Berlin. SPD-Fraktionschef Oppermann hat Merkel heftig attackiert. Sie verspiele die Zukunft Deutschlands. Eine scharfe Replik kam von der CDU.

  • Die letzte Bundestags-Debatte vor der Wahl war vom Wahlkampf geprägt.
  • Scharfe Angriffe auf die Kanzlerin kamen aus Reihen des Koalitionspartners SPD.
  • Die Union konterte mit dem Vorwurf, das Verhalten der SPD sei schäbig.

Es ging um Dieselaffäre und Türkeistreit, um Aufrüstung und Zuwanderung – vor allem aber ging es bei der letzten Bundestagsdebatte vor der Wahl um den Wahlkampf. Kanzlerin Angela Merkel musste harte Kritik einstecken – nicht zuletzt vom Noch-Koalitionspartner SPD, deren Spitzenkandidat nicht dabei sein durfte.

Dass die Generaldebatte schon stark vom Wahlkampf geprägt war, zeigte sich besonders bei der Rede von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Er ging die Kanzlerin scharf an. Bei Thema Breitbandausbau fürs Internet liege Deutschland weltweit auf Platz 25, hinter Ländern wie Lettland und Rumänien. „Sie haben dieses Zukunftsthema total verschlafen“, so Oppermann.

Oppermann: Zeit für einen Machtwechsel

Zudem weigere sich die Kanzlerin, mehr Geld in Bildung zu stecken: „So verspielen Sie die Zukunft dieses Landes.“ Stattdessen wolle Merkel sich „der Aufrüstungspolitik von Donald Trump unterwerfen“, so Oppermann. Zur Erinnerung: Die SPD befindet sich aktuell in einer Regierungskoalition mit Merkels Union.

Es sei Zeit für einen Machtwechsel, betonte der SPD-Fraktionschef. „Dieses Land braucht keine Bundeskanzlerin, die nur sozialdemokratisch redet. Dieses Land braucht einen Bundeskanzler, der sozialdemokratisch handelt.“

Nahles hielt Merkel Selbstzufriedenheit vor

Auch Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) griff Merkel direkt an. Sie warf ihr vor, zu wenig in der Arbeits- und Sozialpolitik gemacht zu haben. So seien während der Legislatur wesentlich mehr Anstrengungen zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit nötig gewesen. Sie finde es auch reichlich abgehoben von Merkel, sich in „Selbstzufriedenheit“ über den Mindestlohn zu freuen, so Nahles. Dabei habe sie ihn – gegen Widerstand in der Union – durchsetzen müssen, machte Nahles deutlich.

46 Prozent der Frauen arbeiteten in Teilzeit. Die Frauen machten das für die Familie, für die Kinder. „Wie reagieren wir in diesem Land darauf? Mit einer doppelten Bestrafung.“ Sie kommen nur schwer in Vollzeit zurück und sie bekommen am Ende auch keine Vollzeitrente. Es sei ein Skandal, dass eines der größten Potenziale dieses Landes so behandelt werde.

Gabriel teilte gegen Guttenberg aus

Ex-SPD-Chef und Außenminister Sigmar Gabriel drehte die Lautstärke später wieder etwas herunter. „Die Zusammenarbeit mit ihnen, Frau Merkel, war immer sehr vertrauenswürdig“, lobte er die Kanzlerin. Doch auch Gabriel konnte sich Spitzen nicht verkneifen. An die Adresse der Union sagte er: „Es ist nicht die Zeit, dass man große Steuersenkungsversprechen machen kann. Da muss jemand bei den Grundrechenarten nicht aufgepasst haben.“ Er prognostiziert, die Union werde die Axt an die Sozialausgaben legen und ihre Pläne damit finanzieren.

