London. Bleibt Theresa May Premierministerin von Großbritannien? Die letzten Umfragen vor der Wahl gehen von einem recht knappen Rennen aus.

Fast ein Jahr nach dem Brexit-Referendum gehen die Briten an diesem Donnerstag wieder wählen. Premierministerin Theresa May will mit der vorgezogenen Parlamentswahl eine größere Mehrheit für ihre konservativen Tories und mehr Rückendeckung für die Brexit-Verhandlungen bekommen.

Umfragen zufolge könnte May ihr Ziel aber verfehlen. Zwar liegen die Konservativen in allen Befragungen vorn. Es gilt aber nicht mehr als sicher, ob sie die Mehrheit verteidigen können. Letzten Umfragen vom Mittwoch zufolge lag der Vorsprung der Konservativen vor der Labour-Partei zwischen einem und zwölf Prozentpunkten.

Neben dem Thema Brexit hatten zuletzt auch die Anschläge von Manchester und London sowie Mays Rolle als langjährige Innenministerin den Wahlkampf beherrscht. Die Labour-Partei von Jeremy Corbyn konnte deshalb Boden gutmachen.

Belastbarer Trend wird für die Nacht erwartet

Die Briten können am Donnerstag von 8 bis 23 Uhr MESZ ihre Stimme abgeben. Eine Prognose, basierend auf Wählerbefragungen, folgt direkt nach Schließung der Wahllokale. Die Auszählung der 650 Stimmbezirke dauert die ganze Nacht. In einigen Bezirken geht es tagsüber weiter. Nachts dürfte sich ein belastbarer Trend des Wahlergebnisses abzeichnen, das Endergebnis aber erst am Nachmittag vorliegen.

Als May im April die Neuwahl ausrief, lagen die Konservativen zeitweise noch mehr als 20 Prozentpunkte vor Labour. Mehrere Fehler im Wahlkampf ließen den Vorsprung aber bis auf wenige Prozentpunkte im einstelligen Bereich schmelzen. So lehnte May etwa gemeinsame TV-Duelle mit Labour-Chef Corbyn ab. Bei Wahlkampfauftritten wirkte die 60-Jährige verkrampft und verstrickte sich in Widersprüche.

May will notfalls Menschenrechte einschränken

Nach drei Terroranschlägen in Großbritannien innerhalb von drei Monaten warfen Kritiker May vor, während ihrer Zeit als Innenministerin für den Abbau von über 20 000 Stellen bei der Polizei mitverantwortlich gewesen zu sein. Auf starke Kritik der Opposition stießen ihre Äußerungen, notfalls Menschenrechte einzuschränken, um Terrorverdächtige länger festzuhalten oder schneller abzuschieben. Corbyn versprach in seinem Wahlprogramm 10.000 Polizisten mehr.

Mays 4-Punkte-Plan gegen den Terror

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    Der Altlinke Corbyn spricht vor allem junge Wähler an und will die Kluft zwischen Arm und Reich verringern. So will der Labour-Chef Studiengebühren abschaffen und das marode Gesundheitssystem auf Vordermann bringen. Ihm wird aber vorgeworfen, führungsschwach zu sein und sich ungenügend gegen den Brexit zur Wehr gesetzt zu haben.

    Stimmen der Ukip-Partei für die Konservativen

    Der europafeindlichen Ukip-Partei droht der Kollaps bei der Wahl. Im Parlament waren die Rechtspopulisten zuletzt gar nicht mehr vertreten. Im März war der Inhaber ihres einzigen Abgeordnetensitzes aus der Partei ausgetreten. „Die Konservativen werden vermutlich viele Ukip-Wähler abziehen“, sagte John Curtice von der Universität Strathclyde in Glasgow.

