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Deutschstunde

Da ist noch Luft nach oben

| Lesedauer: 4 Minuten
Peter Schmachthagen
Peter Schmachthagen schreibt im Abendblatt wöchentlich über die Tücken der deutschen Sprache. Mails bitte an deutschstunde@t-online.de.

Peter Schmachthagen schreibt im Abendblatt wöchentlich über die Tücken der deutschen Sprache. Mails bitte an deutschstunde@t-online.de.

Foto: dpa/ Klaus Bodig

Oder: Das Leben ist kein Ponyhof. Angeblich bringen leere Floskeln Sprachmüll in die Welt.

Hamburg. Ein Sprichwort ist ein kurz gefasster, einprägsamer und lehrreicher Satz, der als bildhafter Vergleich eine allgemeine Lebensweisheit, eine Erfahrung oder eine Warnung ausdrückt. „Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben“ bedeutet, man solle sich nicht zu früh freuen und dürfe sein Urteil erst am Ende des Ereignisses treffen.

Wer am Mittag bei strahlendem Sonnenschein das Wetter preist, tut gut daran einzukalkulieren, dass am Abend ein Gewitter mit Sturzregen vom Himmel prasseln könnte. Bei dieser Gelegenheit ein dringend notwendiger Hinweis. Der Plural (die Mehrzahl) von „Sprichwort“ heißt „Sprichwörter“ und nicht etwa „Sprichworte“, wie ich es immer wieder in Briefen lese, deren Absender sich besonders hochsprachlich ausdrücken wollen.

Wo der Ausdruck Eselsbrücke herkommt

Eine Eselsbrücke ist ein Merkvers, um sich Fakten, Zahlen und Regeln leichter einprägen zu können. Der Ausdruck stammt von dem wasserscheuen Esel, der sich weigert, einen Fluss zu durchqueren, und dem man deshalb eine Brücke baut, um dieses Hindernis leichter meistern zu können. Es gibt übrigens auch Eselsbrücken, die sich auf die Grammatik und die Rechtschreibung beziehen, zum Beispiel „Nach l, m, n und r, das ist doch klar, steht nie tz und nie ck“.

Redensarten oder Redewendungen sind formelhafte Verbindungen von Wörtern, die immer wieder gebraucht und eingeschoben werden, ohne den Gehalt und die Vollständigkeit von Sprichwörtern erreicht zu haben („... wenn Ostern und Pfingsten auf einen Tag fallen ...“).

Doch was sind Floskeln?

Doch was sind Floskeln? Bei den Floskeln handelt es sich um nichtssagende, leere Ausdrücke oder Einschübe, die im Sprachniveau noch eine Stufe unter den Redewendungen stehen. Floskeln sind überall. Jeder verwendet sie. Es gibt nicht so eloquent Begabte, die ohne Floskeln keinen zusammenhängenden Satz zustande bringen, und es gibt Eloquente, die floskeln so geschickt, dass sie den eigentlich starren Wörtern noch ein wenig Kreativität einhauchen. „Da ist noch Luft nach oben“, meint Stefan Porombka in seinem Buch „Schöner floskeln“ (Dudenverlag).

Allerdings wird derjenige, der Floskeln gebraucht, von Sprachkritikern und verstaubten Oberstudienräten häufig beschuldigt, Sprachmüll in die Welt zu bringen, der zu bekämpfen sei. In der Oberprima hat mir ein Lehrer einen Besinnungsaufsatz so weit zusammengestrichen, bis nur noch ein totes Wortgerippe übrig geblieben ist, und auf der Universität bekam ich eine Arbeit über die SPD am Ende des Ersten Weltkriegs mit der Bemerkung zurück, der Text sei zu journalistisch abgefasst. Offenbar darf Wissenschaft nicht lesbar sein.

Wenn sich zwei Leute treffen, können sie nicht stumm bleiben. Also muss eine Floskel her: „Wie geht es Ihnen?“ Zwar interessiert es den Sprecher überhaupt nicht, wie es dem anderen geht, aber irgendetwas muss er ja sagen. Vielleicht schiebt er noch die Floskel „Lange nicht gesehen!“ nach, die endgültig ein gehaltvolles Gespräch blockiert.

Die Sprache der Liebe lebt von Floskeln

Die aussagekräftigste Floskel (Vorsicht! Ironie!) ist der Diskussionsbeitrag „Ich schließe mich den Worten meines Vorredners an“. Immerhin, das spart Zeit. Der Ausspruch „Das hätte ich nicht besser sagen können“ bewahrt die Zuhörerschaft vor misslungenen rhetorischen Anstrengungen. Wer in einer Sitzung allerdings subaltern äußert, der Meinung des Herrn Direktors zu sein, sollte aufpassen, weil der Herr Direktor bisher noch gar keine Meinung kundgetan hat.

„Morgen ist auch noch ein Tag“ dürfte zutreffen und auch mit Erbsensuppe auf einem Picasso nicht zu verhindern sein, aber warum das Leben „kein Ponyhof“ ist, bleibt einigermaßen unverständlich. Der Ponyhof bei uns auf dem Dorf zieht zwar meine Enkelin an, aber für das Ziel eines geregelten Lebens liegen mir doch zu viele Pferdeäpfel herum.

Zu den Schleimfloskeln gehören auch „Sie sprechen mir aus der Seele“ und „Ich bin ganz bei Ihnen“, was sich wie eine mentale Inanspruchnahme anhört. Die Sprache der Liebe lebt von Floskeln. Wenn die Ehefrau aber die Koffer packt und mit den Worten „Ich brauche Abstand“ das Haus verlässt, deutet das eher auf das Ende der Liebe hin.

deutschstunde@t-online.de

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