Berlin. Raue Töne prägen die erste Sitzung des Parlaments. Der frisch gewählte Präsident Wolfgang Schäuble mahnt zu Respekt – auch vor der AfD.

Das Klima ist rauer, der Ton schärfer. Aber die Debatte ist lebendig wie lange nicht: Der neue Bundestag liefert schon am ersten Sitzungstag eine Kostprobe, wie es in den nächsten Jahren im Parlament zugehen kann. Und es dauert keine halbe Stunde, da steht der erste NS-Vergleich im Raum.

Bevor es an diesem Dienstag überhaupt richtig losgeht, will die AfD die Regeln ändern. Sie wollen nicht hinnehmen, was die anderen Parteien kurz vor dem Einzug der AfD ins Parlament beschlossen haben: Dass nicht der älteste, sondern der dienstälteste Abgeordnete die Sitzung eröffnet. Weshalb es nun der FDP-Abgeordnete Hermann Otto Solms macht und nicht der etwas ältere AfD-Abgeordnete Wilhelm von Gottberg.

Die AfD erwähnt Hermann Göring als Reichstagspräsident

Der Antrag wird abgeschmettert. Die AfD-Leute lachen laut auf. Sie haben es nicht anders erwartet. Später aber legen sie nach – und werfen den anderen Parteien vor, sie hätten, nur um einen AfD-Mann zu verhindern, zum ersten Mal die geübte Tradition über den Haufen geworfen. Nein, nicht zum ersten Mal, korrigiert sich Bernd Baumann, Abgeordneter aus Hamburg und AfD-Fraktionsgeschäftsführer. 1933 habe Hermann Göring als Reichstagspräsident das Gleiche gemacht, um die KPD-Politikerin Clara Zetkin zu verhindern. Ein Raunen geht durch den Saal.

Wolfgang Schäuble nach seiner Wahl zum neuen Bundestagspräsidenten.
Wolfgang Schäuble nach seiner Wahl zum neuen Bundestagspräsidenten. © Getty Images | Carsten Koall

Der nächste Redner ist SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider. Er übergeht die AfD, greift Kanzlerin Angela Merkel (CDU) direkt an: „Ihr Politikstil, Frau Merkel, ist ein Grund dafür, dass wir heute eine rechtspopulistische Partei hier im Bundestag haben.“ Das wiederum kann die CDU nicht auf sich sitzen lassen. Die SPD suche wohl immer noch den Schuldigen für ihre Niederlage bei der Bundestagswahl. „Aber suchen Sie nicht im Kanzleramt, suchen Sie im Willy-Brandt-Haus“, ruft Schneiders CDU-Kollege Michael Grosse-Brömer. „Das geht schneller.“ Der FDP aber lässt die Sache mit dem NS-Vergleich keine Ruhe, FDP-Fraktionsmanager Marco Buschmann tritt ans Mikrofon: „Dass Sie sich mit den Opfern Hermann Görings vergleichen … !“ Er holt Luft. „Da haben Sie sich an Geschmacklosigkeit mal wieder selbst übertroffen.“

Merkel geht grußlos an den neuen AfD-Abgeordneten vorbei

Mit der AfD wird vieles anders, das zeigen auch Kleinigkeiten: Drei Minuten vor Sitzungsbeginn kommt Angela Merkel über die Seitentreppe in den Saal. Sie muss sich durch die Grüppchen der AfD-Abgeordneten schieben, sie stehen ihr im Weg. Niemand grüßt sie. Auch Merkel geht grußlos an den Neuen vorbei.

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Den ersten Halt macht sie bei FDP-Chef Christian Lindner, den nächsten Stopp bei den Grünen. Händeschütteln mit den künftigen Koalitionspartnern? Der Eindruck, dass Jamaika längst als ausgemachte Sache gilt, wird sich später noch verstärken. Union, Grüne und FDP etwa verweigern einem Vorstoß der SPD die Zustimmung, der vorsieht, dass der Regierungschef künftig einmal pro Quartal dem Parlament Rede und Antwort stehen muss.

Die Regierung ist jetzt geschäftsführend im Amt

Merkel setzt sich an diesem Tag in die Reihen der Abgeordneten. Mit der ersten Sitzung des neuen Bundestags endet die Amtszeit der alten Regierung. Wie im Grundgesetz vorgesehen, bat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Merkel allerdings am Morgen, die Amtsgeschäfte bis zur Bildung einer neuen Regierung fortzuführen.

