Ihnen wird aufgefallen sein, dass diese Kolumne keine Schulgrammatik ist, in der Folge für Folge mehr oder weniger trocken die sprachliche Struktur des Deutschen vom einzelnen Buchstaben bis zum Satz und Kontext behandelt wird, sondern eine Plauderei über die Sprache mit ernstem Hintergrund, aber hoffentlich nicht gar so ernstem Auftreten. Das erlaubt, von Woche zu Woche das Thema zu wechseln, mal hier und mal da einen Stolperstein aufzugreifen, ihn zu drehen, zu wenden und ihn zu untersuchen.
Ihnen wird ebenfalls aufgefallen sein, dass die äußere Form dieser Kolumne auf der Seite 2 des Abendblatts nicht verändert werden darf. Mehr als 115 Zeilen passen nicht ins Layout. An diese Grenze stoße ich häufiger, wenn ich am Montagnachmittag kurz vor Redaktionsschluss so richtig ins Schreiben gerate. Manche Themen sind dann nicht ausdiskutiert und rufen nach einer Fortsetzung sieben Tage später.
Diesmal muss ich die Beantwortung der Fehlermeldungen fortsetzen, die von den Lesern eifrig, manchmal ein wenig zu eifrig aufgesammelt werden, die aber gar keine Fehler sind. Ein alter Herr schrieb, ein Wort werde nicht „großgeschrieben“, sondern „groß geschrieben“. Der Herr irrt – oder sagen wir besser: Er hat die orthografischen Zeitläufte nicht mitbekommen.
Laut der Rechtschreibreform wird ein Wort großgeschrieben oder kleingeschrieben – also mit einem großen oder kleinen Anfangsbuchstaben versehen –, aber von der Lehrerin groß an die Wandtafel geschrieben, damit Klein Uschi es auch in der letzten Bankreihe gut lesen kann. Selbst die Liebe zum Vaterland wird, falls es so etwas heutzutage überhaupt noch gibt, groß geschrieben. Vor 1998 war es genau umgekehrt (die Schreibweise, nicht die Vaterlandsliebe).
Jetzt lautet die Regel: Die Wortgruppen Adjektiv (oder Partizip) und Verb werden zusammengeschrieben, wenn das Adjektiv in einer Verbindung weder steigerbar noch erweiterbar ist. Der Adjektivteil bei der Verbverbindung großschreiben kann nicht gesteigert werden – ein Wort beginnt entweder mit einem Großbuchstaben oder mit einem Kleinbuchstaben, einen „Größerbuchstaben“ gibt es nicht. Also kommt nur die Zusammenschreibung infrage. Die Lehrerin muss aber trotz des zusätzlichen Kreideverbrauchs das gesamte Wort größer schreiben (Komparativ), wenn Uschi quengelt, sie könne die Schrift an der Tafel nicht lesen. Auch die Liebe zum Vaterland oder zur Ehefrau (die Reihenfolge darf getauscht werden) kann groß, sehr groß (Erweiterung) oder größer (Steigerung) als früher sein. Zwar sollte man seine Liebe nicht trennen, die Bezeichnung ihres Grades in der Rechtschreibung aber schon.
Ich fürchte, ich muss an dieser Stelle einen Bonus-Absatz einfügen, um nicht von Buchstabensammlern überrannt zu werden, die den Duden mit orthografischen Windmühlen verwechseln. Erfahrungsgemäß halten die meisten Abendblatt-Leser die Schreibweise „Zeitläufte“ für einen Tippfehler, den sie mit Freude eintüten und absenden. Ich bin jedoch fest entschlossen, diese Fundsache den ehrlichen Findern als Eigentum zu überlassen. Selbstverständlich schreibt man Zeitläufte mit „t“. Bei -läufte handelt es sich um den Plural der heute nicht mehr gebräuchlichen Substantivbildung der Lauft.
Vorsichtshalber noch ein Hinweis: zusammenschreiben schreibt man zusammen, falls zwei Wortteile zusammengefügt werden. Schreibt man sie hingegen getrennt, werden sie getrennt geschrieben, nicht nur die Wörter, sondern auch die Verb-Fügungen. Wenn jedoch Uschi und der kleine Ben zusammen schreiben, nämlich gemeinsam eine Geburtstagskarte an die „libe orma“, dann wird zusammen schreiben getrennt geschrieben, wobei es angesichts der benutzten Grundschul-Orthografie darauf nun auch nicht mehr ankommt.
Heißt es „das Millennium“ oder „das Millenium“ (Jahrtausend)? Millennium mit Doppel-l und Doppel-n bitte, und zwar nach lat. mille (tausend) und annus (Jahr). Allerdings wurde das „Wort des Jahres 1999“ in der Schreibweise „Millenium“ auf den Weg gebracht. Seitdem geht es durcheinander wie Kraut und Rüben.
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