Istanbul. Peter Steudtner hat das Silivri-Gefängnis in Istanbul verlassen. Der deutsche Menschenrechtler bedankte sich bei seinen Unterstützern.

Wenige Stunden nach der Gerichtsanordnung zur Haftverschonung hat der Berliner Menschenrechtler Peter Steudtner das Silivri-Gefängnis in Istanbul verlassen. Steudtner bedankte sich bei seinen Unterstützern und der Bundesregierung. „Wir sind mehr als erleichtert. Wir sind allen sehr dankbar, die uns unterstützt haben, rechtlich und diplomatisch“, sagte Steudtner, der mehr als drei Monate lang in Untersuchungshaft gesessen hatte.

Der Anwalt von Steudtner und Gharavi, Murat Boduroglu, sagte der Deutschen Presse-Agentur, seine Mandanten würden voraussichtlich am Abend nach Berlin fliegen. Ein Istanbuler Gericht hatte am Mittwoch zu Prozessauftakt auf Antrag der Staatsanwaltschaft seine Haftentlassung auf Kaution verfügt.

Hat Altkanzler Schröder Freilassung erwirkt?

Altkanzler Gerhard Schröder soll bei der Freilassung des Menschenrechtlers eine zentrale Rolle gespielt haben. Nach Informationen des „RedaktionsNetzwerks Deutschland“ soll Schröder bei einem Treffen mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan auf die Freilassung hingewirkt haben.

Dem Bericht zufolge soll Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) Schröder als Vermittler eingeschaltet haben und dies mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) abgesprochen haben. Im Gespräch mit dem „Spiegel“ bestätigte Sigmar Gabriel die Bemühungen Schröders.

Mit ihm wurden sieben weitere Angeklagte vorläufig aus der Haft entlassen, darunter die Direktorin der türkischen Sektion von Amnesty International, Idil Eser, und Steudtners schwedischer Kollege Ali Gharavi. Eine Ausnahme stellt der ebenfalls angeklagte Amnesty-Vorsitzende der Türkei, Taner Kilic, dar. Er ist wegen eines anderen Verfahrens in Untersuchungshaft, das am Donnerstag in Izmir beginnen soll.

Bundesregierung begrüßt Aufhebung der Untersuchungshaft

Der nächste Prozesstermin für Steudtner ist am 22. November. Er muss bis dahin nicht in der Türkei bleiben. Steudtner, Gharavi und neun weiteren Angeklagten wird Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation“ beziehungsweise „Unterstützung von bewaffneten Terrororganisationen“ vorgeworfen, worauf bis zu 15 Jahren Haft stehen.

Prozess gegen Steudtner in Istanbul begonnen

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    Die Bundesregierung hat die Freilassung Steudtners aus der Untersuchungshaft begrüßt. „Endlich! Peter Steudtner und weitere Menschenrechtler kommen frei“, schrieb Regierungssprecher Steffen Seibert am späten Mittwochabend bei Twitter. „Wir freuen uns mit ihnen + denken an die, die immer noch in Haft sind.“

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    Steudtner weist Terrorvorwürfe zurück

    Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat mit „Freude und Erleichterung“ auf die Freilassung reagiert. „Der Alptraum hat ein Ende“, erklärte Müller am Donnerstag.

    Die Grünen-Politikerin Claudia Roth sieht in der Freilassung Steudtners „keinen Grund zur Entwarnung“. Roth sagte am Donnerstag auf NDR Info, man dürfe nicht vergessen, dass das Ende der Untersuchungshaft kein Freispruch sei. „Der Prozess geht weiter. Das ist völlig unverständlich, denn die Anklage gegen die Menschenrechtsverteidiger war völlig aus der Luft gegriffen und durch überhaupt nichts zu rechtfertigen“, sagte Roth.

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    am Mittwoch die gegen ihn erhobenen Terrorvorwürfe zurückgewiesen und seine Entlassung aus der Untersuchungshaft gefordert. „Ich plädiere in allen Anklagepunkten auf nicht schuldig und bitte um meine sofortige und bedingungslose Freilassung“, sagte er in seiner rund 40-minütigen Verteidigung am ersten Verhandlungstag vor dem Istanbuler Gericht. „Ich habe nie in meinem Leben irgendeine militante oder terroristische Organisation unterstützt.“

    Steudtner betonte weiter, seine Arbeit als Menschenrechtstrainer sei in den vergangenen 20 Jahren stets auf Menschenrechte, Gewaltfreiheit und Friedensbildung ausgerichtet gewesen. Sein Fokus habe zudem auf afrikanischen Ländern gelegen. „Ich habe mich nie auf türkische Organisationen konzentriert oder mit ihnen gearbeitet“, sagte er. Steudtner bedankte sich zudem beim Gericht, dass er die Möglichkeit dazu habe, sich zu verteidigen. Er betonte seine Bereitschaft zur Mitarbeit bei dem juristischen Verfahren, wie er es bisher getan habe.

    Im Juli unter Terrorverdacht festgenommen

    Die Amnesty-Landesdirektorin Idil Eser wies vor Gericht alle Vorwürfe zurück und sagte: „Menschenrechte verteidigen ist keine Straftat.“ Ali Gharavi wies ebenfalls alle Terrorvorwürfe von sich und sagte: „Ich weiß nicht, wer all diese Terrororganisationen sind. Ich erwarte meine sofortige und bedingungslose Freilassung aus dieser Foltersituation.“

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      Die Untersuchungshaft machte dem Schweden sichtlich zu schaffen. Als Kind sei er von seiner Flucht aus dem Iran traumatisiert worden und habe das Trauma erst nach Jahren bewältigen können, sagte er. Alle Angeklagten, die zum Prozessauftakt am Mittwoch aussagten, wiesen die Vorwürfe zurück.

      Festnahme bei einem Workshop

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      waren am 5. Juli bei einem Workshop auf einer Insel bei Istanbul unter Terrorverdacht festgenommen worden. Die beiden Ausländer waren als Referenten zu dem Seminar eingeladen gewesen, bei dem es laut Amnesty International um digitale Sicherheit und die Bewältigung von Stresssituationen ging.

      Am 18. Juli verhängte ein Gericht in Istanbul daraufhin Untersuchungshaft gegen Steudtner und Gharavi und mehrere andere Beschuldigte. Kilic war bereits im Juni im westtürkischen Izmir in U-Haft genommen worden, sein Fall wurde der Anklageschrift überraschend hinzugefügt. (rtr/dpa)