Berlin. Alle reden über das SPD-Mitgliedervotum? Anne Will nicht. Die ARD-Talkerin setzte auf das Thema Diesel – eine fragwürdige Entscheidung.

Ohne Erklärung ging es nicht. Als Anne Will ihre Zuschauer am Sonntagabend begrüßte, musste sie doch noch etwas zum eigentlichen Thema des Tages sagen. Durch das

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konnte eine Regierungskrise abgewendet werden. „Es ist auch mal gut damit, dass die Politik sich nur um sich selber dreht“, hob Will an. Jetzt gehe es um die Sachthemen, um die sich Schwarz-Rot in den nächsten vier Jahren kümmern muss – zum Beispiel den Diesel. Das kann man so sehen.

Eine Überleitung, die konstruiert wirkt

Allerdings wirkte diese Überleitung für eine Talkshow, die so nah wie möglich am Tagesgeschehen sein will, doch arg konstruiert. Denn auch wenn die SPD-Mitglieder – aus Überzeugung oder nicht – für eine Regierungsbeteiligung stimmten, ist doch keineswegs klar, wie es mit der dahinsiechenden ehemaligen Volkspartei weitergeht. Und welche Idee diese neue Regierung überhaupt hat. Eine Einordnung wäre also nötig gewesen.

Stattdessen fragte Anne Will „Das Diesel-Chaos – wer übernimmt jetzt Verantwortung?“. Und wenn die Moderatorin schon zu Beginn die eigene Themenwahl rechtfertigen muss, ist das selten ein gutes Zeichen. Es klappte dann trotzdem, irgendwie. Anne Will darf sich bei ihren Gästen bedanken, die mit offenem Visier diskutierten.

CSU-Minister und VW-Vorstand reden Urteil klein

Erwartungsgemäß versuchten CSU-Verkehrsminister Christian Schmidt und VW-Vorstand Herbert Diess das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, wonach Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge möglich seien, klein zu reden. „Es gibt hohe Hürden dafür, das ist eine Bestätigung unserer Politik“, so Schmidt. „Wir haben 20 Städte mit lokal sehr überschaubaren Streckenabschnitten, die wir schnell verbessern müssen“, sagte Diess.

Also alles halb so wild?

Auch wenn Anne Will es mehrmals probierte: Fehler der Politik wollte CSU-Minister Schmidt nicht einräumen. Den Part übernahm die grüne Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt, die Schmidt „eklatantes Versagen“ vorwarf. Die Luft in deutschen Städten sei zwar sauberer geworden. Aber eben nicht so, wie sie hätte sein sollen. „Die Bundesregierung hat jahrelang ihre Verantwortung nicht wahrgenommen“, sagte Göring-Eckardt. Dem Minister, immer wieder arg in Bedrängnis, fiel nicht mehr ein, als Fahrverbote abzulehnen. „Das wäre Enteignung“, so Schmidt.

Was Diesel-Fahrer jetzt wissen müssen

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    Deutlich interessanter war das, was VW-Vorstand Diess zu sagen hatte. Die Tatsache, dass sich Kunden nicht auf die Schadstoff-Angaben der Hersteller verlassen können, wischte er mit einer flapsigen Bemerkung bei Seite: „Alle Fahrzeuge haben höhere Emissionen als auf dem Prüfstand“. Eine Aussage, die zumindest Zweifel daran lässt, dass die Industrie die Fehler der Vergangenheit aufgearbeitet haben.

    Software-Updates statt Hardware-Nachrüstungen

    Der Volkswagen-Konzern steht besonders in der öffentlichen Kritik, obwohl die anderen Autobauer mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben. Eine Hardware-Nachrüstung, um Diesel-Fahrer vor Fahrverboten zu schützen, lehnte Diess aber ab. „Das wäre ein sehr starker Eingriff ins Fahrzeug“, sagte er. Man baue damit quasi „eine kleine Chemie-Fabrik“ ins Auto ein. „Wir wollen lieber Lösungen, die schnell helfen“, so der Manager. Dazu zählten Software-Updates.

    Dass die Diesel-Antriebstechnik mehr als eine Übergangslösung ist, bestritt – bis auf die Grüne Göring-Eckardt – niemand in Wills Runde. Ex-Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg, der in E-Mobilitätsunternehmen investiert, ärgerte sich trotzdem darüber, dass Deutschland bei neuen Antriebstechniken international zurückfalle. „Die Zukunft der Mobilität ist autonom, billiger und effizienter“, sagte er. Dem Individualverkehr stehe eine Revolution bevor. „Der Sprung wird so groß sein wie der vom Pferd zum Auto“, so der ehemalige Formel-1-Pilot.

    Doch bis es so weit ist, wird der Diesel noch eine große Rolle spielen. Die Debatte um Fahrverbote und verprellte Kunden verebbt also nicht so schnell. Tagesthema hin oder her.

    Die komplette Sendung in der ARD-Mediathek