Berlin. Der Wahlsonntag im Saarland raubt Kanzlerin Angela Merkel nicht den Schlaf. Aber der Ausgang könnte für die Union ein Weckruf sein.

Sie sind keineswegs tatenlos. Sie haben die zweite Etage umgebaut, Wände eingerissen, Platz für ein Großraumbüro geschafft. Hier im Konrad-Adenauer-Haus ist der „War Room“ der CDU. Von hier aus wird die Kampagne geleitet. Hier sind die Agenturleute und Aktivisten von Connect, die Daten sammeln, die Partei vor Ort schulen, nicht nur online auf Stimmenfang gehen, sondern von Tür zu Tür.

Darüber oder über den Wiederaufbau einer Abteilung für strategische Planung gibt man gern Auskunft. Es hilft, den Eindruck zu entkräften, dass der CDU-Wahlkampf in Berlin noch nicht auf Betriebstemperatur sei und dass für Parteichefin Angela Merkel die Regierungsfähigkeit vorgehe; ihr ordne sie den Erfolg der Landtagswahlen im Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen unter. „Da will keiner mit uns kämpfen“ – das ist die argwöhnische Stimmung an der CDU-Basis.

Darum geht es wirklich bei der Saarland-Wahl

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    Zwist mit Martin Schulz

    Merkel ist am Donnerstag nach Sankt Wendel im Saarland gefahren. Es war erst ihr zweiter Auftritt im Wahlkampf, und es wird zugleich auch ihr letzter sein. Zwei Termine, nicht mehr und nicht weniger als beim letzten Mal. Auf ihre Art, möglichst geräuschlos, ist Merkel überaus erfolgreich. Gerade hat die türkische Partei AKP alle Veranstaltungen in Deutschland abgesagt. Genau das hatte die Kanzlerin gewollt und ihr Ziel ohne Auftrittsverbote und Drohungen erreicht. Auch den Zwist mit Martin Schulz über den nächsten Koalitionsausschuss will sie aus der Welt schaffen. Der SPD-Chef will nicht kommen.

    Statt ihn dafür zu kritisieren, sinniert Merkel über Wege und Gelegenheiten, ihn einzubinden. Viele in der Union wünschen sich von ihr klare Kante. Es sind noch sechs Monate bis zur Bundestagswahl. Wer sich in der Partei umhört, stellt fest, dass über alles gestritten wird: Themen, Strategie, Kandidatin. Am Wochenende formiert sich in Schwetzingen eine Gruppe, die sich für eine Basisbewegung hält und sich „konservativer Aufbruch“ in der Union nennt.

    Seehofer als Kritiker

    Tatsächlich eint die Aktivisten eins: Ärgere über Merkel, über ihre Flüchtlingspolitik. Die Selbstbeschäftigung irritiert selbst einen Mann, der über Monate hinweg als Merkel-Kritiker nicht zu toppen war: CSU-Chef Horst Seehofer. Jetzt ruft er zur Ruhe auf.

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      Die feinsten Haarrisse fallen umso mehr auf, weil die SPD mit Schulz wie ein geschlossener Block auftritt. Schulz hat es geschafft, ein Thema zu setzen: Gerechtigkeit. Nicht das Thema hat Merkel überrascht, wohl aber, dass es verfängt. Denn die Daten zur Arbeitslosigkeit und die Jobzahlen sind gut, die Einkommen steigen.

      Scharfe Konflikte fahren

      Was kann sie dem Stimmungspolitiker entgegensetzen? Die Antwort lautet: Ansehen, Erfahrung, Verlässlichkeit, sie ist das personifizierte Stabilitätsversprechen. Der rechte Flügel der Union wünscht sich aber eine Debatte über Überfremdung, Sinn und Zweck der doppelten Staatsbürgerschaft, Integration, Leitkultur. Merkel soll zuspitzen, scharfe Konflikte fahren. Bloß: Dann wäre Merkel nicht Merkel. Sie sinniert über Alternativen: Erleichterungen für Familien mit Kindern, kostenlose Kita-Plätze, Baukindergeld.

      Als Test lässt Merkel die Wahl am Sonntag im Saarland nicht gelten. Das Land hat etwa so viele Einwohner wie Köln, und die Bundespolitik spielte eine Nebenrolle. Aber schon eine Woche später hat sich Merkel zum Parteitag der nordrhein-westfälischen CDU angesagt und acht Wahlkampfauftritte im größten Bundesland zugesagt. Schulz im Mai eine Heimniederlage zu bereiten, reizt Merkel. In der zweiten Etage warten sie nur auf das „Go“ der Chefin.