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Krimi in der ARD: Mörderjagd auf der Ostsee-Insel

| Lesedauer: 5 Minuten
Irene Jung
Schwieriges Verhältnis: Karin (Katrin Sass) und ihre Tochter Julia (Lisa Maria Potthoff)

Schwieriges Verhältnis: Karin (Katrin Sass) und ihre Tochter Julia (Lisa Maria Potthoff)

Foto: NDR/Christiane Pausch

Katrin Sass und Lisa Maria Potthoff überzeugen in „Der Usedom-Krimi: Engelmacher“, der heute in der ARD zu sehen ist.

Hamburg. Deutschlands zweitgrößte Insel Usedom hat mehr zu bieten als Strand: einsame Moore, schöne Bäderarchitektur und verzwickte Kriminalfälle. Alles gute Gründe, warum die beiden ersten Usedom-Krimis mit sechs und fünf Millionen Zuschauern zu Quoten-Hits wurden. Heute Abend sendet das Erste die dritte Folge: In „Engelmacher“ müssen sich die Ex-Staatsanwältin Karin Lossow und ihre Tochter Julia mit einem besonders fiesen Verdacht herumschlagen.

Lossow, gespielt von Katrin Sass, ist eine Figur wie eine Steilküste: Die ehemalige Anklagevertreterin erschoss ihren Mann und fiel tief, saß jahrelang im Gefängnis. Jetzt versucht sie, in ihrer alten Heimat Usedom wieder Fuß zu fassen. Ihre Tochter Julia (Lisa Maria Potthoff), Kommissarin bei der örtlichen Polizei, ist davon bis zur Halskrause genervt, nur ihr Mann und ihre eigene Tochter stehen der gefallenen Großmutter offener gegenüber. Karin und Julia tun sich schwer damit, das Familiendrama zu bewältigen.

Die ehemalige Staatsanwältin gerät unter Mordverdacht

Und jetzt wälzt ihnen Usedom wieder neue Findlinge in die Quere: Kaum ist Julia nach ihrem schweren Unfall (am Ende von Folge zwei) aus der Reha heimgekehrt, hat sie gleich mit einem Vermisstenfall zu tun. Die junge Polin Jadwiga, die im selben Heringsdorfer Strandcafé jobbte wie Julias Tochter Sophie (Emma Bading), ist verschwunden. Jadwigas Freund Christoph befürchtet das Schlimmste. Dennoch nimmt er an einer Protestaktion von radikalen „Lebensschützern“ vor der Ostseeklinik teil, in der viele Polinnen eine Abtreibung vornehmen lassen. Karin Lossow hat während Julias Abwesenheit ein gutes Verhältnis zu ihrer Enkelin Sophie gewonnen. Aber plötzlich steht vor ihrem Gartenzaun ausgerechnet die frühere Geliebte ihres Ehemanns, die polnische Ärztin Malgorzata. Karin lehnt zunächst jeden Kontakt ab, lässt sich dann doch auf ein Treffen ein. Kurz darauf ist Malgorzata tot.

Karin Lossow gerät sofort unter Verdacht. Wer hätte ein besseres Motiv als eine betrogene Frau? Auch Julia denkt in diese Richtung und ist geschockt: „Das ist wie ein Déjà-vu, ich dreh noch durch.“ Für sie ist der Mordverdacht gegen ihre Mutter eine schwere Belastung, zumal sie selbst sich alleingelassen fühlt: Ihr polnischer Freund und Kollege hat sich versetzen lassen ...

Die deutsch-polnische Nachbarschaft ebenso wie die grenzübergreifende Polizeiarbeit sind mittlerweile ein Erkennungsmerkmal der Usedom-Krimis. Für Regisseur Alexander Freydank ein wichtiger Aspekt: „Gerade in Zeiten, in denen Europa auseinanderdriftet, war es schön, in einer Region zu drehen, wo man immer weniger merkt, auf welcher Seite der Grenze man ist“, sagt er. Die Ärztin Malgorzata wird von der gefragten polnischen Schauspielerin Magdalena Boczarska gespielt, die fließend deutsch spricht und unter anderem bereits im „Tatort“ zu sehen war.

Katrin Sass hat eine Gratwanderung zu bewältigen

Wie der Titel „Engelmacher“ andeutet, geht es diesmal im Hintergrund um den polnischen „Abtreibungstourismus“ nach Deutschland. In Polen sind Abtreibungen nur nach strengen Indikationen erlaubt – einer Vergewaltigung, bei einem hohen Gesundheitsrisiko für die Frau oder wenn dem Kind eine schwere Behinderung droht. Viele Ärzte weigern sich, den Eingriff vorzunehmen. Den offiziell nur 500 bis 600 Schwangerschaftsabbrüchen pro Jahr stehen schätzungsweise 150.000 bis 200.000 illegale Abtreibungen gegenüber, für die viele Polinnen ins Ausland reisen, vor allem nach Deutschland. „Ein schwieriges und umstrittenes Thema in Polen“, sagt Magdalena Bo­czar­ska, „umso mehr, als wir eine neue Regierung haben, die bei diesem Thema eine sehr orthodoxe Meinung vertritt.“

Katrin Sass hat mit ihrer Rolle eine Gratwanderung zu bewältigen: Sie gibt der um ihre Rehabilitierung kämpfenden Lossow ein wandlungsfähiges Gesicht zwischen natürlicher Autorität und manchmal schüchterner Annäherung – ein neuer Platz in der Familie fällt ihr nicht in den Schoß. Aber auch ihre Enkelin Sophie schaltet sich immer stärker ein: Sie schätzt ihre Großmutter und will Vertrauen aufbauen. Für Katrin Sass eine Konstellation, die viele Möglichkeiten schafft: „Wir wollten drei starke Frauen, Mutter, Tochter und Enkelin, und über diese Konstellation vielleicht eine etwas andere Geschichte erzählen“, sagt die Schauspielerin. Zumindest Karin und Tochter Julia sind sich verzwickt ähnlich: beide nach außen verschlossen und kühl wie das Achterwasser, hinter der Fassade gefühlsstark und sogar störrisch.

Ab und zu verirren sich übrigens Wölfe auf die Insel. Auch in einigen Szenen von „Engelmacher“ streift ein Wolf durch die verlassenen Gehölze ehemaliger LPGs. Ein zuerst irritierender, fast mystischer Anblick, und ein Fingerzeig: Auch auf Usedom herrscht eben nicht immer Sonnenschein.

„Der Usedom-Krimi: Engelmacher“
10.11., 20.15 Uhr, ARD

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