Zu den Mängeln bei der Bundeswehr knöpfte sich Gabriel den früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg vor, der aktuell wieder für die CSU Wahlkampf macht: Gabriel warf ihm vor, die Bundeswehr kaputt gespart zu haben. „Ich bin zwar für Resozialisierung, aber zu Guttenberg ist mit der Bundeswehr umgegangen, wie mit seiner Doktorarbeit“, so Gabriel.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Kauder: SPD gleichzeitig Regierung und Opposition

Unions-Fraktionschef Volker Kauder verteidigte die Leistungen der Bundesregierung. Es gebe wohl „kein anderes Land, in dem es den Menschen im Schnitt so gut geht wie in Deutschland“. Der SPD und Oppermann warf er vor, sie wolle „gleichzeitig Regierung und Opposition“ sein: „Das geht nicht.“ Die SPD wolle sich „von allem verabschieden“, was man in der Regierung zusammen gemacht habe. Der Vorwurf, die CDU/CSU wolle eine massive Aufrüstung der Bundeswehr, sei falsch und deshalb „schäbig“, so Kauder.

Zuvor hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel für einen behutsamen Wandel in der Automobilindustrie ausgesprochen. „Es sind unverzeihliche Fehler vorgefallen“, sagte Merkel im Bundestag mit Bezug auf die Diesel-Betrugsaffäre. Man dürfe aber „nicht die gesamte Branche ihrer Zukunft berauben. Wir werden noch auf Jahre und Jahrzehnte Verbrennungsmotoren brauchen.“

Merkel äußerte sich in der Debatte über die „Situation in Deutschland“, die eine Art Bilanz der politischen Arbeit der vergangenen vier Jahre darstellen sollte. Es war die letzte offizielle Sitzung des Parlaments vor der Bundestagswahl am 24. September. SPD-Kanzlerkandidat und Parteichef Martin Schulz konnte nicht an der Debatte teilnehmen, da er kein gewählter Abgeordneter ist.

Merkel: „Die Welt schläft nicht“

Merkel betonte, sie werde „alle Kraft darauf lenken, dass es nicht zu Fahrverboten kommt“. Die Regierung müsse Dieselfahrern die Möglichkeit geben, „dass sie diese Autos auch nutzen können“, zu deren Kauf sie die Politik schließlich lange ermuntert habe.

Abgas-Skandal: Darum haben Diesel-Autos zu Recht so ein schlechtes Image

weitere Videos

    Merkel erklärte zudem, Deutschland müsse in Technik und Forschung investieren. „Die Welt schläft nicht, sie entwickelt sich in rasantem Tempo. Wir wollen nicht im Technikmuseum enden als Deutschland, sondern vorne mit dabei sein.“

    „EU darf sich nicht vor Erdogans Augen zerstreiten“

    Zum Streit mit der Türkei erklärte Merkel, das Land verlasse „immer mehr den Weg der Rechtsstaatlichkeit“. Die Regierung tue alles, die dort inhaftierten deutschen Staatsbürger freizuzbekommen. „Wir sollten niemanden von ihnen vergessen“, so die Kanzlerin.

    Zu der Forderung, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abzubrechen, sagte Merkel: „Hierzu braucht man Mehrheiten in Europa.“ Europa dürfe sich nicht vor den Augen Erdogans „öffentlich zerstreiten“. Die Beziehungen zur Türkei seien „strategischer Natur“ und sie seien „von großer Bedeutung“. Deutschland müsse deshalb gemeinsam „mit den europäischen Partnern vorgehen“.

    Wagenknecht wirft Merkel „Schönwetterwahlkampf“ vor

    Linke-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht warf der Kanzlerin vor, sie betreibe „einen Schönwetterwahlkampf“. Die Lage der Menschen in dem Land sei nicht so gut wie von der Union dargestellt. „Sie verhöhnen die Wählerinnen und Wähler“, so Wagenknecht an die Adresse Merkels. Vielmehr habe die Kanzlerin in den vergangenen zwölf Jahren ihrer Regierungszeit „die Lebensunsicherheit und die Sorgen der Bürger gesteigert“.

    Özdemir: Kuscheln mit Erdogan beenden

    Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir kritisierte die Haltung der Bundesregierung gegenüber dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Es handle sich beim ihm um einen „ganz normalen Geiselnehmer, der sich Präsident nennt“. Özdemir forderte von Merkel schärfere Maßnahmen gegen die Türkei: „Was muss Erdogan noch machen, dass Sie aufhören mit ihm zu kuscheln?“ Beim Thema Energie warf Özdemir der Regierung vor, die Zukunft zu verschlafen und zu lange auf alte Energien zu setzen: „Wir reden hier von Braunkohlekraftwerken aus der Zeit von Sepp Herberger.“