Wir wollen ein neues Gesicht als Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2018“.
Warum sagte Seehofer Auftritt bei Junger Union ab?
Der Nachwuchs war sauer, weil Seehofer seinen Gastauftritt abgesagt hatte. Der CSU-Chef hätte sich bei der JU-Landesversammlung der Kritik stellen müssen, sagte Reichhart. „Da kann man nicht sagen: Diskutiert nicht über die Ursachen.“ Umgekehrt wird allerdings auch ein Schuh daraus: Sagte Seehofer womöglich ab, weil er nicht auf offener Bühne vorgeführt werden wollte?
Gauweilers Kritik konnte Seehofer noch als Einzelstimme an sich abtropfen lassen. Aber danach stellte sich mehr und mehr heraus, dass hinter der Kritik System steckt, eine feine abgestimmte Abfolge von Nadelstichen.
Oberbayerische Front gegen Horst Seehofer
Acht oberbayerische CSU-Kreisvorsitzende forderten in einem Brief einen personellen Übergang. Die meisten kamen – wie Gauweiler – aus München und Umgebung. Auch der Münchner Bürgermeister Josef Schmid verband seinen Wechsel in die Landespolitik mit Kritik an Seehofer.
Bei einem internen Treffen wurde die oberbayrische Bezirkschefin Ilse Aigner – Seehofers Wirtschaftsministerin – von gut einem Dutzend Parlamentariern aufgefordert, sich vom Ministerpräsidenten zu emanzipieren und ein „reales Stimmungsbild“ wiederzugeben.
Hans-Peter Friedrich von Seehofer zurückgepfiffen
Auch aus der Oberpfalz, Niederbayern und Oberfranken kommen Rufe nach einem Wechsel. Drei von zehn Bezirksvorständen – die Oberpfalz, Oberfranken und München – forderten intern einen „geordneten Übergang“.
Franken ist die Heimat Söders, der Ministerpräsident werden will, möglichst bereits 2018. Aus Franken kommt auch Hans-Peter Friedrich, der frühere Bundesinnenminister. Er hätte gern für den Vorsitz der CSU-Landesgruppe in Berlin kandidiert, wurde aber von Seehofer zurückgepfiffen. Er setzte stattdessen den Oberbayern Alexander Dobrindt durch.
Das sind die Vorsitzenden der CSU
Seehofers Kritiker hätten unter Söder bessere Karten
Und so kommt denn vieles zusammen: Fundierte Kritik, Frust über das schlechte Abschneiden in Berlin, Zweifel an Seehofers Zugkraft bei der bayrischen Landtagswahl 2018, Angst um den Verlust der absoluten Mehrheit, schlussendlich auch Karrierepläne.
Die CSU wird in Berlin zwei bis drei Kabinettsposten besetzen, gleichzeitig hat Seehofer auch eine Regierungsumbildung im Freistaat angekündigt. Wer sich schon jetzt gegen ihn positioniert hat, der kann sich ausrechnen, dass er leer ausgehen wird und bei Söder bessere Karten hat.
Machtfrage in der CSU verträgt keinen Aufschub
Wie eine Kampfkandidatur ausgehen würde, ist offen. Momentan verschaffen sich Seehofers Kritiker Gehör. Aber ihm sind noch viele Unterstützer geblieben, Dobrindt, Aigner oder etwa der Europapolitiker Manfred Weber.
Die Beschlusslage ist klar, „es bleibt dabei, dass innerparteiliche Fragen der CSU erst nach Abschluss der Sondierungsgespräche diskutiert werden sollten“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Aber die Machtfrage verträgt keinen Aufschub. Wen kann man mit der Beschlusslage noch disziplinieren?