Schäuble mahnt respektvolle Debattenkultur im Bundestag an

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    Ein paar Meter von Merkel entfernt bleiben die AfD-Abgeordneten weiter unter sich, nur ganz wenige reichen ihnen die Hand, darunter ein paar der direkten Sitznachbarn von der FDP. Die Neuen zeigen sich ungerührt vom kühlen Empfang. Beatrix von Storch macht ein Selfie nach dem anderen, die Fraktionschefs, Alexander Gauland im üblichen Tweed-Jackett und Alice Weidel in hellbraunen Baumwollhosen, sehen aus wie ein Paar auf Landpartie, das sich ins hohe Haus verirrt hat. Auffallend ist, wie laut die AfD ist, wenn sie klatscht: Aber es sind eben auch fast nur Männerhände, die sich hier rühren.

    Eine der wenigen Frauen in diesem Block sitzt ganz hinten, in der letzten Reihe. Die fraktionslose Frauke Petry ist nicht nur politisch isoliert, sondern sitzt auch räumlich im Abseits. Ein paar Mal drehen sich ihre ehemaligen Parteifreunde zu ihr um. Weil auffällt, dass sich Petry bei allen Abstimmungen enthält. So, als gehöre sie überhaupt nicht zum politischen Betrieb.

    AfD-Kandidat Glaser scheitert nach drei Wahlgängen

    Bei den anderen Parteien dagegen herrscht an diesem Morgen eine Stimmung wie am ersten Tag nach den Sommerferien. Aufgekratzt, herzlich. Die meisten kennen sich seit Jahren, doch niemand freut sich so expressiv über das Widersehen wie Grünen-Ikone Claudia Roth. Selbst ein geübter Charmeur wie FDP-Mann Wolfgang Kubicki weiß gar nicht, wie ihm geschieht: Die Grüne fällt ihm um den Hals, legt dann die Hand auf seine Schulter, hält Körperkontakt, während sie mit ihm schwatzt. Drei Stunden später ist Wolfgang Schäuble neuer Bundestagspräsident und die beiden seine Vizepräsidenten – genauso wie Petra Pau von der Linken, Hans-Peter Friedrich von der CSU und – denkbar knapp – Thomas Oppermann von der SPD. Kubickis erste Amtshandlung: Er schenkt Claudia Roth seinen Blumenstrauß.

