Joachim Gauck

Bürgerfest im Schlosspark: Ein Präsident zum Anfassen

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Von Thomas Lanig

Bürgerfest im Schlosspark: Entspannt und bodenständig feiert Bundespräsident Gauck mit seinen Gästen. Höhepunkt ist eine Diskussion mit zwei Vorgängern. Ihr Appell: Mehr Mut in der Eurokrise

Berlin (dpa) – Bundespräsident Joachim Gauck hat auf seinem Bürgerfest in Berlin mehr Mut zu Europa und mehr Selbstbewusstsein in der Eurokrise gefordert. „Wir stehen vor Unsicherheiten, aber nicht vor dem Abgrund“, sagte Gauck am Sonntag bei einer Podiumsdiskussion mit seinen Vorgängern Richard von Weizsäcker und Roman Herzog. Notwendig sei eine „Debatte ohne Hysterie“, meinte Gauck vor mehreren tausend Menschen im Park von Schloss Bellevue.

Der Bundespräsident forderte die Politik auf, nicht am Ja zu Europa rütteln zu lassen. Er wolle zwar nicht von deutscher Führung sprechen, aber: „Wir müssen unsere Rolle in Europa spielen, unserer Größe und Erfahrung entsprechend“, sagte Gauck. Auch Ex-Bundespräsident Herzog betonte, es sei Mut notwendig, weil niemand eine derartige Krise bisher erlebt habe. Deutschland müsse „ein bisschen einen Ruck riskieren“, meinte er in Anspielung an seine berühmte „Ruck-Rede“ während seiner Amtszeit 1997.

Weizsäcker erinnerte daran, dass Deutschland seit dem 19. Jahrhundert von seinen Nachbarn mit Misstrauen betrachtet worden sei. „Dieses Misstrauen ist verschwunden“, mente er, im Westen wie im Osten. Deutschland müsse in der gegenwärtigen Krise nicht als Anführer, aber in wichtigen Fragen als „bestimmendes Mitglied“ auftreten.

Zuvor hatte Gauck die Bürger zu mehr Engagement für die Gesellschaft aufgerufen. Dazu gehöre auch, eine „Brücke der Freundlichkeit“ zu den Mitbürgern zu schlagen, die aus anderen Ländern stammten. Während am Samstag das Bürgerfest an Gaucks Berliner Amtssitz vor allem für etwa 4000 ehrenamtlich engagierte Menschen offen war, durften am Sonntag erstmals alle Berliner und Hauptstadtbesucher Gäste sein. Die Menschen warteten zum Teil stundenlang auf Einlass, bei strahlendem Spätsommerwetter kamen deutlich mehr als die erwarteten 10 000.

Den Bürgern gefiel das neue Konzept des Festes, das sich deutlich von der eher durch Prominente aus Politik und Wirtschaft geprägten Veranstaltung der Vorjahre abhob. „Keine VIPs, sondern wir“, lobte ein Berliner. Unter den Gästen waren auch viele Kinder, die 18 Tage alte Leila vermutlich die jüngste Teilnehmerin. Der fünfjährige David war im Rollstuhl gekommen, er hatte sich das Schienbein gebrochen. Als einer der ersten erhielt er von Gauck ein Autogramm.

Sehr zum Vergnügen der Gäste rief Gauck auch dazu auf, das Bürgerfest als Gelegenheit zum Feiern zu nutzen. „Denken Sie nicht, dass sich hier ein linker protestantischer Kulturpessimismus einschleicht“, sagte er, und an anderer Stelle: „Ich träume schon jetzt von der Rente mit 77.“ So alt wäre Gauck bei Ablauf seiner Amtszeit 2017.

Ob es bei dem neuen Konzept für ein Bürgerfest bleibt, steht noch nicht fest. Gauck betomnte aber zum Abschluss, er könne sich „schwer vorstellen, dass wir diesen Ansatz ändern“. Die Rolle von Sponsoren wurde diesmal deutlich zurückgeschraubt und auf Sachspenden beschränkt. Kultur und Unterhaltung boten Orchester und Bands, die auf ihre Gage verzichteten. Unter den geladenen Gästen am Samstag waren Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) und Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP). Durch das Programm führte der Fernsehmoderator Johannes B. Kerner. (dpa)

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