Berlin. Deutsche Diplomaten dürfen erstmals Deniz Yücel im Gefängnis besuchen. Der Journalist saß in der Türkei sieben Wochen in Einzelhaft.

Es hat 50 Tage gedauert. 50 lange Tage, bis deutsche Diplomaten Deniz Yücel im Gefängnis besuchen durften. Am Dienstag endlich konnte der „Welt“-Korrespondent, der einen deutschen und einen türkischen Pass besitzt, den deutschen Generalkonsul Georg Birgelen sowie einen Anwalt des Generalkonsulats sprechen. Der 43-Jährige sitzt wegen des Vorwurfs der Terrorpropaganda in einem Istanbuler Gefängnis in Einzelhaft.

„Den Umständen entsprechend gut“

„Es geht Herrn Yücel den Umständen entsprechend gut“, berichtet der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth nach dem Besuch bei einer Pressekonferenz in Istanbul. Die Einzelhaft aber sei für ihn nach wie vor sehr belastend. Ob es bei dem einen Besuch bleibt? Das ist unklar. Die türkische Regierung sagte nach Auskunft von Roth bislang keine weiteren Besuchstermine zu. Doch im Auswärtigen Amt will man weiter kämpfen.

Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, am Dienstag im deutschen Generalkonsulat in Istanbul.
Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, am Dienstag im deutschen Generalkonsulat in Istanbul. © dpa | Emrah Gurel

„Das kann für uns nicht der Abschluss sein. Wir erwarten weiterhin, dass die konsularische Betreuung umfänglich gewährleistet wird und wir setzen uns weiterhin für die Freilassung von Deniz Yücel ein.“

Der Journalist hatte sich am 14. Februar selbst zur Polizei begeben, weil nach ihm gefahndet wurde. Er sollte nicht mehr freikommen. An die Polizeihaft von fast vierzehn Tagen schloss sich nahtlos die Untersuchungshaft an. Der Vorwurf: Volksverhetzung sowie Terrorpropaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die Gülen-Bewegung, die Ankara für den gescheiterten Putsch gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan im vergangenen Sommer verantwortlich macht.

Gabriel für Dialog mit der Türkei

weitere Videos

    Der Fall Yücel war von Beginn an ein Politikum

    Bereits kurz nach der Festnahme hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einem Treffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim eine „faire Behandlung“ angemahnt. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier setzten sich für die Freilassung ein.

    Yücels Schwester Ilkay äußert sich in der „Welt“ zu Details der Haftbedingungen. Sie hatte ihn am Montag zum zweiten Mal im Gefängnis Silivri westlich von Istanbul besucht. „Er ist nicht deprimiert, er lässt sich nicht einschüchtern. Und er bereut auch nicht, was er geschrieben hat.“ Insgesamt wirke ihr Bruder zuversichtlich.

    Joggen im Vorhof der Zelle

    Er versuche, sich in der Haft einzurichten, nutze den kleinen Vorhof seiner Zelle für Jogging-Runden, dürfe Zeitungen und Bücher lesen. Einmal die Woche könne er im Gefängnisladen schriftlich etwas bestellen. Einen Fernseher habe ihr Bruder abgelehnt: „Er denkt wohl, dass er dann den ganzen Tag Nachrichten schaut und sich zu sehr ärgert“, meint die Schwester.

    Bei Yücels Zeitung beginnt man wieder ein wenig zu hoffen. Ulf Poschardt, Chefredakteur von WeltN24, ist erleichtert über den Besuch der deutschen Diplomaten bei seinem Reporter. Er hofft, dass sich die Stimmung in der Türkei nach dem Referendum über die umstrittene Verfassungsreform, die dem Präsidenten mehr Macht einräumen soll, am 16. April entspannt.

    Verhältnis Deutschland-Türkei ist schlecht

    „Ich glaube, dass viel von der Rhetorik, die wir in den vergangenen Wochen hatten, auch dieser speziellen Wahlkampfsituation geschuldet war.“ Auch in der Bundesregierung hofft man das: Es handele sich hier um „eine der großen Bewährungsproben in den deutsch-türkischen Beziehungen, und ich kann nur hoffen, dass wir alsbald zu einer zufriedenstellenden Lösung kommen“, beschreibt Staatsminister Roth den Fall. „Wir gehen derzeit durch ein schweres Gewitter.“

    Der Hashtag „FreeDeniz“ auf einer Anzeigetafel am Verlagshaus des Axel-Springer-Verlags in Berlin.
    Der Hashtag „FreeDeniz“ auf einer Anzeigetafel am Verlagshaus des Axel-Springer-Verlags in Berlin. © dpa | Fabian Stoffers

    Yücel selbst meldet sich am Dienstag über seine Anwälte zu Wort: Mit einem Appell, die türkischen Tageszeitungen „Cumhuriyet“, „Birgün“ und „Evrensel“ zu unterstützen. Yücel beschreibt, dass er nach wie vor keine Briefe erhalte, doch die Unterstützung dringe zu ihm durch. „Dass mir illegalerweise keine Briefe und Postkarten zugestellt werden, ist natürlich kein Grund, mir nicht zu schreiben.“ Er gibt das Silivri-Gefängnis als „meine jetzige (ganz sicher vorübergehende) Anschrift“ an.