    Der Auftakt zum 19. Bundestag in Bildern

    Am Dienstag ist der Bundestag in die 19. Legislaturperiode gestartet. Unter besonderer Beobachtung standen dabei die Abgeordneten der AfD. Am Vormittag versammelten sich die Abgeordneten zum ersten Mal im Plenarsaal des Reichstags in Berlin.
    Am Dienstag ist der Bundestag in die 19. Legislaturperiode gestartet. Unter besonderer Beobachtung standen dabei die Abgeordneten der AfD. Am Vormittag versammelten sich die Abgeordneten zum ersten Mal im Plenarsaal des Reichstags in Berlin. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Selfie mit der Fraktionsvorsitzenden: Die Grünen-Abgeordneten Lisa Badum (li.) und Claudia Müller (re.) lächeln fürs Foto mit Katrin Göring-Eckardt.
    Selfie mit der Fraktionsvorsitzenden: Die Grünen-Abgeordneten Lisa Badum (li.) und Claudia Müller (re.) lächeln fürs Foto mit Katrin Göring-Eckardt. © dpa | Ralf Hirschberger
    Der gerade gewählte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) an seinem neuen Arbeitsplatz.
    Der gerade gewählte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) an seinem neuen Arbeitsplatz. © dpa | Wolfgang Kumm
    Kanzlerin Merkel gratuliert Wolfgang Schäuble zu seinem neuen Amt.
    Kanzlerin Merkel gratuliert Wolfgang Schäuble zu seinem neuen Amt. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland (re.) verneigt sich bei seiner Gratulation vor Wolfgang Schäuble.
    Der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland (re.) verneigt sich bei seiner Gratulation vor Wolfgang Schäuble. © dpa | Ralf Hirschberger
    Applaus für Wolfgang Schäuble: Der langjährige Finanzminister wurde gerade eben zum neuen Bundestagspräsidenten gewählt.
    Applaus für Wolfgang Schäuble: Der langjährige Finanzminister wurde gerade eben zum neuen Bundestagspräsidenten gewählt. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Die fraktionslose Abgeordnete Frauke Petry gibt ihre Stimme bei der Wahl des Bundestagspräsidenten ab.
    Die fraktionslose Abgeordnete Frauke Petry gibt ihre Stimme bei der Wahl des Bundestagspräsidenten ab. © dpa | Ralf Hirschberger
    An seiner Personalie hat sich die erste Kontroverse im neuen Bundestag entzündet: Die AfD will ihren Abgeordneten Albrecht Glaser zum Vize-Präsidenten des Bundestags wählen lassen. Der 75-Jährige fiel aber in den ersten drei Wahlgängen durch.
    An seiner Personalie hat sich die erste Kontroverse im neuen Bundestag entzündet: Die AfD will ihren Abgeordneten Albrecht Glaser zum Vize-Präsidenten des Bundestags wählen lassen. Der 75-Jährige fiel aber in den ersten drei Wahlgängen durch. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Die AfD-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel (v. li. n. r.) und Alexander Gauland sprechen nach dem dritten Wahlgang mit dem wegen seiner Äußerungen zum Islam umstrittenen Abgeordneten Albrecht Glaser.
    Die AfD-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel (v. li. n. r.) und Alexander Gauland sprechen nach dem dritten Wahlgang mit dem wegen seiner Äußerungen zum Islam umstrittenen Abgeordneten Albrecht Glaser. © dpa | Kay Nietfeld
    Die FDP-Abgeordneten hatten derweil schon Wolfgang Kubicki gratuliert. Anders als Glaser verlief seiner Wahl zum Bundestagsvizepräsidenten glatt.
    Die FDP-Abgeordneten hatten derweil schon Wolfgang Kubicki gratuliert. Anders als Glaser verlief seiner Wahl zum Bundestagsvizepräsidenten glatt. © dpa | Bernd von Jutrczenka
    Auch Claudia Roth (Grüne) wurde zur Bundestagsvizepräsidentin gewählt. Amzskollege Kubicki (FDP) gratulierte mit einem Blumenstrauß.
    Auch Claudia Roth (Grüne) wurde zur Bundestagsvizepräsidentin gewählt. Amzskollege Kubicki (FDP) gratulierte mit einem Blumenstrauß. © dpa | Kay Nietfeld
    Die Linke-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht (li.) durfte ihrer Parteikollegin Petra Pau zu ihrer Wahl zur Bundestagsvizepräsidentin gratulieren.
    Die Linke-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht (li.) durfte ihrer Parteikollegin Petra Pau zu ihrer Wahl zur Bundestagsvizepräsidentin gratulieren. © dpa | Wolfgang Kumm
    Aus der CSU wurde Hans-Peter Friedrich zum Bundestagsvizepräsidenten gewählt. Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gratulierte mit einer Umarmung.
    Aus der CSU wurde Hans-Peter Friedrich zum Bundestagsvizepräsidenten gewählt. Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gratulierte mit einer Umarmung. © dpa | Ralf Hirschberger
    Umarmungen gab es auch für Thomas Oppermann: Der Sozialdemokrat wurde nach der Wahl zum Bundestagsvizepräsidenten unter anderem von der SPD-Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles geherzt.
    Umarmungen gab es auch für Thomas Oppermann: Der Sozialdemokrat wurde nach der Wahl zum Bundestagsvizepräsidenten unter anderem von der SPD-Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles geherzt. © dpa | Wolfgang Kumm
    Zwischndurch suchte Jürgen Trittin einen Plausch mit der Bundeskanzlerin.
