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Wann ist die richtige Zeit für einen Trainerwechsel?

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Alexander Laux leitet das Sportressort des Abendblatts

Alexander Laux leitet das Sportressort des Abendblatts

Foto: Thorsten Ahlf

Der FC Schalke 04 hat sich von Thomas Reis getrennt – auch HSV-Coach Tim Walter muss schnell wieder in die Erfolgsspur finden.

Hamburg. Gibt es in Hamburg aktuell eine Trainerdiskussion? Zugegeben eine eher rhetorische Frage. Eigentlich müsste es heißen: Wann wird beim HSV nicht über den amtierenden Coach gesprochen, ob negativ oder positiv? Dies liegt natürlich auch an der jüngeren Historie. Vor Tim Walter standen seit 2013 stolze 14 verschiedene Trainer (inklusive Interimslösungen) in der Coachingzone. Wechsel gehören da fast schon zum Alltag.

Ein Alleinstellungsmerkmal besitzt der Bundesliga-Dino a. D. damit natürlich nicht. Der FC Schalke 04, ein ähnlicher Traditionstanker kann beispielsweise locker mithalten bei 15 Trainerwechseln (inklusive Übergangslösungen) in den vergangenen zehn Jahren. Wie schnelllebig und schwankend es bei Beurteilungen über Fußballlehrer zugeht, zeigte sich bei Thomas Reis, der am „Schalke-Tag“ vor zwei Monaten wie ein Messias gefeiert wurde. Doch innerhalb von nur acht Wochen kippte die Stimmung. Diese Woche war für Reis Schluss.

Ex-HSV-Direktor Knäbel entließ Schalke-Trainer Reis

Vom „Schlittern in eine Ergebniskrise“ sprach Sportvorstand Peter Knäbel, der sich aus seiner Hamburger Zeit bestens mit Extremsituationen auskennt, nach der Entlassung von Reis. Bei einem Bundesliga-Absteiger ist naturgemäß die Zündschnur deutlich kürzer, wenn die Mission sofortiger Wiederaufstieg zu scheitern droht.

Profitrainer und deren Vorgesetzte wissen, dass Leistungsschwankungen zum Geschäft dazugehören. Die Chefs der Trainer stehen jedoch regelmäßig vor der schwierigen Frage, die jüngsten negativen Ergebnisse in den Gesamtkontext zu stellen und vor allem eine Prognose abzugeben, ob mit dem aktuellen Fußballlehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit die Wende gelingen wird – oder eben nicht.

HSV: Tim Walter arbeitet seit 2021 in Hamburg

Tim Walter kann auf der einen Seite stolz sein, dass er schon mehr als zwei Jahre beim HSV arbeiten darf. Aber schützt ihn das, in Ruhe auch eine Schwächephase souverän meistern zu können? Nein. Und wer hätte nach dem fünften Spieltag gedacht, dass nur zwei Partien später der Trainer in Hamburg in den Fokus gerät, unter Beobachtung steht?

Nachteilig für den 47 Jahre alten Walter ist, dass bei jeder Ergebniskrise und schwachen (bei Aufsteiger eins in Elversberg) und extrem schwachen (bei Aufsteiger zwei in Osnabrück) Auftritten sofort die Kritiker aktiv werden – intern wie extern –, die mit der Spielweise beziehungsweise Führung der Mannschaft nicht einverstanden sind.

HSV-Team muss Reaktion gegen Düsseldorf zeigen

Klar ist: Zeigt die Mannschaft am Freitag gegen Düsseldorf und eine Woche später bei Aufsteiger drei (Wehen Wiesbaden) nicht eine positive Reaktion, garniert mit dem passenden Ergebnis, wird der Handlungsdruck auf Vorstand Jonas Boldt, der seinen Trainer stets wie ein Bärenpapa verteidigt hat, gewaltig, und er muss sich gemeinsam mit seinem Vorstandskollegen Eric Huwer etliche Fragen stellen, vor allem diese: Wann ist die richtige Zeit für einen Trainerwechsel? Ist ein frischer Impuls von außen wichtiger als die von allen Clubs stets angestrebte Kontinuität auf dem wichtigsten Posten, den ein Fußballclub zu besetzen hat?

Die Gretchenfrage lautet dabei: Wer trägt die Hauptschuld an einer Ergebniskrise: der Trainer oder die Mannschaft? Und ergänzend: Folgt die Mannschaft noch ihrem Trainer oder distanziert sie sich in Teilen, äußert im schlimmsten Fall – wie in Gelsenkirchen geschehen – öffentlich Kritik an ihm?

Für Clubchefs ist es schwerer, am Trainer festzuhalten

Ein guter Vorstand hat stets auch schon eine Nachfolgeregelung im Kopf, den Trainermarkt gescannt und kann die Wahrscheinlichkeit ausloten, welche Variante vielversprechender ist.

Das Problem: Auf viele Fragen im Fußball gibt es keine eindeutige Antwort, je nach gewünschter Richtung wird dieses oder jenes Argument hervorgebracht. Wer es mit Walter hält, lobpreist dessen klare Vorgaben. Es ist aber genauso möglich, sein Spielsystem, seine Taktik als zu statisch zu monieren, das den Spielern zu wenig Spielraum, Möglichkeiten der Eigenverantwortung, der Gestaltung bietet.

Von außen ist es immer leicht und naheliegend in einer Krise, Wechsel zu fordern oder zu forcieren. Meistens erfordert es mehr Mut, an dem jeweiligen Trainer festzuhalten. Müssen diese aber am Ende doch gehen, bleibt ihnen ein Trost: Woanders kann ihnen wieder zugejubelt werden, siehe aktuell Daniel Thioune in Düsseldorf. Zumindest eine Zeit lang.

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