    Die britischen Premiers seit 1940

    Winston Churchill war von 1940 bis 1945 Premierminister und führte Großbritannien durch den Zweiten Weltkrieg. Seit 1940 haben 12 Männer und zwei Frauen das Amt des britischen Premiers bekleidet. Wir stellen alle Kandidaten vor.
    Winston Churchill war von 1940 bis 1945 Premierminister und führte Großbritannien durch den Zweiten Weltkrieg. Seit 1940 haben 12 Männer und zwei Frauen das Amt des britischen Premiers bekleidet. Wir stellen alle Kandidaten vor. © Getty Images | Central Press
    Clement Richard folgte Churchill behütet.
    Clement Richard folgte Churchill behütet. © imago | ZUMA/Keystone
    Er war von 1945 bis 1951 der britische Premier.
    Er war von 1945 bis 1951 der britische Premier. © imago stock&people | imago stock&people
    Der konservative Sir Winston Churchill kam 1951 bis 1955 das zweite Mal zum Zug.
    Der konservative Sir Winston Churchill kam 1951 bis 1955 das zweite Mal zum Zug. © Getty Images | Hulton Archive
    Anthony Eden war von 1955 bis 1957 Premierminister des Vereinigten Königreichs.
    Anthony Eden war von 1955 bis 1957 Premierminister des Vereinigten Königreichs. © Getty Images | Baron
    Harold Macmillian war von 1957 bis 1963 ranghöchster Minister der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland.
    Harold Macmillian war von 1957 bis 1963 ranghöchster Minister der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland. © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people
    Sir Alec Douglas-Home war lediglich 363 Tage im Amt – von 1963 bis 1964.
    Sir Alec Douglas-Home war lediglich 363 Tage im Amt – von 1963 bis 1964. © imago stock&people | imago stock&people
    Harold Wilson – umringt von den „Beatles“ – war zwischen Oktober 1964 und 1970 Premierminister.
    Harold Wilson – umringt von den „Beatles“ – war zwischen Oktober 1964 und 1970 Premierminister. © Getty Images | Central Press
    Edward Heath wurde am 20. Juni 1970 gewählt.
    Edward Heath wurde am 20. Juni 1970 gewählt. © Getty Images | Harry Todd
    Der konservative Politiker blieb bis 1974 im Amt.
    Der konservative Politiker blieb bis 1974 im Amt. © imago | imago
    Harold Wilson wurde im März 1974 zum zweiten Mal zum britischen Premier gewählt. Er blieb bis März 1976 im Amt.
    Harold Wilson wurde im März 1974 zum zweiten Mal zum britischen Premier gewählt. Er blieb bis März 1976 im Amt. © Getty Images | Central Press
    James Callaghan war von 1976 bis 1979 Premierminister.
    James Callaghan war von 1976 bis 1979 Premierminister. © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people
    Margaret Thatcher wurde 1979 als erste Frau in das Amt gewählt.
    Margaret Thatcher wurde 1979 als erste Frau in das Amt gewählt. © imago | Photoshot
    „Die Eiserne Lady“ übte ihr Amt ohne Unterbrechung und länger als jeder andere britische Premierminister des 20. Jahrhunderts aus – bis 1990.
    „Die Eiserne Lady“ übte ihr Amt ohne Unterbrechung und länger als jeder andere britische Premierminister des 20. Jahrhunderts aus – bis 1990. © Getty Images | Keystone
    John Major folgte Margaret Thatcher im November 1990. Er blieb bis 2007.
    John Major folgte Margaret Thatcher im November 1990. Er blieb bis 2007. © imago | sepp spiegl
    Tony Blair war von 1994 bis 2007 Vorsitzender der Labour-Partei und ...
    Tony Blair war von 1994 bis 2007 Vorsitzender der Labour-Partei und ... © Getty Images | Christopher Furlong
    ... von 1997 bis 2007 dann der britische Premier.
    ... von 1997 bis 2007 dann der britische Premier. © imago | UPi Photo
    Gordon Brown war von Juni 2007 bis Mai 2010 Premierminister des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland – sowie Vorsitzender der Labour-Partei.
    Gordon Brown war von Juni 2007 bis Mai 2010 Premierminister des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland – sowie Vorsitzender der Labour-Partei. © imago stock&people | UPI Photo
    David Cameron bekleidete das Amt vom 11. Mai 2010 bis zum 13. Juli 2016. Er trat zurück, nachdem die britischen Wähler sich für den Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union entschieden hatten.
    David Cameron bekleidete das Amt vom 11. Mai 2010 bis zum 13. Juli 2016. Er trat zurück, nachdem die britischen Wähler sich für den Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union entschieden hatten. © REUTERS | REUTERS / CARLOS BARRIA
    Theresa May wurde am 13. Juli 2016. zur britischen Premierministerin gewählt.
    Theresa May wurde am 13. Juli 2016. zur britischen Premierministerin gewählt. © REUTERS | REUTERS / STEFAN WERMUTH
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    Das Unterhaus hat so viele Sitze wie Großbritannien Wahlkreise: 650. Vor seiner Auflösung am 3. Mai schickten die Konservativen die meisten gewählten Volksvertreter ins Parlament: 330 Sitze – die absolute Mehrheit – standen den Tories zu. Labour holte bei der letzten Wahl im Jahr 2015 insgesamt 232 Sitze.

    Kleine Parteien werden benachteiligt

    Die Schottische Nationalpartei (SNP) war mit 56 Sitzen die drittstärkste Kraft, sie hatte bei der Parlamentswahl 2015 fast alle der 59 schottischen Wahlbezirke gewonnen. Die Liberaldemokraten, die als einzige landesweite Partei weiterhin für einen Verbleib in der Europäischen Union kämpfen, hatten acht Sitze.

    Großbritannien hat ein reines Mehrheitswahlrecht. Das bringt meist eine absolute Mehrheit für eine Partei hervor. Kleine Parteien werden bei dem Wahlsystem meist benachteiligt. (dpa/rtr)