    Zwischndurch suchte Jürgen Trittin einen Plausch mit der Bundeskanzlerin. © ddp images / Henning Schacht | Henning Schacht
    Der FDP-Abgeordnete Hermann Otto Solms eröffnete die konstituierende Sitzung als Alterpräsident.
    Der FDP-Abgeordnete Hermann Otto Solms eröffnete die konstituierende Sitzung als Alterpräsident. © dpa | Wolfgang Kumm
    Angela Merkel, CDU-Vorsitzende und geschäftsführende Bundeskanzlerin.
    Angela Merkel, CDU-Vorsitzende und geschäftsführende Bundeskanzlerin. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz.
    Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz. © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
    Wolfgang Schäuble (CDU) vor seiner Wahl zum Bundestagspräsidenten. Der scheidende Bundesfinanzminister wurde wenig später in das zweithöchste Amt im Staat nach dem Bundespräsidenten gewählt.
    Wolfgang Schäuble (CDU) vor seiner Wahl zum Bundestagspräsidenten. Der scheidende Bundesfinanzminister wurde wenig später in das zweithöchste Amt im Staat nach dem Bundespräsidenten gewählt. © dpa | Kay Nietfeld
    Kanzerlin und ihr (Noch-)Vize: Angela Merkel (CDU) im Austausch mit Sigmar Gabriel (SPD).
    Kanzerlin und ihr (Noch-)Vize: Angela Merkel (CDU) im Austausch mit Sigmar Gabriel (SPD). © dpa | Bernd von Jutrczenka
    Der CDU-Abgeordnete und Bundesinnenminister Thomas de Maizière.
    Der CDU-Abgeordnete und Bundesinnenminister Thomas de Maizière. © dpa | Bernd von Jutrczenka
    AfD-Spitzenköpfe unter sich: Alexander Gauland and Beatrix von Storch.
    AfD-Spitzenköpfe unter sich: Alexander Gauland and Beatrix von Storch. © Getty Images | Sean Gallup
    FDP-Chef Christian Lindner (re.) und sein Parteikollege Wolfgang Kubicki (FDP).
    FDP-Chef Christian Lindner (re.) und sein Parteikollege Wolfgang Kubicki (FDP). © dpa | Ralf Hirschberger
    Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, die Fraktionsvorsitzenden der Linken.
    Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, die Fraktionsvorsitzenden der Linken. © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
    Die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel (r.) posiert für ein Selfie mit der AfD-Abgeordneten Mariana Iris Harder-Kühnel.
    Die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel (r.) posiert für ein Selfie mit der AfD-Abgeordneten Mariana Iris Harder-Kühnel. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    FDP-Chef Christian Lindner (li.) und AfD-Fraktionschef Alexander Gauland geben sich die Hand.
    FDP-Chef Christian Lindner (li.) und AfD-Fraktionschef Alexander Gauland geben sich die Hand. © dpa | Bernd von Jutrczenka
    Die frühere AfD-Vorsitzende Frauke Petry hatte kurz nach der Wahl angekündigt, die Fraktion und die Partei zu verlassen. Sie wird dem Bundestag als Fraktionslose angehören.
    Die frühere AfD-Vorsitzende Frauke Petry hatte kurz nach der Wahl angekündigt, die Fraktion und die Partei zu verlassen. Sie wird dem Bundestag als Fraktionslose angehören. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Die CDU-Abgeordnete Michaela Noll begrüßt den SPD-Abgeordneten Karamba Diaby.
    Die CDU-Abgeordnete Michaela Noll begrüßt den SPD-Abgeordneten Karamba Diaby. © dpa | Bernd von Jutrczenka
    Auf der Besuchertribüne (v. li. n. r.): der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD), die Frau des scheidenden Bundesfinanzministers Schäuble, Ingeborg Schäuble, und der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD).
    Auf der Besuchertribüne (v. li. n. r.): der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD), die Frau des scheidenden Bundesfinanzministers Schäuble, Ingeborg Schäuble, und der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD). © dpa | Kay Nietfeld
    Vor dem Reichstag demonstrierten auch am Dienstag wieder Menschen gegen Hass und Rassismus im Parlament. Am Sonntag waren an gleicher Stelle mehr als 12.000 Menschen zu einem Protestzug gegen die AfD zusammengekommen.
    Vor dem Reichstag demonstrierten auch am Dienstag wieder Menschen gegen Hass und Rassismus im Parlament. Am Sonntag waren an gleicher Stelle mehr als 12.000 Menschen zu einem Protestzug gegen die AfD zusammengekommen. © REUTERS | CHRISTIAN MANG
    Die konstituierende Sitzung des Bundestags findet unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt.
    Die konstituierende Sitzung des Bundestags findet unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. © dpa | Paul Zinken
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    Bei der Wahl der AfD-Kandidaten für einen der sechs Stellvertreterposten dagegen kommt es am Nachmittag wie erwartet. Nach drei Wahlgängen steht fest: Albrecht Glaser, der wegen seiner Äußerungen zum Islam und zur Religionsfreiheit in der Kritik steht, bekommt zwar deutlich mehr Stimmen als es AfD-Abgeordnete gibt – doch es reicht bei Weitem nicht. Der Posten bleibt nun vorläufig unbesetzt.

