Medienexperte Kai-Hinrich Renner über das Timing Til Schweigers, der als Favorit auf die Nachfolge Mehmet Kurtulus' als “Tatort“-Kommissar gilt.

Man kann der "Bild"-Zeitung, die wie das Abendblatt in der Axel Springer AG erscheint, ja eine ganze Menge vorwerfen, nur eines nicht: dass sie langweilig sei. Da überrascht es schon, dass "Bild" am Mittwoch mit einer, nun ja, etwas betagten Geschichte aufmachte: "Til Schweiger wird 'Tatort'-Kommissar!", titelte das Boulevardblatt auf Seite eins.

Dies ist bereits seit dem 10. September bekannt. Damals berichtete die "FAZ" unter dem Titel "Eine neue Rolle", Schweiger kehre "bald zum Fernsehen zurück - als neuer ,Tatort'-Kommissar des Norddeutschen Rundfunks". Auch darüber, dass der 47-Jährige am "Standort Hamburg" ermitteln werde, spekulierte die Zeitung damals schon.

Seither hat sich so fürchterlich viel nicht getan. "Bild" selbst räumt ein, dass die Verträge zwischen Schweiger und dem NDR nach wie vor nicht unterschrieben sind. Weshalb aber bringt das Blatt dann die Geschichte auf der Eins?

Womöglich liegt das ja an der sehr guten Pressearbeit des Schauspielers, dem exzellente Kontakte zu "Bild" nachgesagt werden. Es dürfte nach diesem Stück dem NDR, der Schweiger ja auch haben will, sehr schwer fallen, das Engagement des Mimen noch an etwaigen Meinungsverschiedenheiten in diesem oder jenem Punkt scheitern zu lassen. Das Timing ist ebenfalls grandios: Am Mittwoch brachte "Bild" nicht nur Schweiger auf der Eins, sondern Sat.1 auch dessen Film "Keinohrhasen" zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr.

Seine beispielhafte Öffentlichkeitsarbeit und sein einnehmendes Äußeres haben Schweiger in Deutschland zu einem Star gemacht. Filme, in denen er mitwirkt, sind Kassenschlager. Dass der NDR sich vom künftigen "Tatort"-Kommissar Schweiger exzellente Quoten verspricht, ist nachvollziehbar, aber auch ziemlich einfallslos. Mit seinem Engagement geht der Sender auf Nummer sicher.

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Das ist auch deshalb ärgerlich, weil der NDR sich bisher weitaus mehr zugetraut hat: Mehmet Kurtulus, der seit 2008 als Kriminalhauptkommissar Cenk Batu im Hamburger "Tatort" ermittelt, hat die Krimireihe um einen Typus bereichert, den es vorher so nicht gab: Er spielte in vier Folgen, zwei weitere werden noch kommn, einen wortkargen verdeckten Ermittler, der in der Regel seine Fälle im Alleingang löste. Der Hamburger "Tatort" mit ihm in der Hauptrolle war härter und schneller geschnitten als andere Filme der Reihe. Allerdings stimmten die Quoten nicht: Nur 6,83 Millionen Zuschauer wollten Kurtulus zuletzt als "Tatort"-Kommissar sehen - der Münsteraner "Tatort" schafft bis zu 11,79 Millionen. Deshalb gab er die Rolle auf. Schade.

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Mit Schweiger wird es wohl wieder konventioneller werden. Schon jetzt dürfte klar sein, wie er seine Rolle anlegt: Til Schweiger spielt eigentlich immer Til Schweiger. Kritiker bescheinigen ihm, nicht mehr als einen Gesichtsausdruck draufzuhaben. Das hat seine Karriere aber ebenso wenig beeinträchtigt wie sein - für einen Schauspieler - ungewöhnlich starkes Nuscheln.

Die zu erwartende Verpflichtung Schweigers ist eine der ersten Duftmarken des neuen NDR-Fernsehspielchefs Christian Granderath. Bei seinem Amtsantritt vor gut einem Jahr war er mit zahlreichen Vorschusslorbeeren bedacht worden. Dass er sich beim Hamburger "Tatort" nun nichts traut, ist schon ziemlich enttäuschend - und hoffentlich kein Präjudiz für künftige Entscheidungen.