Istanbul/Damaskus. Die Kämpfe in der nordsyrischen Metropole Aleppo gehen weiter. Syrische Artillerie beschoss am Sonntag die nordöstlichen Stadtteile Hananu und Al-Schaar, wie die Syrischen Menschenrechtsbeobachter in London berichteten. Neue Zusammenstöße wurden aus dem südwestlichen Bezirk Salaheddin gemeldet. Rebellen griffen dort die Regimetruppen an. Die Aufständischen waren vor drei Tagen aus Salaheddin verdrängt worden, das sie bis dahin kontrolliert hatten. Die Kämpfe um die strategisch wichtige Stadt dauern seit drei Wochen an.
Ein Artillerieangriff der Regimetruppen löste in der südlichen Provinz Daraa eine Flüchtlingswelle aus. Im Granathagel suchten die Bewohner Schutz in der Umgebung, teilten Aktivisten mit. Regierungstruppen griffen außerdem den Ort Al-Schamas in der Provinz Homs an. Nach Darstellung des oppositionellen Syrischen Nationalrats nahmen die Regimekräfte 350 Menschen fest. Es sei zu befürchten, dass sie hingerichtet werden. In Syrien sterben derzeit täglich schätzungsweise 100 bis 200 Menschen.
Mit verstärkter Zusammenarbeit wollen Washington und Ankara den Sturz des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad beschleunigen. „Niemand kann sagen, wann das Regime (in Damaskus) fallen wird, aber der Tag wird kommen“, sagte US-Außenministerin Clinton am Samstag in Istanbul. Auf eine mögliche Flugverbotszone in Syrien angesprochen, wollte sie sich nicht konkret äußern. Dies bedürfe einer genauen Analyse, auch wenn über alle Möglichkeiten gesprochen werde.
Die Gewalt des syrischen Regimes scheine keine Grenzen zu kennen, sagte Clinton in Istanbul. Die USA wollen nun zusammen mit der Türkei und anderen Partnern ihre Anstrengungen für ein Ende des Blutvergießens und für den Sturz Assads verstärken. Die Geheimdienste beider Staaten und die Streitkräfte sollten dabei eine wichtige Rolle übernehmen. Zudem müssten Lager für chemische Waffen bei einem Sturz des Regimes geschützt werden.
Auf Einzelheiten wie die von Journalisten auf der Pressekonferenz angesprochene Möglichkeit einer Flugverbotszone ging Clinton nicht ein. Vielmehr betonte sie, dass jeder einzelne Schritt auf seine möglichen Folgen hin gründlich geprüft werden müsse. Ist einmal der Sturz Assads erfolgt, müsse der syrischen Opposition geholfen werden, die Institutionen des Staates zu schützen und eine demokratische und pluralistische Regierung aufzubauen.
Die Chefin der US-Diplomatie und ihr türkischer Kollege Ahmet Davutoglu warnten vor einer dramatischen Verschärfung der humanitären Krise in dem Bürgerkriegsland. „Wir müssen sicherstellen, dass der Übergang möglichst ungestört passiert und es keinen Raum für ethnische Konflikte gibt“, sagte Davutoglu. „Solange der Krieg weitergeht, wird sich die humanitäre Lage verschärfen“, fügte er hinzu.
Die Arabische Liga verschob derweil ein für Sonntag in der saudischen Stadt Dschidda geplantes Außenminister-Treffen zur Lage in Syrien auf unbestimmte Zeit. Der stellvertretende Generalsekretär der Organisation, Ahmed bin Heli, nannte keinen Grund für die Verschiebung. Offizielle am Sitz der Liga in Kairo führten sie auf die Erkrankung des saudischen Außenministers Prinz Saud al-Faisal zurück. Der 71-Jährige war wegen einer Blutung in der Bauchhöhle operiert worden, teilte der Königliche Hof am Samstag in Dschidda mit.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) warnt trotz der Eskalation des Bürgerkriegs in Syrien vor einem militärischen Eingreifen in den Konflikt. „Denn eine militärische Intervention würde die Probleme eher vergrößern als verkleinern, weil dann ein Flächenbrand droht“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Er rief Russland und China auf, ihre „Blockadepolitik im Sicherheitsrat“ zu beenden und Assad die „schützende Hand“ zu entziehen. (dpa)
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