Meinung
Leitartikel

Warum die Corona-Botschaft der Ärzte so wichtig ist

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Lars Haider
Lars Haider ist  Chefredakteur des Hamburger Abendblatts.

Lars Haider ist Chefredakteur des Hamburger Abendblatts.

Foto: Andreas Laible / HA

Hamburger Ärztinnen und Ärzte rufen gemeinsam zur Impfung auf. Denn das Coronavirus bestraft Inkonsequenz.

Hamburg. Wenn Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) über das bevorstehende Ende der epidemischen Notlage von nationaler Tragweite schimpft, und das seit Wochen, vergisst er eins: Noch gilt sie, noch kann er problemlos alles an Maßnahmen verhängen, was er für sein Land für nötig hält.

Der Skandal ist nicht, dass die Notlage ausläuft, das ist angesichts einer Impfquote von rund 70 Prozent verständlich und wahrscheinlich auch rechtlich geboten. Der Skandal ist, dass Ministerpräsidenten wie Markus Söder es zugelassen haben, dass die Zahl der Corona-Neuinfektionen in ihren Ländern explodieren. Die Werte von Montag: Bayern kommt auf eine Sieben-Tage-Inzidenz von 525,7 Fällen je 100.000 Einwohner, Schleswig-Holstein auf 98. Die gesetzlichen Voraussetzungen und die Herausforderungen, was Impfungen betrifft, waren für alle gleich – offenbar hat sie Söders Unions-Kollege Daniel Günther deutlich besser genutzt.

Corona-Maßnahmen konsequent umsetzen

Das beweist, dass es im Kern bei der Bekämpfung der Pandemie nicht darum geht, welche Maßnahmen theoretisch und rechtlich zur Verfügung stehen. Entscheidend ist, sie konsequent (!) und so anzuwenden, dass sie jeder nachvollziehen kann.

Dabei hat Markus Söder, der deutsche Meister des Warnens und Ankündigens, versagt. Wer Corona im Griff behalten will, muss nicht über andere reden (und permanent im Fernsehen auftreten), sondern bei sich im Land anfangen. Nicht die epidemische Notlage von nationaler Tragweite ist entscheidend, sondern mobile Impfteams in Orten oder Stadtteilen, in denen Menschen leben, die man über die Medien nicht gut erreicht. Es hätten rechtzeitig Einladungen zum sogenannten Boostern, also der Auffrischung von Impfungen, an die Älteren und bestimmte Berufsgruppen verschickt werden und Impfzentren aufrechterhalten werden müssen.

Und: Wer von falschen Signalen im Verlauf der Pandemie spricht, muss sich zum Beispiel als bayerischer Ministerpräsident fragen lassen, was für eine Botschaft von der zwischenzeitlichen Aufhebung der Maskenpflicht im Schulunterricht ausging …

Das Hin und Her verunsichert die Menschen in einer Krise, wie wir sie gerade erleben, noch stärker, als es das Virus sowieso macht. Es liefert denen Argumente, die an Impfungen und der Corona-Politik grundsätzlich zweifeln. Und: Regierungschefs wie Markus Söder vermitteln das Gefühl, dass sich die Lage vor allem durch politische Entscheidungen entspannen lässt. Das ist falsch, auch weil die Politik quer durch alle Parteien eine generelle Impfpflicht ausgeschlossen hat. Der Kampf gegen das Virus kann nur ein Kampf aller gegen einen sein, das ist die entscheidende Botschaft in diesen Tagen. Es kommt auf jeden an, und es reicht, wenn jeder ausnahmsweise an sich denkt und sich zum eigenen Schutz impfen lässt. Das klingt egoistisch, ist in diesem besonderen Fall aber solidarisch und ein Beitrag für ein besseres Leben in der Gesellschaft.

Hamburger Ärzte rufen gemeinsam zur Impfung auf

Dass Hunderte Hamburger Ärztinnen und Ärzten, also die Menschen, denen die Mehrheit von uns laut Umfragen am meisten vertraut, gemeinsam zur Impfung aufrufen, ist deshalb wichtiger als die politische Debatte darüber, was man machen könnte und machen sollte. Wir haben lange, viel zu lange, über Corona geredet, und sind wieder einmal sehenden Auges in eine Infektionswelle gestolpert. Dieses Virus lässt nicht mit sich diskutieren, es bestraft Unentschlossenheit und Inkonsequenz im Handeln Tag für Tag.

Wir brauchen keine Ansagen mehr, weder aus München noch aus Berlin. Was wir brauchen, sind Taten. Der Norden zeigt zum Glück, wie das geht.

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