    Schäuble beruft sich in seiner ersten Rede auf Kant

    Hinter Schäuble dagegen steht eine breite Mehrheit der Abgeordneten, parteiübergreifend setzen sie auf seine Autorität, seine jahrzehntelange Erfahrung. Aber auch sie lernen an diesem Tag, dass selbst einer wie der 75-jährige CDU-Mann vor Überraschungen nicht geschützt ist. Als Schäuble nach seiner Wahl mit seiner Rede beginnen will, ist er nicht zu hören. „Muss ich selber drücken?“, fragt er irritiert, hantiert an seinem Mikrofon herum und guckt hilfesuchend zum Balkon hoch, wo sein Vorgänger Norbert Lammert sitzt. Klar, Herr Präsident, Sie erteilen hier das Wort und Sie müssen sich das Mikro auch selbst einschalten, bedeuten ihm seinen Mitarbeiter. „Aller Anfang ist schwer“, kontert Schäuble lakonisch.

    Am Morgen hatten sich Hunderte Mitarbeiter des Finanzministeriums mit einer besonderen Aktion von ihrem Chef verabschiedet: Sie bildeten draußen im Hof des Ministerium eine „Schwarze Null“ nach. Drinnen, im Parlament, findet sich Schäuble schnell ein in seine neue Rolle. Er schlägt einen strengen, aber versöhnlichen Ton an. Seine Botschaft an die Parlamentskollegen lautet: respektiert einander. Seid den Deutschen in Stil und Haltung Vorbild. „Wir müssen Streit führen, wir müssen Streit aushalten, aber nach Regeln“, sagt Schäuble.

    Nach der Ruhrgebietsfärbung von Lammerts Sprache fällt sein weicher Badener Zungenschlag besonders auf. An Intellektualität aber stehen sie sich in nichts nach. Schäuble beruft sich auf Kant, auf die Verantwortung, die jeder bei seinem Handeln übernehmen müsse. Und falls das irgendeiner nicht kapiert haben sollte, sagt er es noch mal in einfachen Worten: „Prügeln sollten wir uns nicht. Auch nicht verbal.“

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    Die Karriere von Wolfgang Schäuble

