Wie lange sollen sich die Verhandlungen über Lohnprozente und Einmalzahlungen in den deutschen Seehäfen noch hinziehen? Bereits jetzt stauen sich die Containerfrachter in der Nordsee, warten auf ihre Abfertigung. Lieferungen von dringend benötigten Waren verzögern sich. Autos können nicht fertig montiert werden, Maschinenbauer warten vergeblich auf Teile. Zweimal schon haben die Arbeiter im Juni die Terminals mit Warnstreiks lahmgelegt. Und jetzt? Kommt es zum dritten, vierten, fünften Ausstand?
Die deutsche Wirtschaft steht vor der schwersten Rezession seit Jahrzehnten. Neben hohen Inflationsraten drohen stark steigende Arbeitslosenzahlen. Da kämen Hafenstreiks, die diese Entwicklung befeuern würden, zur Unzeit. Gewerkschaft und Arbeitgeber müssen endlich über ihren Terminalrand hinausblicken, sich der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung ihres Handelns bewusst werden. Schaut man auf das Angebot der Arbeitgeber, so kann sich dieses im Vergleich zu anderen Branchen sehen lassen. In der Spitze bieten sie ein zweistelliges Prozentplus bei einer Laufzeit von zwei Jahren an. Womöglich ließe sich die komplizierte Offerte noch etwas nachbessern – zum Beispiel bei den Einmalzahlungen.
Aber auch die Beschäftigten – mit ihren zumindest in Teilen überdurchschnittlich hohen Löhnen – müssen von ihren Maximalforderungen abrücken. Denn ihnen sollte klar sein: Je stärker die im internationalen Vergleich ohnehin schon hohen Lohnkosten steigen, desto schneller wird die Automatisierung an den deutschen Terminals voranschreiten. Und ein noch stärkerer Abbau von Arbeitsplätzen als ohnehin schon geplant, kann nicht wirklich im Interesse der Belegschaften sein.
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