Berlin. Einem Bericht der „Bild“-Zeitung zufolge wissen die Behörden nicht, wo sich 30.000 abgelehnte Asylbewerber aufhalten. Ein Rechenfehler?

Das Bundesinnenministerium und Experten kritisieren einen Bericht der „Bild“-Zeitung, in dem das Blatt behauptet, dass mehr als 30.000 abgelehnte und sofort ausreisepflichtige Asylbewerber verschwunden seien. Die Berichterstattung gehe „von einer unzutreffenden Berechnung aus“, so ein Sprecher des Innenministeriums gegenüber unserer Redaktion.

Die Zahl 30.000 ergebe sich laut „Bild“ aus der Differenz zwischen der Zahl der Ausreisepflichtigen und der Zahl der Leistungsbezieher nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Vereinfacht gesprochen: Ausreisepflichtige Personen, die keine Asyl-Leistungen beziehen, bewegen sich angeblich unter dem Radar der Behörden.

„Bild“ spricht von unfassbarem Skandal

Die Berechnung der „Bild“ lautet im Detail wie folgt: Laut dem Ausländerzentralregister sind mit Stand Dezember 2016 rund 54.000 Personen als ausreisepflichtig gemeldet gewesen. Dem stellt der Bericht die Zahl des Statistischen Bundesamts von 23.000 Personen gegenüber, die im Jahr 2016 Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen haben. Die „Bild“ folgert daraus: „Neuer, unfassbarer Behörden-Skandal“. Die Regierung wisse nicht, wo mehr als 30.000 abgelehnte und vollziehbar ausreisepflichtige Asylbewerber derzeit seien.

Alles andere als eine seriöse Schlussfolgerung, sagen Kritiker. Denn nur etwa die Hälfte der ausreisepflichtigen Personen in Deutschland sind dem „Deutschlandfunk“ zufolge überhaupt Flüchtlinge im weiteren Sinne. Die andere Hälfte sind Ausländer, die zum Beispiel straffällig geworden sind und ohnehin keine Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen. „Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen“, schlussfolgert der Sender. Auch das Statistische Bundesamt betont laut „Deutschlandfunk“ inzwischen, dass die Zahlen des Amts für eine solche Berechnung nicht taugen würden.

Ablehnungen können jahrzehntelang zurückliegen

Auch das Bundesinnenministerium kritisiert die Schlussfolgerung des Berichts ganz deutlich. „Weder alle Ausreisepflichtigen noch die Gruppe der ausreisepflichtigen abgelehnten Asylbewerber beziehen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz“, teilte der Ministeriums-Sprecher auf Anfrage unserer Redaktion mit.

Zudem verweist das Ministerium noch auf eine methodische Feinheit: „Ablehnungen eines Asylantrages bleiben dauerhaft im Ausländerzentralregister gespeichert und werden allenfalls bei einem erneuten Asylantrag überschrieben. Demzufolge kann im Einzelfall die Ablehnung bereits jahrzehntelang zurückliegen.“ (les)