Hamburg. Die Rechnung ist einfach: Wenn wir in Deutschland Herdenimmunität erreichen wollen, müssen sich zwischen 80 und 85 Prozent der Bürgerinnen und Bürger gegen das Coronavirus impfen lassen. Zahlen, die sich nur erreichen lassen, wenn Kinder und Jugendliche an der Impfkampagne beteiligt werden, denn sie machen allein rund 18 Prozent der Bevölkerung aus. Deshalb ist es richtig und gut, wenn Hamburg jetzt 16- bis 18-Jährigen ein spezielles Impfangebot macht, zumal man dieser Altersgruppe auf jeden Fall zutrauen kann, mitzuentscheiden, ob sie geimpft werden möchte oder nicht.
Grundsätzlich werden wir uns alle noch einmal eindringlich mit der Frage beschäftigen müssen, wie wir mit Kindern in der Corona-Zeit umgehen. Die Forderung, dass man, nachdem irgendwann im August oder September alle Erwachsenen (!) ein Impfangebot erhalten haben, die AHA-Regeln aufhebt, ist hoffentlich nicht ernst gemeint.
Für Kinder unter zwölf Jahren gibt es bisher keine zugelassene Impfung
Das würde nämlich bedeuten, dass die Delta-Variante des Virus durch die Schulen, durch Schülerinnen und Schüler, „durchrauschen“ würde, wie es ein Kinderarzt im Gespräch mit dem Abendblatt formulierte. Und genau das, eine unkontrollierte Ausbreitung der Pandemie, wollten wir doch um jeden Preis verhindern. Oder galt das nur für Erwachsene?
Die sind in den kommenden Wochen besonders in der Pflicht. Denn für Kinder unter zwölf Jahren gibt es bisher keine zugelassene Impfung, sie können vor dem Virus also nur geschützt werden, wenn sich viele Erwachsene dagegen impfen lassen. Das muss weiter das größte, wichtigste Ziel sämtlicher Werbe- und Aufklärungskampagnen sein, die mir persönlich aktuell nicht kreativ und konsequent genug sind.
Wir brauchen eine deutliche Unterscheidung zwischen Geimpften, Genesenen und Getesteten
Es reicht nicht mehr, Plakate mit Prominenten zu zeigen, die oben auf dem linken Arm ein Pflaster kleben haben. Wir brauchen neue Anreize, sich impfen zu lassen, wie die Aussicht für Studierende, nach einer Impfung wieder an einer Präsenzvorlesung teilnehmen zu können. Vielleicht brauchen wir auch Gewinnspiele. In England etwa werden Eintrittskarten für das EM-Finale unter jenen verlost, die sich jetzt schnell impfen lassen.
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Und wir brauchen eine deutliche Unterscheidung zwischen Geimpften, Genesenen und Getesteten. Ein negativer Schnelltest darf kurz- bis mittelfristig nicht mehr mit einer Impfung gleichgestellt werden, weil er schlicht nicht dieselbe Wirkung im Kampf gegen die Pandemie und für die Herdenimmunität hat. Soll heißen: Man muss keine Privilegien für Geimpfte einführen, wenn man das, was man mit Selbsttests unternehmen darf, reglementiert.
Große Informationskampagnen sind wichtig
Genauso wichtig ist es, in großen Informationskampagnen allen Bürgerinnen und Bürgern klarzumachen, dass wir uns an einem besonderen Punkt der Pandemie befinden – und dass die Gefahr für alle, die nicht geimpft sind, von Tag zu Tag größer wird. Man muss erklären, dass ein Ungeimpfter zwischen 30 und 50 Jahren heute eine viel größere Wahrscheinlichkeit hat, sich mit Corona zu infizieren und an Covid-19 zu erkranken, als vor einem Jahr.
Das liegt nicht nur an statistischen Gründen, sondern vor allem an der Delta-Variante, die wohl doppelt so ansteckend ist wie der Urtyp des Virus. Kommt hinzu, dass sich das Virus selbst angesichts der vielen Geimpften in einem Überlebenskampf befindet und deswegen in den kommenden Monaten weitere, vielleicht noch ansteckendere und gefährlichere Varianten herausbilden dürfte.
Das sollten alle wissen. Und natürlich dieses: Es ist so gut wie ausgeschlossen, dass man als Einzelner in naher Zukunft nicht mit dem Virus in Kontakt kommt. Wenigstens hat jeder die Wahl, ob dies bei einer Infektion oder bei einer Impfung passieren soll.
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