Meinung
Kommentar

Guter Russe oder böser Russe?

Joachim Mischke ist Chefreporter beim Hamburger Abendblatt.

Joachim Mischke ist Chefreporter beim Hamburger Abendblatt.

Foto: Michael Rauhe

Über richtige Haltung und falsche Haltungs-Noten: Warum ein Programmheft-Hinweis zu Sinaisky moralisch problematisch war.

Hamburg. „Mit der russischen Invasion in die Ukraine war Sinaisky einer der ersten Musiker, der Position gegen den Angriffskrieg bezogen hat.“ Mal abgesehen davon, dass der Satz grammatikalisch humpelt – dieser Programmheft-Hinweis zur Biografie eines russischen Dirigenten, der gerade für eine erkrankte Kollegin eingesprungen ist, ist auch moralisch problematisch. Dass Sinaisky den gleichen Dirigierlehrer hatte wie der inzwischen weltweit als Putin-Verehrer geächtete Valery Gergiev – spricht das nun noch für Sinaisky? Oder schon gegen ihn?

Und aus Prag kam die Meldung, dass das Nationaltheater Tschaikowskys Rarität „Die Pantöffelchen“ aus Solidarität mit der Ukraine absetzt. Man verwies auf Teile des volkstheater-märchenhaft Plots, die vom „großen russischen Reich“ handelten. Was eher wenig überrascht, weil es eine Oper von 1887 nach einer Erzählung von Gogol ist. So weit, so irre sind wir jetzt also schon?

Sinaisky Bekennung sollte selbstverständlich sein

So gut und wichtig es ist, dass Sinaisky gezeigt hat, auf wessen Seite er bei der Verurteilung von Putins letztem Kriegsverbrechen steht – so falsch ist es, daraus eine Da-Seins-Berechtigung auf Konzertbühnen abzuleiten oder Gesinnungs-Checks für notwendig zu halten.

„Wir müssen Künstler nach ihrer künstlerischen Leistung bewerten und deren politische Haltung getrennt bewerten“, sagte Daniel Barenboim dem „Stern“. „Es ist bewundernswert, wenn Künstler es wagen, öffentlich zu widersprechen, aber gleichzeitig kann man es nicht erwarten.“ Doch. Kann man, wie man immer, von jedem und jeder anständiges Verhalten erhoffen darf. Aber man darf es nicht zwingend verlangen.

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