Essen. Im 16. Fall der ZDF-Reihe „Unter anderen Umständen“ werden die Ermittlern von einem alten Fall eingeholt. Lohnt sich das Einschalten?

„Niemand trägt Schuld an der Liebe, aber gerade der Liebe wegen gibt es so viel Schuld.“

Der Satz erinnert an die leitmotivischen Zitate, die vielen Romanen vorangestellt sind. In der 16. Folge der Reihe „Unter anderen Umständen“ fällt er erst spät, gleichsam als fatalistisches Resümee.

Am Ende der von Judith Kernel gewohnt eindringlich und subtil erzählten Krimi-Tragödie „Über den Tod hinaus“ (Buch: André Georgi) haben viele Schuld auf sich geladen – nicht nur im juristischen Sinne.

„Unter anderen Umständen“: Entzug als Kroatien-Urlaub getarnt

Seit das ZDF das Team Jana Winter (Natalia Wörner), Matthias Hamm (Ralph Herforth) und Arne Brauner (Martin Brambach) 2006 erstmals in Schleswig-Holstein ermitteln ließ, war die Haupthandlung immer eng verknüpft mit dem privaten Umfeld, den persönlichen und beruflichen Befindlichkeiten der Protagonisten.

Die kluge Fortschreibung der Charaktere gehört zu den großen Pluspunkten der Reihe. Wobei der Zuschauer nicht alle Entwicklungslinien kennen muss. In diesem Fall reicht es zu wissen, dass dem ehemaligen Teamleiter Brauner nach einer Ausschreibung Jana Winter als Leitende Kommissarin vor die Nase gesetzt wurde und er die empfundene Demütigung im Suff ertränkte.

Er ist nun keine große Hilfe, weil er seinen angeblichen und mit Handy-Selfies vom Vorjahr bezeugten Kroatien-Urlaub tatsächlich (und erfolgreich) in einer Entzugsklinik verbringt.

Obduktion in Nacht- und Nebelaktion

Brauner (Martin Brambach, l.), Alwa Sörensen (Lisa Werlinder 2.v.l.), Matthias Hamm (Ralph Herforth, r.) und Jana Winter (Natalia Wörner, 2.v.r.) stehen am Grab von Nicole Seidel, von der es zunächst hieß, sie sei ertrunken, die dann aber im Zentrum des neuen Mordfalls steht.
Brauner (Martin Brambach, l.), Alwa Sörensen (Lisa Werlinder 2.v.l.), Matthias Hamm (Ralph Herforth, r.) und Jana Winter (Natalia Wörner, 2.v.r.) stehen am Grab von Nicole Seidel, von der es zunächst hieß, sie sei ertrunken, die dann aber im Zentrum des neuen Mordfalls steht. © ZDF und Manju Sawhney | Manju Sawhney

Es ist Matthias Hamm, der die Ereignisse in Gang bringt. In einer Nacht- und Nebelaktion hat er die Leiche einer ehemaligen Freundin exhumieren und obduzieren lassen. Jana Winter ist entsetzt, der zuständige Staatsanwalt tobt. Doch Hamms Instinkt hat ihn nicht getäuscht. Nicole Seidel, vor drei Wochen angeblich in der Ostsee ertrunken, ist tatsächlich ermordet worden.

Das Brisante: Vor 15 Jahren war Nicole seine Hauptzeugin im Fall der verschwundenen Tochter eines Pastors. Gefunden wurde das Mädchen nie. Weil er sich damals in die Zeugin verliebt hatte, wurde Hamm wegen Befangenheit von dem Fall abgezogen. Nicoles belastende Aussage führte in einem Indizienprozess zur Verurteilung von Oliver Plessner (Thomas Arnold) wegen Kindesmissbrauchs.

Dieser Plessner ist vor sechs Wochen entlassen worden, und Hamm, in dem die erinnerte Liebe noch nachwirkt, vermutet einen Racheakt. Jana hat Zweifel. Beide beginnen, unterstützt von der neuen Kollegin Alwa Sörensen (Lisa Werlinger), den alten Fall neu aufzurollen.

Wer außer Plessner, der bis heute seine Unschuld beteuert, hätte ein Motiv, Nicole zu töten? Ihr aktueller Lebensgefährte vielleicht, von dem sie sich offenbar trennen wollte? Andererseits hatte nicht nur Nicole gegen den ehemaligen Trainer einer Mädchen-Handballmannschaft ausgesagt.

Martin Erhardt (Peter Schneider), der mit seiner Frau eine Kaffee-Rösterei betreibt, hatte Plessner im Prozess glaubhaft pädophiler Neigungen bezichtigt. Ist Erhardt ebenfalls gefährdet? In seiner Fixierung auf Plessner manövriert sich Hamm, von Winter kaum zu stoppen, an den Rand einer Suspendierung.