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Die späte Medaille – ein Sieg über Doping

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Rainer Grünberg

Die Auszeichnung für eine Hamburger Leichtathletin zeigt: Das Instrumentarium gegen Betrüger im Sport hat an Schlagkraft zugelegt

Es war am vergangenen Freitag eine kleine, kaum beachtete Meldung. Die Botschaft aber, die von ihr ausging, war bedeutend. Die ehemalige Hamburger Mittelstreckenläuferin Diana Sujew hatte gerade bei den Leichtathletik-Europameisterschaften Bronze über 1500 Meter gewonnen.

Das Besondere daran: Das Rennen fand am 1. Juli 2012 in Helsinki statt, Sujew war als Sechste ins Ziel gekommen. Doch im Laufe der Jahre lichtete sich das Feld vor ihr. Die Türkin Asli Cakir Alptekin, die sich sechs Wochen später in London – ebenfalls zu Unrecht – als Olympiasiegerin feiern ließ, wies 2015 Unregelmäßigkeiten in ihrem biologischen Pass aus. Sie wurde rückwirkend gesperrt wie die viertplatzierte Russin Jekaterina Gorbunowa. Vor einer Woche erwischte es nun die Ukrainerin Anna Mischtschenko, die über Platz drei gejubelt hatte.

Sujew hatte sich den Moment ihres bislang größten Erfolgs immer etwas anders vorgestellt, und die nachträgliche Genugtuung ersetzte ihr weder entgangene Prämien, mögliche Sponsorenzahlungen, die spontane Freude noch die Gefühle während einer Medaillenzeremonie im Stadion. Dennoch zeigt dieser Vorgang, dass der Sisyphoskampf gegen Doping vielleicht doch noch zu gewinnen ist.

Dazu passt die Nachricht aus dieser Woche, dass bei neun äthiopischen Läufern, darunter angeblich fünf Topathleten, verbotene Substanzen im Blut oder Urin nachgewiesen werden konnten. Die nicht minder ausdauernden Nachbarn aus Kenia haben längst auch das eine oder andere Teströhrchen getrübt. Den russischen Leichtathleten droht gar weiter der Ausschluss von den Olympischen Sommerspielen im August in Rio de Janeiro. Das Netz der Dopingfahnder scheint sich zuzuziehen. Und seitdem der Senegalese Lamine Diack, 1999 bis 2015 Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF, aus dem miesen Spiel ist, sind auch die Chancen größer geworden, dass positive Proben nicht mehr weggeschüttet werden – was in vielen Verbänden lange Zeit gelebte Tradition war. Diack hatte sich für solche Dienste von den Betroffenen stets fürstlich entlohnen lassen.

Selbst der kanadische Sprinter Ben Johnson hätte 1988 bei Olympia in Seoul einer langjähriger Sperre entkommen können, hätte nicht ein Laborbote das positive Ergebnis ausgeplaudert. Wäre es nach dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) gegangen, hätte wohl niemand davon erfahren müssen. Zwei Tage später, das erzählen verlässliche amerikanische Quellen, habe die Vertuschung schließlich funktioniert, als 100-Meter-Siegerin Florence Griffith-Joyner (USA) ähnlich auffällig unterwegs wie Johnson war. Das IOC glaubte, damit größtmöglichen Schaden von seinen Spielen nehmen zu können.

Inzwischen aber haben die Damen und Herren der Ringe offenbar begriffen, dass die verlorene Glaubwürdigkeit des Spitzensports – wenn überhaupt – nur mit einem überzeugenden Konzept gegen Doping zurückzugewinnen ist. Die Erfolgsaussichten haben sich zudem verbessert. Das Instrumentarium gegen Sportbetrüger hat an Schlagkraft gewonnen. Die schärfste Waffe ist dabei das Aufbewahren der Proben für mindestens acht Jahre, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse nachträglich bei der Fahndung zu nutzen.

Ein Vorschlag des Ruder-Olympiasiegers von 1988, Professor Wolfgang Maennig, könnte darüber hinaus helfen, weitere potenzielle Manipulateure abzuschrecken. Maennig würde einen Teil der Prämien erst nach Karriereende auszahlen, wenn die Leistungen des Athleten über alle Zweifel erhaben waren. Schlössen sich auch noch die Sponsoren diesem Modell an, sollte sich Doping irgendwann nicht mehr lohnen.

Auch die Verbände könnten stärker in die Pflicht genommen werden. Führte man für sie wie für ihre Sportler Olympianormen ein, etwa den Nachweis, die Top 20 ihrer Weltrangliste zehnmal im Jahr zu kontrollieren, andernfalls würde ihre Sportart von den Spielen ausgeschlossen, wäre eine zweite Front aufgebaut.

Eine Sportlerin wie Diana Sujew müsste dann nicht vier Jahre auf ihre verdiente Medaille warten.

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