Berlin. Wie verheerend wäre ein Krieg in Nordkorea und gibt es eine Lösung für den Konflikt? Ein Experte für Geopolitik liefert die Antworten.

Tim Marshall hat für die Sender Sky und BBC jahrelang aus den Krisenregionen dieser Welt berichtet und hautnah den Balkankonflikt oder den arabischen Frühling miterlebt. Seine Erfahrung hat Marshall in dem hochgelobten Buch „Die Macht der Geographie“ niedergeschrieben, in dem er ein Kapitel auch dem Konflikt zwischen Nord- und Südkorea widmet.

Im Interview erzählt Marshall, wie sich der Konflikt seit Veröffentlichung des Buches (2015) zugespitzt hat, warum ein Krieg auch ohne

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verheerend wäre und wie eine Lösung aussehn könnte.

Wie lange kann die aktuelle Bedrohungslage noch anhalten?

Tim Marshall hat jahrelang aus Krisenregionen berichtet.
Tim Marshall hat jahrelang aus Krisenregionen berichtet. © Tim Marshall | Tim Marshall

Die Amerikaner haben lange vermutet, dass Nordkorea zwei Jahre davon entfernt sei, einen Atomsprengkopf zu verkleinern und auf eine Interkontinentalrakete zu montieren. Nun hat sich die Bewertung dahingehend geändert, dass sie kurz davor sind. Das hat die ganze Krise angefeuert. Bei anhaltenden Provokationen – etwa kontinuierlichen Raketentest – könnten die USA reagieren. Das ist jedoch absolut nicht im Interesse der Amerikaner.

Für wie wahrscheinlich halten Sie ein militärisches Eingreifen der USA in Nordkorea?

Auf kurze Sicht scheint ein Militärschlag unwahrscheinlich. Ein „kleiner“ Warnschuss könnte schon zu einer großen Reaktion der Gegenseite führen. Die Amerikaner müssten also von Anfang an aus allen Rohren feuern. Dazu müsste aber eine weitere Flugzeugträgerflotte in Stellung gebracht werden, weitere Bomber auf Guam stationiert werden.

Zudem müssten Mitarbeiter der US-Botschaften in Südkorea und deren Familien in Sicherheit gebracht werden – vielleicht sogar alle Amerikaner in der Region. Nichts von dem passiert im Moment.

Wie könnte eine Lösung des Konfliktes aussehen?

Ziel muss es sein, China als Verhandler zu gewinnen und einen Deal auszuhandeln, nach dem UN-Inspektoren nach Nordkorea einreisen dürften. Im Gegenzug würde Nordkorea Sicherheit garantiert und große Geldmengen versprochen.

Es gibt die Theorie, nach der genau das der Zweck des nordkoreanischen Atomprogramms ist: die anderen bis zu diesem Deal zu drängen. Aber auch wenn das stimmt, bleibt es immer noch ein gefährliches Spiel mit einem Bluff mit einem Atomkrieg.

Alle reden von einem drohenden Atomkrieg. Aber wäre nicht schon ein konventioneller Krieg verheerend?

Es gäbe zwar einen „Gewinner“, aber alle würden verlieren. Bei einem konventionellen Krieg würden Nordkoreas Militär und Militär über einen Zeitraum von einem Monat angegriffen werden. Flugzeuge, Landebahnen, Raketenstellungen, Bunker und Radarstellungen - all dies könnte ohne große Verluste auf amerikanischer Seite angegriffen werden.

Doch in den ersten Tagen eines solchen Konfliktes hätte Nordkorea noch genug Ausrüstung, um in südkoreas Hauptstadt Schaden anzurichten und womöglich Tausende Menschen zu töten. Nordkorea würde wohl auch US-Stützpunkte und südkoreanische Militärlager angreifen. Und sollte es tatsächlich die mehrfach vermuteten nordkoreanischen Schläferzellen im Süden geben, würden diese aktiviert werden.

Welche Risiken gehen die einzelnen Konfliktparteien ein?

• Südkorea wäre stark involviert.

• Japan wird höchstwahrscheinlich nicht militärisch eingreifen, was an dem Zustand des Militärs liegt. Direkte nordkoreanische Angriffe auf Japan könnten dies ändern.

• Chinas Vorgehen ist unklar. Wenn die USA die demilitarisierte Zone überschreiten und in Richtung Norden vordringen sollten, könnte dies auch China auf den Plan rufen.

• Die USA würden es wohl bevorzugen, sich eher aus der Ferne zu beteiligen.

Gab es in der Vergangenheit vergleichbare Konflikte?

Nicht direkt. Die Kubakrise hat zwischen zwei Supermächten stattgefunden und zwischen Pakistan und Indien gibt es gleich mehrere Sicherheitsmechanismen, die die beiden Länder vor einem Atomkrieg bewahren. Iran hat noch keine Atomwaffe.