    Er sitzt schon so lange im Bundestag wie kein anderer.  Seine große Zeit begann 1989 als Bundesinnenminister, hier 1989 bei einem CDU-Parteitag.
    Er sitzt schon so lange im Bundestag wie kein anderer. Seine große Zeit begann 1989 als Bundesinnenminister, hier 1989 bei einem CDU-Parteitag. © dpa | Harry Melchert
    1984 legte Wolfgang Schäuble vor dem Bundestag den Amtseid als Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes ab.
    1984 legte Wolfgang Schäuble vor dem Bundestag den Amtseid als Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes ab. © imago | Sven Simon
    Gemeinsam mit dem damaligen DDR-Innenminister Peter Michael Diestel (r.) unterzeichnete Wolfgang Schäuble (M.) am 1. Juli 1990 das „Abkommen über die Aufhebung der Personenkontrollen an den innerdeutschen Grenzen
    Gemeinsam mit dem damaligen DDR-Innenminister Peter Michael Diestel (r.) unterzeichnete Wolfgang Schäuble (M.) am 1. Juli 1990 das „Abkommen über die Aufhebung der Personenkontrollen an den innerdeutschen Grenzen". Dieser Sonntag gilt als kaum weniger historisch als der Mauerfall selbst. © © epd-bild / Heidi Losansky | Losansky, Heidi
    Ein enges Verhältnis verband Wolfgang Schäuble über lange Jahre mit Helmut Kohl. Später wurden beide erbitterte Gegner.
    Ein enges Verhältnis verband Wolfgang Schäuble über lange Jahre mit Helmut Kohl. Später wurden beide erbitterte Gegner. © dpa | Franz-Peter Tschauner
    Eigentlich wollte Kohl seinen Mitstreiter zu seinem Nachfolger als Kanzler machen – doch daraus wurde nichts. Kohl wollte nicht von der Macht lassen.
    Eigentlich wollte Kohl seinen Mitstreiter zu seinem Nachfolger als Kanzler machen – doch daraus wurde nichts. Kohl wollte nicht von der Macht lassen. © REUTERS / Juergen Schwarz
    Am 12. Oktober 1990 wurde der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble bei einer CDU-Wahlkampfveranstaltung in seinem Wahlkreis in Oppenau/Mittelbaden von dem 37jährigen Attentäter durch zwei Schüsse aus einem Revolver schwer verletzt. Schäuble kämpfte sich zurück ins politische Leben und ist seitdem auf den Rollstuhl angewiesen.
    Am 12. Oktober 1990 wurde der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble bei einer CDU-Wahlkampfveranstaltung in seinem Wahlkreis in Oppenau/Mittelbaden von dem 37jährigen Attentäter durch zwei Schüsse aus einem Revolver schwer verletzt. Schäuble kämpfte sich zurück ins politische Leben und ist seitdem auf den Rollstuhl angewiesen. © dpa | Norbert Försterling
    Auch das Verhältnis Schäubles zu Angela Merkel war nicht immer störungsfrei. Im Laufe der Jahre wurde Schäuble jedoch zu einem der engsten und wichtigsten Vertrauten der Bundeskanzlerin.
    Auch das Verhältnis Schäubles zu Angela Merkel war nicht immer störungsfrei. Im Laufe der Jahre wurde Schäuble jedoch zu einem der engsten und wichtigsten Vertrauten der Bundeskanzlerin. © REUTERS | REUTERS / Fabrizio Bensch
    Als Innenminister und später als Finanzminister war Schäuble über Jahre hinweg eine Stütze der Kanzlerin im Kabinett Merkels.
    Als Innenminister und später als Finanzminister war Schäuble über Jahre hinweg eine Stütze der Kanzlerin im Kabinett Merkels. © Getty Images | Sean Gallup
    Am 22. November 2005 leistete Wolfgang Schäuble vor Bundestagspräsident Norbert Lammert seinen Amtseid als Innenminister.
    Am 22. November 2005 leistete Wolfgang Schäuble vor Bundestagspräsident Norbert Lammert seinen Amtseid als Innenminister. © imago | Fabian Matzerath
    Schäuble pflegte als Minister meist einen unaufgeregten Ton, war in der Sache jedoch knallhart.
    Schäuble pflegte als Minister meist einen unaufgeregten Ton, war in der Sache jedoch knallhart. © dpa | Christina Sabrowsky
    Auf der Regierungsbank im Bundestag war Wolfgang Schäuble in verschiedenen Rollen viele Jahre präsent.
    Auf der Regierungsbank im Bundestag war Wolfgang Schäuble in verschiedenen Rollen viele Jahre präsent. © Getty Images | Andreas Rentz
    Seine politische Lebensleistung brachte Wolfgang Schäuble 2005 sogar den Bambi ein.
    Seine politische Lebensleistung brachte Wolfgang Schäuble 2005 sogar den Bambi ein. © Getty Images | Andreas Rentz
    Seine Urlaube verbringt Schäuble gern mit Ehefrau Ingeborg auf Sylt.
    Seine Urlaube verbringt Schäuble gern mit Ehefrau Ingeborg auf Sylt. © dpa | Jens Kalaene
    Zwei, die sich nicht so gut verstanden: Wolfgang Schäuble und der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis lieferten sich während der Griechenland-Euro-Krise so manche Verhandlungsschlacht.
    Zwei, die sich nicht so gut verstanden: Wolfgang Schäuble und der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis lieferten sich während der Griechenland-Euro-Krise so manche Verhandlungsschlacht. © Getty Images | Carsten Koall
    Mit der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, verbindet Wolfgang Schäuble eine verlässliche politische Partnerschaft.
    Mit der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, verbindet Wolfgang Schäuble eine verlässliche politische Partnerschaft. © dpa | Christina Sabrowsky
    Das Verhältnis Schäubles zur Presse war nicht immer einfach. Hier ein Schnappschuss von einem Hintergrundgespräch Schäubles mit Journalisten auf einem Flug nach Washington. Es war im Oktober 2017 seine letzte Reise als Finanzminister. Später fungierte er als Bundestagspräsident, seit 2021 auch als Alterspräsident.
    Das Verhältnis Schäubles zur Presse war nicht immer einfach. Hier ein Schnappschuss von einem Hintergrundgespräch Schäubles mit Journalisten auf einem Flug nach Washington. Es war im Oktober 2017 seine letzte Reise als Finanzminister. Später fungierte er als Bundestagspräsident, seit 2021 auch als Alterspräsident. © imago | Thomas Koehler/photothek.net
    Heute kann Wolfgang Schäuble auf 50 Jahre als Abgeordneter im Deutschen Bundestag zurückblicken.
    Heute kann Wolfgang Schäuble auf 50 Jahre als Abgeordneter im Deutschen Bundestag zurückblicken. © Getty Images | Sean Gallup
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